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Russlands Opposition

17. Januar 2011

Der frühere russische Ministerpräsident Michail Kassjanow fordert die Zulassung eines neuen Bündnisses zu den nächsten Duma-Wahlen. DW-WORLD.DE sprach mit ihm über seine Arbeit in der außerparlamentarischen Opposition.

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Michail Kasjanow spricht in ein Mikrofon (Foto: RIA Novosti)
Michail Kassjanow, Führer der Volksdemokratischen UnionBild: RIA Novosti

DW-WORLD.DE: Was war Ihrer Meinung nach das wichtigste politische Ereignis in Russland im vergangenen Jahr?

Die Oppositionsführer Wladimir Ryschkow, Michail Kassjanow, Boris Nemzow und Wladimir Milow (Foto: DW)
Oppositionsführer wollen als Bündnis "Für ein Russland ohne Willkür und Korruption" antretenBild: DW

Michail Kassjanow: Die Gründung unserer demokratischen oppositionellen Koalition. Obwohl diese Entwicklung lang und schwierig war ist uns ein Bündnis gelungen. Wir sind eine ernstzunehmende politische Kraft geworden, die nicht mehr ignoriert werden kann. Auch ist 2010 deutlich geworden, dass die derzeitige Regierung die Situation nicht mehr kontrollieren kann. Die Bürger sehen, dass diese Regierung weder mit Bränden noch mit steigenden Lebenshaltungskosten fertig wird und mit vielem anderen auch nicht. Allen wurde klar, dass die in Russland errichtete Machtvertikale aufgebläht ist und nur noch die Imitation einer Staatsmacht darstellt. Die Bürger wollen diese Willkür nicht, die heute herrscht. Von der Miliz geht Gefahr aus, die Inflation steigt und der Lebensstandard der Bürger sinkt.

Was erwarten Sie vom Jahr 2011? Wie wird sich die russische Regierung verhalten?

Die Situation verändert sich und sie wird sich sehr bald endgültig ändern. Zu beobachten ist ein allmählicher Zerfall der Machtvertikale. Angesichts der rapiden Veränderungen im Lande bin ich zuversichtlich, dass noch vor den Parlamentswahlen 2011 und insbesondere vor den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 die Lage anders sein wird. Zwar kann man heute nicht von echten Wahlen sprechen, aber wir werden auf jeden Fall bei den Wahlen für eine ehrliche und richtige Demokratie stehen, und die Regierung wird damit rechnen müssen. Die Regierung wird auch mit dem Teil der Bürger rechnen müssen, die für demokratische Prinzipien eintreten, und dass sind rund 30 Prozent der Bevölkerung.

Was ist von der Opposition in Russland im Jahr 2011 zu erwarten?

Wir werden uns an den Wahlen beteiligen und wir werden genügend Stimmen erhalten, nicht nur, um einfach in die Staatsduma einzuziehen, sondern wir werden dort eine reale Kraft sein. Wir werden der Regierungspartei Einiges Russland ihre verfassungsändernde Mehrheit im Parlament nehmen, davon bin ich überzeugt. Nach Meinungsumfragen kommen schon heute in verschiedenen Regionen die vier politischen Bewegungen unserer oppositionellen Koalition gemeinsam auf über 30 Prozent. Wenn unsere vier Bewegungen vom Justizministerium als Partei zugelassen werden, dann können wir mit noch besseren Werten rechnen.

Demonstranten der russischen Opposition auf dem Triumphplatz in Moskau tragen Putin-Masken (Foto: DW)
Die Opposition protestiert weiter gegen das "System Putin"Bild: DW

Dazu braucht es aber Druck seitens der Öffentlichkeit. Unsere Forderungen allein und unsere kleinen Kundgebungen reichen nicht. In den vergangenen vier Jahren haben die Menschen erkannt, dass man uns die letzte Grundfreiheit genommen hat – zu wählen und sich wählen zu lassen. Wenn die Öffentlichkeit die Regierung genug unter Druck setzt, dann könnte die Regierung einlenken und uns als Partei zulassen.

Wenn aber die Regierung und wir, also diejenigen, die den Druck auf die Regierung herstellen, nichts unternehmen, dann wird es in etwa drei Jahren zu revolutionären Entwicklungen kommen. Schon heute gibt es Zusammenstöße zwischen Bürgern und Sicherheitskräften. Die Menschen wissen, dass sie festgenommen werden, aber sie haben nichts mehr zu verlieren und sie sehen keinen anderen Weg. Unter bestimmten Bevölkerungsgruppen wächst die Unzufriedenheit, was zu Ausschreitungen führen kann. Die Regierung muss das begreifen. Und wir müssen ihr klarmachen, dass wir keine Revolution wollen, sondern dass es unsere Pflicht ist, nur mit Wahlen einen Machtwechsel herbeizuführen.

Werden Sie dafür den Kampf auch auf der Straße fortsetzen?

Natürlich. Wir werden nicht sehr oft Kundgebungen veranstalten, aber wir werden sie für den politischen Kampf nutzen. Ich persönlich nehme an solchen Aktionen noch nicht teil, aber die Zeit wird kommen, und dann werde ich mich auch persönlich beteiligen. Aber unsere Partei nimmt schon heute an vielen Aktionen teil. Beispielsweise in St. Petersburg und in etwa 20 weiteren Städten gehen Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen gerade von unserer Volksdemokratischen Union aus.

Das Interview führte Jegor Winogradow / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Fabian Schmidt