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Müller spielt immer

Tobias Oelmaier17. Juni 2014

Thomas Müllers drei Tore im WM-Auftaktspiel gegen Portugal beweisen es: WM-Zeit ist Müller-Zeit. Dabei ist der deutsche Offensivspieler gar kein klassischer Torjäger wie sein berühmter Namensvetter.

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Thomas Müller jubelt (Foto: AFP PHOTO / PATRIK STOLLARZ)
Bild: Getty Images

Macht man sich die Mühe, alle deutschen Telefonbücher zu durchforsten, so findet man momentan rund 320.000 Einträge auf den Namen Müller. Damit rangieren die Müllers auf Position eins der Namensrangliste. Es ist also rein statistisch gar nicht besonders, dass einer der Ihren auch in der deutschen Nationamannschaft kickt. Auch nicht, dass er trifft wie einst der andere Müller. Der Gerd Müller. Da ist es schon auffälliger, wie Thomas Müller seine Tore macht, wie jüngst die beim 4:0 gegen Portugal.

"Natürlich, drei Tore in einem Spiel, im Auftaktspiel für uns, bei so einem Gegner, das ist natürlich etwas Herrliches. Und es war wieder eines schöner als das andere", lachte Müller im ARD-Interview nach der Partie. Und er meinte das, wie so oft, ironisch. Denn Thomas Müller schießt selten spektakuläre Tore. Hauptsache drin, ist sein Credo. Das erste Tor gegen Portugal per Elfmeter, das zweite per abgefälschtem Flachschuss, nachdem er zuvor einen Befreiungsschlag der Portugiesen abgeblockt hatte, das dritte ein Abstauber im Fallen - spätestens da schoss es jedem durch den Kopf: Wie einst der Gerd.

Müller, aber nicht Gerd

Thomas Müller nennt Gerd auch gerne sein Vorbild. Dabei haben die beiden außer ihrem Torriecher gar nicht so viel gemein. Gerd, der "Bomber der Nation" in den 70er Jahren: klein, gedrungen, mit dicken Oberschenkeln und äußerst begrenztem Bewegungsradius. Thomas dagegen: groß, schlaksig, mit Waden, dünn zum in der Flasche waschen. Und mit einer Pferdelunge, die es ihm erlaubt, 90 Minuten über das Feld zu wieseln wie ein Marathonläufer, nur dass er dazu noch Haken schlägt. Und dann dieses unvergleichliche Talent, Lücken in der Abwehr des Gegners zu erkennen. Im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" hat er sich selbst einst als "Raumdeuter" bezeichnet.

Thomas Müller, 24 Jahre alt und Ur-Bayer, hat einen eigenen Spielertypen geschaffen: sich selbst. Bei der WM in Südafrika, als er Torschützenkönig und bester junger Spieler wurde, hatten ihn viele Experten noch für einen ungeschliffenen Diamanten gehalten. Aber zum Glück hat er sich bislang auch noch nicht schleifen lassen. "Müller spielt immer", hatte sein damaliger Trainer und Förderer Louis van Gaal einst gesagt und damit alle Diskussionen vom Tisch gewischt darum, ob Platz für den unkonventionellen Offensivspieler im Starensemble des FC Bayern sei. Und tatsächlich - sowohl unter van Gaal als auch unter dessen Nachfolger Jupp Heynckes war Thomas Müller immer Leistungsträger.

Thomas Müller jubelt nach seinem Treffer zum 4:0 gegen Portugal bei der FIFA WM 2014 (Foto: Pool/Getty Images)
Tore aus allen Lagen: Müller auf dem Rücken, Portugal am BodenBild: picture-alliance/dpa

Lediglich Bayerns aktueller Übungsleiter Pep Guardiola scheint noch nicht ganz überzeugt. Müller saß in wichtigen Spielen immer wieder auf der Bank, war sich der Rückendeckung durch den Verein nicht mehr sicher, und bat kurz vor WM-Beginn um ein Gespräch beim Vorstand, zumal internationale Spitzenklubs aus Spanien und England längst um seine Dienste buhlen. Heraus kam eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit den Münchenern bis zum Jahr 2019.

Mehr als nur torgefährlich

Bis dahin wird Thomas Müller, privat seit 2009 mit Jugendfreundin Lisa verheiratet, 29 Jahre alt sein. Und, wenn er so weitermacht, bis dahin schon Kapitän der Nationalmannschaft sein. Verantwortung übernimmt er schon jetzt, mit der Erfahrung von 50 Länderspielen. Angesprochen auf den Elfmeter im Auftaktspiel gegen Portugal sagte er eher lapidar: "Ich hab in den letzten vier Jahren schon die eine oder andere Aktion im Weltfußball mitgemacht und bin nicht der Typ, der da Angst kriegt." Was er damit meint: Drei Champions-League-Finals, einen Titel in der europäischen Königsklasse, Club-WM, und jetzt das dritte Turnier mit der Nationalmannschaft.

Aber es ist nicht nur seine sportliche Form, die ihn zum Führungsspieler qualifiziert. Müller ist intelligent, eloquent, frisch und witzig. Keine leeren Phrasen in der Spielanalyse, kein Ausweichen. Und dazu die Perspektive, dass er, keine Verletzungen vorausgesetzt, noch diese und zwei weitere Weltmeisterschaften vor sich hat. Es könnte also noch lange müllern!