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Magisches neues Jahr? Das Geheimnis der Zwölf

31. Dezember 2011

Zahlen sind mehr als ein bedeutungsloses Maß. Sie dienen der Veranschaulichung und Organisation und haben eine eigene ästhetische Form, besonders die Zwölf. Gerade sie besitzt eine vielfältige Geschichte.

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Die Zahl 12
Bild: DW

Zahlen sind etwas für Bürohengste und Buchhalter, für trockene Statistiken, für Mathematiker, die gemeinhin als nüchterne Menschen gelten. Zahlen sind das Gegenteil von Sinnlichkeit und Genuss, von Farbenpracht und Wohlklang. Wer will schon wirklich wissen, wie viel Gramm Zucker in einer Praline sind oder wie groß ihre Abmessungen. Motorradfahrer schätzen zwar bisweilen lautstarkes Motorengeräusch, würden aber kaum den satten Sound ihres Gefährts mit Dezibel-Angaben veranschaulichen. Und hat jemals ein Liebender seine Angebetete betört, indem er den Neigungswinkel ihrer Nase lobte oder seiner Holden komplexe Rechenaufgaben ins Ohr flüsterte?

Zahlen machen schöne Formen

Sonne mit Tierkreiszeichen - natürlich zwölf Stück (Foto: Quelle unbekannt)
Sonne mit Tierkreiszeichen - natürlich zwölf Stück

Zahlen sind keine Begriffe, die selber Ausdruck tragen. Aber haben sie deshalb auch keine Bedeutung? Oh doch! Allein schon die gerade aufgeführte Auflistung von Pralineninhalt, Motorradlautstärke und Liebeswerben entspricht einem ehernen Gesetz der Rhetorik: Drei aufgezählte Elemente erzielen die beste Redewirkung. Zwei wären zu wenig, vier zu viel, denn mehr als drei Beispiele verwässern eher die Wirkung und zerstören den Spannungsbogen. Form ist Inhalt. Und diese Form ist oft an eine Ordnung gebunden, die sich an Zahlen orientiert, in der Rhetorik wie in der Poesie.

Heraus ragt die Zwölf

Zeichnung: Das Fest der Götter (Foto: PA/akg-images)
Zwölf Mann im Olymp: Cornelis van Poelenburghs "Fest der Goetter" (um 1630)Bild: picture-alliance/akg-images

Darüber hinaus sind Zahlen aber auch mit Empfindungen und Bildern verbunden: das verflixte siebte Jahr, aller guten Dinge sind drei und der böse, böse Freitag, der 13.. Redewendungen geben volkstümliche Glaubensvorstellungen wieder, an die heute zwar niemand mehr ernsthaft glaubt, die aber ihre Spuren im Denken und Fühlen hinterlassen haben.

Deutlich heraus ragt aus der Schar der bedeutungsschwangeren Zahlen die Zwölf: Der griechische Olymp ist mit zwölf Hauptgöttern besetzt von Aphrodite bis Zeus, zwölf Tierkreiszeichen zieren das Firmament, zwei mal zwölf Stunden ergeben einen Tag. Ein ganzes Rechensystem, das über Jahrhunderte benutzt wurde, beruht auf der Zwölf, neben dem heute bei uns üblichen, das sich an der Zehn orientiert.

Die Natur macht's vor

Ein Karton Eier (Foto: PA/ ZUMA Press)
Im Dutzend billiger? Zwölf Eier, eines wie das andere...Bild: picture alliance/ZUMA Press

Das Duodezimalsystem ist in unserem Alltag noch deutlich erkennbar, ein Dutzend Eier sind eine für alle verständliche Größe. Wer als spezialisierter Händler etwas auf sich hält, versucht sich in seinem Angebot mit Qualität und Originalität von der "Dutzendware", also dem minderwertigen Massenprodukt der Großanbieter, abzusetzen.

