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Magie und Vielfalt

Matthias Klaus9. Juli 2012

Wie klingt Rockmusik in China, was macht eine Konzertina in Südafrika, und wo liegen die Gemeinsamkeiten von altenglischen Tänzen und HipHop? Beim 22. Tanz- und Folkfest Rudolstadt gab es Antworten.

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Die Sängerin Gong Linna (Foto: DW)
Bild: DW

Freude und Trauer lagen eng beieinander beim diesjährigen Magie-Projekt des größten Weltmusikfestivals in deutschen Landen. Einige der besten Konzertina-Spieler der Welt hatten sich für ein gemeinsames Konzertprogramm verabredet und eine Woche lang geprobt. Einer von ihnen war der 84-jährige Thüringer Horst Foit. Vor seinem Auftritt hatte er noch gesagt, dass er es gar nicht fassen könne, dass so viele Menschen seine Musik hören wollten.

Als er dann überglücklich auf der Bühne stand, erlitt er einen Herzinfarkt. Das Konzert musste abgebrochen werden, Horst Foit kam auf die Intensivstation. Die übrigen Musiker entschlossen sich, das Konzertina-Programm am nächsten Abend nachzuholen und ihm zu widmen.

Die Konzertina, der kleine Cousin des Akkordeons, war einer der Themenschwerpunkte des 22. Tanz- und Folkfests Rudolstadt (TFF), das am Wochenende mit 85.000 Besuchern über mehr als 20 Festivalbühnen ging. Mit 163 Acts, Bands, Ensembles und Künstlern aus 40 Ländern bot das Festival erneut seine spezielle Mischung aus traditioneller und aktueller globaler und lokaler Musik, von Folk bis Reggae, von HipHop über Country bis hin zur chinesischen Oper.

Publikum beim Tanz- und Folkfest (TFF) Rudolstadt 2012 (Foto: DW)
Zufriedene Festivalbesucher in Rudolstadt - auch wenn hier kaum "Stars" auftretenBild: DW

Chinas Vielfalt

Zwei Dinge kommen einem in den Kopf, wenn man an Musik aus China denkt: Zum einen weichgespülte kitschige Popsongs aus dem China-Restaurant, und dann die oft sehr unzugängliche chinesische Oper mit ihren dramatischen Effekten und hohen schneidenden Gesangsstimmen.

Davon, dass das längst nicht alles ist, was das "Reich der Mitte" zu bieten hat, konnten sich die Festivalbesucher in diesem Jahr überzeugen. Oper gab es auch zu hören, aber ebenso Musik der Uiguren, einer ethnischen muslimischen Minderheit. Die Band Er Shou Mei Gui bot aktuelle Rockmusik, und die Sängerin Gong Linna trat mit dem ersten chinesischen Volksmusik-Chor DaBaiSong an und nahm außerdem an einem Orchester-Projekt mit den Thüringer Symphonikern Saalfeld Rudolstadt teil, die sich seit einigen Jahren regelmäßig am TFF beteiligen.

Das Cajón und der Volkstanz

Selbst für alte TFF-Hasen ist es jedes Jahr aufs Neue erstaunlich, wie das Publikum sich aktiv am Festival beteiligt. Zum einen gibt es unzählige Straßenmusik-Ensembles, die überall in der Stadt aufspielen; und dann sind da die zahlreichen Besucher, die quasi unangemeldet ihre Instrumente mitgebracht haben und fröhlich drauf los jammen und natürlich die diversen Konzerte und Workshops, bei denen zum Mittanzen eingeladen wird.

Straßentänze zwischen Folk und HipHop sind nach wie vor eine wichtige Zutat im Rudolstadt-Musik-Mix. Und immer wieder überrascht das musikalische hohe Niveau der hier auftretenden Amateure. Da hört man Solo-Gitarristen ebenso wie Perkussion-Ensembles und Cajón-Spieler oder auch mal eine komplette Balkan-Combo. Und wenn das Wetter es zulässt, ist die Publikumsbegeisterung für Straßenmusik oft nicht geringer als für das Bühnenprogramm.

Im Leben noch keinen Preis bekommen

"Ruth" heißt der Weltmusikpreis, der beim TFF jedes Jahr an drei Musiker verliehen wird. Diesmal nahm die lebende Liedermacher-Legende Hannes Wader den Preis für sein Lebenswerk entgegen. Der gestand, dass er in seiner 50-jährigen Künstlerlaufbahn noch keinen einzigen Preis erhalten habe und dass er jetzt im Alter lieber Lieder über den Tod oder Frauen schreibe als sich mit aktueller Politik zu befassen.

Hannes Wader beim Tanz- und Folkfest (TFF) Rudolstadt 2012 (Foto: DW)
Nahm den Preis für sein Lebenswerk entgegen: Hannes WaderBild: DW

Auch das Al Andaluz Project, ein Zusammenschluss deutscher, spanischer und marokkanischer Musiker, wurde mit einem Preis ausgezeichnet, ebenso wie die Strottern, die ihre modernisierten, bluesgeschwängerten Wiener Lieder inzwischen mit Bläserverstärkung vortragen.

Erfolg ohne große Namen

Auch die Preisträger des anderen deutschen Weltmusikpreises, der Creole, traten beim TFF auf. Das fränkische Kellerkommando sorgte mit seiner Fusion aus HipHop und Wirtshausliedern für ziemlichen Wirbel, und die Band Kavpersaz zeigte die eher feinsinnige Seite orientalischer Musikfusion made in Germany.

Stars sind sie alle nicht, doch das Rudolstädter Festival lebt eben nicht von großen Namen - selbst wenn sich im Programm immer wieder auch kommerziell erfolgreiche Künstler wie etwa der deutsche Reggae-Superstar Gentleman oder die Country-Sängerin Alison Krauss finden. Wichtiger ist dieses einmalige Festival-Gefühl und die Möglichkeit, an jeder Ecke eine neue Band zu entdecken, die Musik spielt, von der man bis dahin vielleicht noch nicht gehört hatte.