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Machtkampf an der Westküste

Andreas Schmidt9. Oktober 2002

Zehn Tage dauerte der Kampf zwischen Hafenarbeitern und Hafenbetreibern an der Westküste der USA. Die Arbeiter sind ausgesperrt, in den Häfen geht nichts mehr. Jetzt erzwingt ein Bundesgericht die Wiedereröffnung.

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Long Beach gelähmt: Ladungen gammeln vor sich hinBild: AP

Steve Stallone ist ein bulliger Mann mit Bart, Typ "working class hero". Mit dem Transparent in der Hand, dem Logo auf dem T-Shirt passt er an jeden Streikposten. Nur: das hier ist kein Streik. Die Pacific Maritime Association (PMA), der Verband der Hafenbetreiber und Reeder, hat die Hafenarbeiter ausgeschlossen.

Deswegen ist es auch nicht Steve Stallones Problem, dass mehr als 200 Schiffe vor der amerikanischen Westküste ankern. Frisches Gemüse fault in den Containern, den Toyota-Werken gehen die Bauteile aus, der gesamte Seehandel zwischen Asien und Amerika liegt lahm. Nach Schätzungen der Arbeitgeber verliert die Gesamtwirtschaft eine Milliarde Dollar am Tag, manche sagen sogar, es seien zwei Milliarden. "Ich weiß nicht wie die Zahl zustande kommt," sagt Steve Stallone. Er spricht für die mächtige Gewerkschaft ILWU, bei der die 10.500 Hafenarbeiter der Westküste organisiert sind.

Der Präsident greift ein

Jetzt hat Präsident Bush das schwerste Geschütz im US-amerikanischen Arbeitskampf aufgefahren: den Taft-Hartley Act, ein Gesetz aus dem Jahr 1947. Zur heutigen Abendschicht (9.10.2002) müssen die Häfen wieder geöffnet werden. Ein Bundesgericht in San Francisco hat befunden, dass der Arbeitskampf die "nationale Sicherheit und Gesundheit" gefährdet. Das gibt dem Gericht nach dem Taft-Hartley-Gesetz die Macht, die Rückkehr zur Arbeit für 80 Tage zu erzwingen. In der Zwischenzeit sollen sich die Verhandlungspartner einigen.

Bush hat sich nur widerwillig zu diesem Schritt entschlossen, aus der Opposition tönt es postwendend, er sei arbeitnehmerfeindlich. Doch Steve Stallone hat den Schritt von Anfang an erwartet: "War doch klar, dass die Regierung die PMA raushaut. Jetzt sind wir gezwungen, in der Hauptsaison des Asienhandels zu arbeiten und danach bekommen wir einen schlechten Deal." Es wird noch Wochen dauern, bis die Dockers den Frachtstau in den Häfen abgearbeitet haben, und sie wollen dabei auf ihre Sicherheit achten. Das bedeutet Bummelstreik.

Eine Frage des Prinzips

Es geht um Technologie, sagt die PMA. Es geht ums Prinzip, sagen die Gewerkschafter. Steve Stallone sagt gar: "Es geht ums Überleben." Die PMA möchte in den 29 Häfen eine Erkennungssoftware für Container einführen, damit sie per Strichcode identifiziert werden können. Momentan müssen Arbeiter die Frachtdaten der Schiffe noch per Hand in das System der Häfen eingeben.

Die neue Technologie würde diese Arbeit überflüssig machen. Allerdings hat die PMA in ihrem letzten Angebot garantiert, dass keiner der betroffenen Beschäftigten seine Arbeit durch die neue Technologie verlieren würde. Es sollen sogar neue Jobs entstehen. Doch das reicht Steve Stallone nicht: "Wir fordern, dass alle neuen Jobs nur an Gewerkschaftsmitglieder vergeben werden." Sonst drohe das Übliche: Outsourcing, Leiharbeitsfirmen, scheinselbständige Hafenarbeiter.

Mächtige Malocher

streikende Hafenarbeiter
Alle Räder stehen still. Die Dockers gehören zu den bestverdienenden Malochern der USABild: AP

In den USA ist die Macht der ILWU ohne Beispiel. Wenn die Hafenarbeiter nicht wollen, steht die Westküste still. In den Häfen werden pro Jahr Waren im Wert von 300 Milliarden Dollar umgeschlagen. Die Dockers wissen um ihren Wert. Sie verdienen mehr als 100 000 Dollar im Jahr und bekommen Sozialleistungen, von denen andere amerikanische Arbeiter nur träumen können. Diese Privilegien werden sie nicht kampflos aufgeben.

Der Machtkampf an der Westküste ist noch lange nicht entschieden. Wenn nach den 80 Tagen Zwangsarbeit keine Einigung da ist, könnten die Häfen wieder schließen. Nur eins ist bis jetzt sicher: Die Fluggesellschaften sind die lachenden Dritten. Die asiatischen Elektronikkonzerne müssen ihre Produkte zur Shoppingsaison nach Amerika schaffen. Deswegen sind sie schon auf Luftfracht umgestiegen, auch wenn die Paketdienste ihre Preise schon saftig erhöht haben.