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'Stolz, Deutscher zu sein'

30. August 2007

Wegen eines Interviews in einer rechtsgerichteten Zeitung steht der Mügelner Bürgermeister Gotthard Deuse eineinhalb Wochen nach der Hetzjagd auf acht Inder in seiner Gemeinde weiter in der Kritik.

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Gotthard Deuse vor dem Rathaus, Quelle: AP
Gotthard Deuse vor dem RathausBild: AP
Eines der Opfer der Hetzjagd, Quelle: dpa
Eines der Opfer der HetzjagdBild: picture-alliance/dpa

Der Bürgermeister von Mügeln, Gotthard Deuse (FDP), hat nach der Hetzjagd auf Inder in seinem Ort erneut mit umstrittenen Aussagen für Aufregung gesorgt. "Entgegen der Wahrheit klagen wir uns selbst vor aller Welt als Hort des Rechtsextremismus an", sagte Deuse in einem Interview mit der rechtskonservativen "Jungen Freiheit", das am Donnerstag (30.9.09) in der Online-Ausgabe der Zeitschrift veröffentlicht wurde.

"Größerer Zusammenhang"

Er verstehe auch nicht, warum Deutsche nicht "unverkrampft" Nationalstolz zeigen dürften, sagte Deuse weiter. "Ich zum Beispiel bin stolz darauf, Deutscher zu sein, aber wenn ich das sage, lande ich ja schon wieder in der Ecke." Scharf griff Deuse den für die neuen Länder zuständigen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) an, dem er "populistische Aussagen" vorhielt.

Nach einem Friedensgebet stellen einige Mügelner Kerzen auf(25.08.2007), Quelle: AP
Nach einem Friedensgebet stellen einige Mügelner Kerzen auf (25.08.2007)Bild: picture alliance/dpa

Der "Leipziger Volkszeitung" (Freitagausgabe) sagte Deuse später, sein Satz, er sei, stolz, ein Deutscher zu sein, dürfe nicht allein stehen bleiben. Er habe ihn in einem größeren Zusammenhang geäußert: Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr sei deutlich geworden, dass es auch ein anderes Deutschland gebe. "Ich bin überhaupt nicht stolz darauf, was in Mügeln passiert ist, und es gibt nichts zu verharmlosen. Ich bin gegen jede Form von Gewalt und gegen jede Form von Ausländerfeindlichkeit", sagte Deuse.

Deuse hatte bereits zuvor Empörung ausgelöst, indem er in einem Interview zu den "Ausländer-raus"-Rufe während der Hetzjagd sagte: "Solche Parolen können jedem mal über die Lippen kommen." Zudem hatte er bestritten, dass es in Mügeln Rechtsextremismus gebe.

Rufe nach Rücktritt

Generalsekretär Dirk Niebel sagte dem "Tagesspiegel" (Freitagausgabe), für seine Partei gelte, dass es keinerlei Relativierung von Gewalttaten und ausländerfeindlicher Gesinnung geben dürfe. Das gehöre für alle Demokraten zu den Grundsätzen einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft. Deuse sei selbst dafür verantwortlich, was er wem sage.

Willkommen in Mügeln?, Quelle: AP
Willkommen in Mügeln?Bild: AP

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), forderte FDP-Chef Guido Westerwelle auf, sich von seinem Parteifreund zu distanzieren. "Es ist an der Zeit, dass der Parteivorsitzende Guido Westerwelle Herrn Deuse zur Ordnung ruft und klar stellt, dass dieser nicht für die FDP spricht", sagte Edathy der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitagausgabe). Außerdem legte er Deuse selbst den Rücktritt nahe. Anders als von dem Bürgermeister dargestellt habe es in Mügeln "eine Pogromstimmung gegen aus dem Ausland stammende Mitbürger gegeben".

"Im tiefsten Herzen ausländerfeindlich"

Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Bodo Ramelow, bezeichnete Deuses Interview in der umstrittenen Zeitung als einen Bärendienst für den Osten, weil es alle in der Diskussion nach den ausländerfeindlichen Zwischenfällen hochgekommenen Vorurteile bestätige. Bei ihm verfestige sich nun der Eindruck, "dass der Bürgermeister in seinem tiefsten Herzen doch ausländerfeindlich ist", wird Ramelow in der "Thüringer Allgemeinen" (Freitagausgabe) zitiert. Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang Bosbach, sagte, aufrechte Demokraten hielten Abstand zur "Jungen Freiheit".

Pakistanischer Imbiss gestürmt

Auf dem Stadtfest von Mügeln hatte in der Nacht zum 19. August ein Mob von fünfzig Deutschen acht Inder durch den Ort gehetzt und verletzt. Die genauen Hintergründe sind nach wie vor unklar. Womöglich war ein vorhergehender Streit der Auslöser, Zeugenaussagen zufolge fielen auch "Ausländer raus"-Parolen bei der Hetzjagd.

Nach Angaben des Innenministeriums aus Mecklenburg-Vorpommern wurden bei der Polizei in Bützow schwere Führungsfehler begangen. Nach einem Volksfest waren in der Nacht zum Samstag der Marktplatz der Kleinstadt verwüstet und der Imbissladen eines pakistanischen Besitzers gestürmt worden. Das Ministerium hielt an der Einschätzung fest, dass die Ausschreitungen keinen gezielt fremdenfeindlichen Hintergrund hatten, obgleich nach derzeitigem Erkenntnisstand auch Rechtsextreme beteiligt waren. (stu)