Dass die Zwölf sich als wesentliches Maß-Vorbild etabliert hat, wird meistens auf die zwölf Mondphasen zurückgeführt, die den Ablauf eines Jahres kennzeichnen. Den Kalender nach den Monden in zwölf Monate einzuteilen, lag nahe. So macht die Zahl Zwölf den Eindruck, als ob sie mit einer besonderen natürlichen Bedeutung versehen ist - oder wenn man gläubig ist - mit einer göttlichen Kraft.

Die Zwölf der Gläubigen

Bild: Das Abendmahl von Leonardo da Vinci (Foto: AP)
12 Apostel - Leonardo da Vincis "Abendmahl"Bild: AP

In der Bibel ist die Zahl Zwölf geradezu ein Leitmotiv: Zwölf Apostel sollten als Gesandte die Lehre Jesu in der Welt verbreiten. Zwölf Stämme Israels machten das erwählte Volk aus. Während der Nacht sang man zwölf Psalmen. Zwölf Tugenden bringt der Heilige Geist hervor: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Langmut, Sanftmut, Treue, Bescheidenheit, Enthaltsamkeit und Keuschheit. Das christliche Weihnachtsfest umfasste (früher einmal) zwölf Tage und Nächte.

Auch die heilige Stadt Jerusalem ist vollständig von der Zwölf bestimmt. Sie hat zwölf Tore, auf denen zwölf Engel stehen. Außerdem basieren fast alle Maße der Stadt auf der Zahl Zwölf. Weit über diese anschaulichen Bedeutungen hinaus geht die Kabbala, die mystische Tradition des Judentums. In der bei vielen Esoterikern beliebten Lehre tragen alle Zahlen, weit über ihre praktische Anwendung hinaus, eine innere Bedeutung und stellen eigenen Wesenheiten dar.

Film und Musik

Porträt-Gemälde von Arnold Schönberg (Foto: Quelle unbekannt)
Arnold Schönberg auf einem Gemälde von Richard Gerstl

Doch existieren auch fernab von Religion und Glauben reichlich spektakuläre Beispiele, die die Zahl Zwölf als etwas Besonderes aus der numerischen Vielfalt herausheben. Als Zwölftonmusik ist die Kompositionstechnik von Arnold Schönberg in die Musikgeschichte eingegangen. Er verwendete alle zwölf Töne des tonalen Systems gleichberechtigt. Was dabei herauskam, erforderte ein extrem geschultes Gehör. Für die meisten anderen mit weniger Hörerfahrung klingen Schönbergs Stücke deshalb eher schräg.

Weit weniger kunstvoll, dafür aber ausgesprochen einprägsam, wurde die Zahl Zwölf in einem populären Werk der Filmgeschichte verewigt. Kaum vorzustellen, dass Gary Cooper als heldenhafter Marshall Will Kane dem Banditen und Bösewicht Frank Miller zu einer anderen Zeit gegenüber tritt als zur Mittagsstunde: "High Noon" ist einer der berühmtesten Western, die je gedreht wurden.

Und die anderen?

Filmszene aus ZWÖLF UHR MITTAGS mit Gary Cooper und Grace Kelly (Foto: PA/dpa)
"High Noon" mit Gary Cooper und Grace KellyBild: picture-alliance/dpa

Angesichts von Mondphasen und Klangharmonien wundert es ja, dass nicht noch mehr gesellschaftliche Institutionen die Zwölf als Vorbild nehmen. Die Kegler zum Beispiel werfen traditionell nach wie vor "Alle Neune". Und auch die Fußballer ignorieren fleißig die Kraft der Religion und die Tradition der antiken Götterwelt. Hartnäckig halten Fans und FIFA an der Elfer-Truppe fest, wo man doch mit der Zwölf viel leichter eine Art Kicker-Olymp erschaffen könnte. Aber vielleicht ändert sich das ja noch, passend zum Jahr 2012.

Autor: Günther Birkenstock
Redaktion: Aya Bach