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Mülltrennung

4. Februar 2010

Achtzig wilde Mülldeponien gibt es im Westjordanland. Sie werden immer mehr zu einer Belastung für die Palästinenser. Das soll sich jetzt ändern: Ein deutsches Hilfsprojekt unterstützt die Palästinenser beim Recycling.

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Müllhalde nahe Ramallah (Foto: DW/Marx)
140 Tonnen Müll kommen täglich auf der Halde in Ramoun anBild: DW/Bettina Marx

In der Mädchenschule von Ramoun im palästinensischen Westjordanland ist Projekttag. Dreißig 12-jährige Mädchen in Schuluniformen sitzen hinter ihren schmalen Tischen und stellen voller Begeisterung Perlen aus Zeitungspapier her. Sie rollen die schmalen Papierstreifen über eine Stricknadel, malen sie bunt an und lackieren sie, damit sie haltbar bleiben. Dann fädeln sie die Papierperlen zu langen Ketten auf. Sie haben Spaß an dieser Arbeit und unterhalten sich lebhaft, während sie basteln.

Palästinensische Mädchen in der Schule in Ramoun (Foto: DW/Marx)
In der Mädchenschule in Ramoun lernen die Kinder schon früh das MülltrennenBild: DW/Bettina Marx

"Heute vermindern wir den Abfall, indem wir altes Papier wieder verwenden und daraus Schmuck herstellen", erklärt Nadja Awwad, Mitarbeiterin des neuen Abfallzweckverbandes in Ramallah den Sinn des Projekttages. Die Mädchen des Dorfes sollen lernen, wie man Müll vermeidet, wieder verwendet und entsorgt. Die kleineren Kinder bekommen Malbücher, in denen Szenen aus dem Alltagsleben dargestellt sind: vom Einsammeln der Mülltonnen bis hin zur Wiederverwertung des noch brauchbaren Materials. Die größeren Schüler beteiligen sich an Exkursionen und Projekten, bei denen sie lernen, ein Bewusstsein für die Problematik zu entwickeln, denn Palästina erstickt im Müll. Kürzlich gab es sogar einen Marathon-Lauf, der unter dem Motto "Müllvermeidung" stand und zahlreiche Jugendliche der Umgebung anlockte.

Viele eigene Ideen

Auch die Mädchenschule von Ramoun macht mit bei dem Versuch, die Menschen in den besetzten Gebieten für das Problem der Müllvermeidung und der Abfallentsorgung zu sensibilisieren. "In jedem Semester haben wir ein anderes Projekt und stellen eine Handarbeit her. Die Mädchen sind so klug und haben so viele Ideen, wie man den Müll reduzieren und wiederverwenden kann. Ich hoffe, dass sie, wenn sie erwachsen werden, die Müllentsorgung unterstützen werden."

Im Dorf der Mädchen, in Ramoun, nördlich von Ramallah, soll mit deutscher Hilfe eine von drei geordneten Abfalldeponien im Westjordanland entstehen. Nach und nach sollen diese Anlagen die derzeit existierenden 80 Müllhalden ersetzen. Auch die Abfälle von Ramallah und Umgebung sollen dann hier entsorgt werden.

Geordnete Deponie muss her

Noch aber werden die Abfälle der palästinensischen Wirtschaftsmetropole Ramallah und ihrer Schwesterstadt El Bireh auf einer weithin sichtbaren und stinkenden Müllhalde deponiert, die jeden Moment einzustürzen droht. Große Bagger fahren auf der riesigen Halde hin und her, schieben den Müll zusammen und bedecken ihn mit Bauschutt. "Täglich kommen hier etwa 140 Tonnen an. Es ist alles möglicher, häuslicher Abfall, gewerblicher Abfall und keiner kontrolliert, ob da auch giftiger Müll dabei ist. Hier werden zum Beispiel Farben abgelagert, Öle, all das was in Deutschland schon seit Jahrzehnten verboten ist", erklärt Fritz Sonderhoff, Bauingenieur aus Deutschland, der im Auftrag des Deutschen Entwicklungsdienstes, DED dort arbeitet. Die Deponie umweltgerecht zu schließen würde 500 Millionen Dollar kosten. Doch dafür haben die Kommunen kein Geld. Darum gibt es nur eine Alternative, so Sonderhoff, "so schnell als möglich eine geordnete Deponie bauen, um hier keinen Abfall mehr ablagern zu müssen."

Sonderhoff arbeitet, wie Nadja Awwad, als Entwicklungshelfer beim sogenannten "Joint Service Council" in Ramallah. In diesem vor einem Jahr gegründeten Verband haben sich die Gemeinden im Regierungsbezirk von Ramallah und El Bireh zusammengeschlossen, um gemeinsam dem Müll zuleibe zu rücken. Keine leichte Aufgabe in dem von Checkpoints, Grenzen, Mauern und Zäunen zerstückelten Gebiet des Westjordanlandes, sagt die Abfallexpertin Reem Khalil. Die energische junge Frau ist Ingenieurin und ebenfalls beim Abfallzweckverband beschäftigt. "Unsere größte Sorge ist, ob Israel zulassen wird, dass wir jeden Tag Müll abfahren", sagt sie. Denn die Deponie liegt im von Israel kontrollierten Gebiet C. Die Müllfahrzeuge müssen Umgehungsstraßen nutzen, um dort hinzukommen, ohne die israelischen Siedlungen zu passieren, die überall im Westjordanland verstreut sind.

Müllhalde nahe Ramallah (Foto: DW/Marx)
Diese Müllhalde im Westjordanland droht einzustürzenBild: DW/Bettina Marx

Das Zonen-Problem

Anhand einer Landkarte erklärt Reem Khalil, was es mit den drei Zonen auf sich hat, die der Friedensprozess in den palästinensischen Gebieten geschaffen hat. "Diese Karte zeigt die drei Zonen im Westjordanland. Gelb ist Zone A, grün ist Zone B und weiß ist Zone C. Sie ist das größte Gebiet." Zone C steht unter alleiniger israelischer Kontrolle, Zone B wird von Israelis und Palästinensern gemeinsam verwaltet und nur Zone A, das dicht bevölkerte Gebiet um die großen Städte wird von der Autonomiebehörde allein regiert.

Die neue Deponie beim Dorf Ramoun, die in zwei Jahren ihren Betrieb aufnehmen soll, liegt aber in Zone C, einem Gebiet, das Israel in der letzten Zeit immer offener für sich beansprucht. Um sie zu erreichen, müssen die Müllautos von Ramallah einen Umweg von rund 30 Kilometern in Kauf nehmen, einen Umweg, der zudem viele Steigungen mit sich bringt. Für die schweren Müllfahrzeuge, die sich dann mühsam die Berge hinauf und hinunter quälen müssen, ist das eine zusätzliche Zeit- und Energie-aufwendige Belastung.

Das sind Probleme, die auch die deutschen Entwicklungshelfer in Palästina nicht beseitigen können. Darum fordern die Entwicklungshilfeorganisationen im Deutschen Haus in Ramallah, dass ihre Arbeit von politischen Anstrengungen auf höchster Ebene begleitet wird. Die Politik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Helfer vor Ort ihre Arbeit machen können, um die Lebensbedingungen der Menschen in den besetzten Gebieten zu verbessern.

Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Diana Hodali