1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Maas und die Vorratsdatenspeicherung

Bettina Marx12. Juni 2015

Dilemma für Heiko Maas: Er muss ein Gesetz einbringen, das er eigentlich ablehnt, die Vorratsdatenspeicherung. Im Bundestag verteidigte der SPD-Minister seinen Entwurf. Glücklich wirkte er dabei nicht.

https://p.dw.com/p/1FgFB
Deutschland Justizminister Heiko Maas in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Das Unbehagen war dem SPD-Politiker deutlich anzumerken, als er seinen Entwurf im Hohen Haus vorstellte. Das Gesetz sei notwendig, um schwere Straftaten aufzuklären, zum Beispiel Kapitalverbrechen, organisierte Kriminalität oder Kinderpornographie, sagte Justizminister Heiko Maas vor den fast leeren Reihen des Plenums. Die anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten sei mit dem Grundgesetz vereinbar und werde auch vom Bundesverfassungsgericht nicht untersagt. Derzeit aber würde die Speicherung der Verbindungsdaten bei den Telekommunikationsanbietern sehr unterschiedlich gehandhabt. Manche Unternehmen speicherten sie gar nicht, andere monatelang oder unbegrenzt. In Zukunft werde dies vereinheitlicht. Die Höchstspeicherdauer betrage zehn Wochen. Wer die Daten danach nicht lösche, werde mit empfindlichen Geldbußen belegt.

Darüber hinaus würden die Unternehmen zu besonderen Sicherheitsvorkehrungen verpflichtet, so Maas weiter. Ermittlungsbehörden erhielten nur mit richterlicher Genehmigung Zugriff auf die Daten. Berufsgeheimnisträger wie Journalisten, Anwälte, Geistliche und Abgeordnete seien von der Verwertung ihrer gespeicherten Daten ausgenommen. "Wenn man sich das alles zusammen anschaut, wird man feststellen, dass wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eins zu eins übernommen haben", erklärte der Justizminister. Er sei daher überzeugt, dass das neue Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben werde.

Vom Gegner zum Befürworter der Vorratsdatenspeicherung

Im Jahr 2010 hatte Karlsruhe das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als grundgesetzwidrig verworfen. Es war von der damaligen großen Koalition aus CDU/CSU und SPD im Jahr 2007 gegen den Widerstand von Datenschützern und Bürgerrechtsbewegungen beschlossen worden. Im April 2014 kippte der Europäische Gerichtshof (EuGH) auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung.

Für die Gegner der anlasslosen Speicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten schien damit das Gesetz erledigt. Auch Heiko Maas selbst lehnte es ab, einen neuen Vorstoß zu unternehmen. Er sei gegen die Vorratsdatenspeicherung, weil sie Terror nicht verhindern könne und einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre darstelle, sagte er immer wieder. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk im Januar dieses Jahres begründete er seine Haltung so: "Die Sicherheitspolitiker wollten immer die Vorratsdatenspeicherung. Aber es ist nun einmal so, dass der Europäische Gerichtshof so entschieden hat, und es ist im Übrigen auch so, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass die Vorratsdatenspeicherung zu all den Segnungen führt, die mit ihr verbunden werden." So habe die Vorratsdatenspeicherung in Frankreich die Terroranschläge auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt in Paris nicht verhindern können.

Bürger demonstrieren in Hamburg gegen Überwachung mit der Parole: "Löscht meine Daten"
Proteste gegen Datenklau und ÜberwachungBild: imago

Opposition in seltener Geschlossenheit

Im Bundestag zitierten Redner der Opposition genüsslich Passagen aus diesem Interview und fügten hinzu: "Das ist grotesk. Wie unglaubwürdig kann man eigentlich sein?" Heiko Maas sei umgefallen, weil sein Parteivorsitzender Sigmar Gabriel aus einer Laune heraus die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen wolle.

In die gleiche Kerbe hieb die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Katrin Göring-Eckardt. Auch sie warf Maas vor, eingeknickt zu sein und verwies auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs: "Es gibt keine Richtlinien der EU mehr, es gibt höchstens eine Richtlinie von Herrn Gabriel." Sie lehne die Vorratsdatenspeicherung entschieden ab, so Göring-Eckardt, denn es handele sich dabei um eine "anlasslose Vollprotokollierung unseres Telekommunikationsverhaltens". Dies führe nicht zu mehr Sicherheit. Im Gegenteil: es gebe gar nicht genug Ermittler, um diese große Menge an Daten auszuwerten. Außerdem sei es praktisch unmöglich, die Daten vor dem Zugriff von Hackern und Kriminellen zu schützen. Dies zeige nicht zuletzt der Angriff auf das Computersystem des Bundestages. Die Grünen-Politikerin sagte voraus, der Justizminister werde mit seinem Gesetz wieder vor dem Verfassungsgericht scheitern. "Sie werden damit auf die Nase fallen, und das zu Recht."

Rückendeckung für den Justizminister

Unterstützung bekam Heiko Maas aus den Reihen der Koalitionsfraktionen. Der CDU-Rechtsexperte Günter Krings sagte, die Verfassungsrichter hätten in ihrem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass eine Vorratsdatenspeicherung zulässig sei. Der Gesetzentwurf des Justizministers trage den Beanstandungen an der Ausgestaltung des Gesetzes Rechnung. Darum stehe jeder Zugriff in Zukunft unter strengem Richtervorbehalt.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU, Thomas Strobl, begrüßte den "maßvollen Vorschlag" des Bundesjustizministers. Er betonte, nicht der Staat bedrohe die Freiheit und Sicherheit der Bürger, sondern die organisierte Kriminalität und der Terrorismus.

In der nächsten Woche wird in Berlin der Parteikonvent der SPD zusammenkommen und sich mit dem Thema Vorratsdatenspeicherung befassen. Es wird erwartet, dass es von der Parteibasis erheblichen Widerstand gegen das Gesetz geben wird.