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Machtübernahme bei Grammer vorerst gescheitert

25. Mai 2017

In der Autobranche tobt ein Machtkampf. Ein Investor, der schon VW das Fürchten gelehrt hat, wollte mehr Einfluss beim bayerischen Zulieferer Grammer. Die anderen Anteilseigner verhinderten das - mit Hilfe aus China.

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Grammer-Beschäftigte protestieren gegen Investor
Bild: picture alliance/dpa/A. Weigel

Als die Hastor-Anwälte den Grammer-Chef Hartmut Müller Ende Oktober anriefen, waren sie noch voll des Lobes: Der bayerische Autozulieferer sei gut geführt, deshalb habe die Familie Hastor ihr Aktienpaket aufgestockt. Auf der Hauptversammlung am Mittwoch in Amberg dagegen ließen sie kein gutes Haar mehr an Vorstand und Aufsichtsrat. Absetzen, lautete ihre Forderung. Als neue Kontrolleure schlugen sie Manager aus Hastors Prevent-Gruppe vor.

Die Abstimmung nach achtstündiger Debatte hatte dann jedoch ein klares Ergebnis. Denn die Präsenz auf der Hauptversammlung war mit 67 Prozent der Aktien ungewöhnlich hoch. Die Machtübernahme der Hastors - mit 23 Prozent der Anteile größter Grammer-Aktionär - scheiterte.

Ein schärferer Wind

Untreue, Lügen, Verrat von Geschäftsgeheimnissen - die Liste der Vorwürfe von Hastor-Anwalt Franz Enderle war lang. Pflichtvergessene Vorstände und Aufsichtsräte stellten den Erhalt ihrer "Pfründe" über die Interessen des Unternehmens, hieß es. Müller und sein Aufsichtsratschef Klaus Probst hätten sich vom größten Grammer-Kunden Volkswagen sogar eine Abwehrstrategie gegen die Hastors schreiben lassen. Ihr Verhalten sei ein Skandal, lächerlich, abstrus.

Dass Grammer nach langer Durststrecke 2016 den bisher höchsten Umsatz und Gewinn einfuhr, quittierten die rund 500 anwesenden Aktionäre mit Beifall. Enderles mehrfache Wortmeldungen dagegen wurden von Buhrufen und Pfiffen begleitet. Großen Applaus bekam er nur einmal - als er sich in seinem Redetext verhedderte und abbrechen musste.

Die Fronten waren von Anfang an klar: der größte Grammer-Aktionär gegen alle anderen. Draußen demonstrierten 2500 Beschäftigte der nahen Grammer- und Siemens-Werke gegen die "Machtübernahme der Hastoren". Drinnen lobte Günther Hausmann von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dass sich "Vorstand, Arbeitnehmer, Politik, die wichtigsten Kunden und alle Aktionärsvertreter in seltener Einmütigkeit gegen eine kalte Übernahme durch den Minderheitsaktionär" stemmen.

Die ganze Autoindustrie verfolgt, was sich da in Amberg in der Oberpfalz abspielt. Denn die Hastors haben die Spielregeln im Verhältnis von Autokonzernen und Zulieferern in Frage gestellt. Der 66-jährige bosnische Unternehmer Nijaz Hastor hat Jahrzehnte mit VW zusammengearbeitet. Nun sind seine Söhne Kenan und Damir mit im Spiel. Der Wind habe sich verschärft, heißt es in Branchenkreisen.

Ein ganz hartes Geschäft

Die Zulieferindustrie beklagt immer wieder unfaire Geschäftsbedingungen und Preisdiktate durch die Konzerne. Manchmal gingen Zulieferer trotz hoher Vorleistungen leer aus und müssten zusehen, wie ihre Entwicklungen anderswo eingesetzt würden, kritisiert etwa Verbandssprecher Christian Vietmeyer.

Prevent ließ im Streit mit VW die Muskeln spielen. 2015 lieferte man VW-Werken in Brasilien erst monatelang keine Sitze mehr. Im vergangenen August standen dann Bänder in Wolfsburg und Emden still, weil plötzlich keine Getriebeteile mehr kamen. Volkswagen lenkte ein, stellte aber sofort neue Aufträge auf den Prüfstand.

Heldenschicksal

David gegen Goliath. Der Amberger IG-Metall-Chef und stellvertretende Grammer-Aufsichtsratsvorsitzende Horst Ott sagte, er habe damals sogar Sympathie für Prevent gehabt. Aber solcher Mut sei gefährlich: "Die meisten Helden liegen tot auf dem Feld." Wer "versucht, höhere Margen mit Gewalt durchzusetzen, setzt bewusst die Existenz von Betrieben, Beschäftigten mit ihren Familien, ja von ganzen Regionen aufs Spiel" warnt der IG-Metall-Autoexperte Frank Iwer.

Grammer-Beschäftigte protestieren gegen Investor
Bild: picture alliance/dpa/A. Weigel

Seit der Veröffentlichung der Hastor-Forderungen bei Grammer sei der Auftragseingang um 60 Prozent eingebrochen, sagte Vorstandschef Müller. Die Hastors gefährdeten die Zukunft des Unternehmens.

Auch wenn der Machtkampf nun vorerst entschieden scheint: So oder so stünden Grammer harte Zeiten bevor, sagte der Münchner Anwalt Oliver Krause. Setzten sich die Hastors durch, sei die Zukunft nicht rosig.

Scheiterten sie, seien Vorstand und Großaktionär zerstritten. Auch Andreas Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sah nur "eine kleine Atempause". Jahrelange Auseinandersetzungen und Prozesse drohten Grammer im eigentlichen Geschäft zu lähmen.

Das ist noch nicht das Ende

"Wir bleiben dran», sagte der Hastor-Vertreter Steffen Jörgens in Amberg. Die Familie werde nach der Hauptversammlung nicht einfach verschwinden. Sie habe auch keine Absicht, ihr Aktienpaket nennenswert aufzustocken, sagte Enderle. Mit 25,1 Prozent hätten die Hastors schon ein Vetorecht und könnten alle wichtigen Entscheidungen blockieren. Und ob der von Grammer kurz vor der Hauptversammlung als zweitgrößter Aktionär an Bord geholte chinesische Zulieferer Jifeng mitstimmen durfte, werde womöglich der Bundesgerichtshof klären.

Langen Atem haben Enderle und seine Kanzlei jedenfalls schon an anderer Stelle bewiesen. Für den Medienunternehmer Leo Kirch hatten sie die Deutsche Bank jahrelang auf Hauptversammlungen und vor Gerichten gepiesackt - und schließlich 925 Millionen Euro erkämpft.

 

Roland Losch, dpa