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Politik

"Präsidentin der europäischen Integration"

Vitalie Călugăreanu | Anna Gluschko
1. Januar 2021

Die neue Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, will hart gegen Korruption vorgehen. Ihre Priorität: die europäische Integration ihres Landes. Im exklusiven DW-Interview erklärt die überzeugte Europäerin, warum.

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Republik Moldau | Präsidentin Maia Sandu
Die moldauische Präsidentin Maia Sandu vor dem DW-InterviewBild: Vitalie Calugareanu/DW

DW: Bei Ihrer Amtseinführung (24.12.2020) haben Sie betont, dass Sie die Präsidentin der europäischen Integration sein wollen. Was meinen Sie konkret damit? Und glauben Sie nicht, dass die pro-russischen Wähler in der Republik Moldau diesen Satz besonders kritisch beäugen?

Maia Sandu: Als ich sagte, ich wolle die Präsidentin der europäischen Integration unseres Landes sein, hatte ich die Normalität im Sinn, die sich alle Bürger wünschen. Alle Bürger der Moldau wollen in einem freien Staat leben, in dem die Menschen nicht wegen ihrer politischen Ansichten verfolgt werden. In einem Staat, in dem die Menschen nicht ihre Arbeitsplätze verlieren, weil sie sich weigern, gegen ihre Überzeugung Wahlkampf für den einen oder anderen Politiker zu betreiben. Wir alle wünschen uns ein Land, in dem Geschäftsleute nicht von staatlichen Institutionen bedrängt und beraubt werden. Wir alle wollen in einem Land leben, in dem die Bürgermeister nicht zu politischen Zwecken missbraucht und von den Regierenden bestraft werden, indem finanzielle Zuwendungen für die Entwicklung ihrer Ortschaft gestrichen werden...

Normalität bedeutet auch ein anständiges Einkommen für alle Bürger, damit sie in Würde zuhause leben können, anständige Löhne und Renten. Wir alle wünschen uns staatliche Institutionen, die im Dienste der Bürger stehen, und nicht solche, die im Interesse unterschiedlicher korrupten Gruppierungen die Bürger ausnehmen und das Land von einer Krise in die andere treiben. Das hatte ich im Sinn, als ich sagte, ich wolle die Präsidentin der europäischen Integration sein.

Ihr Wahlkampf war überwiegend auf Korruptionsbekämpfung ausgerichtet. Ihre ersten Gespräche nach Ihrem Wahlsieg hatten Sie mit dem Generalstaatsanwalt und dem Leiter des Informations- und Sicherheitsdienstes. Wir stark können Sie mit deren Unterstützung rechnen, da beide Personen an der Spitze dieser Institutionen schon dem System Plahotniuc-Dodon gedient haben?

Ich zähle auf die Unterstützung aller Institutionen, inklusive dieser beiden, in unserem recht komplizierten Kampf um die Säuberung der staatlichen Institutionen. Ich will, dass alle Menschen, die dort arbeiten, verstehen, dass ich mir unabhängige und starke Institutionen wünsche. Ich werde an der Seite all jener stehen, die ihre Arbeit gut verrichten, so dass wir diese Institutionen der politischen Kontrolle und der Kontrolle irgendwelcher Gruppierungen entziehen.

Gleichzeitig bin ich mir dessen bewusst, dass dies nicht einfach gehen wird. Es ist mir bewusst, dass in den Institutionen immer noch Personen sind, die nicht dem Bürger, sondern unterschiedlichen Interessen dienen. Wir müssen hier hart durchgreifen - vor allem, wenn wir die Staatsanwaltschaft und die Richter im Blick haben. Wir brauchen ein Gesetz, dass die externe Evaluierung der Staatsanwälte und Richter erlaubt, um das System zu säubern. Ich weiß, dass auch anständige Leute im System arbeiten, ich zähle auf ihre Unterstützung. Wir müssen den Karren herausziehen - dafür braucht es die Bemühungen und den Beitrag aller anständigen Menschen in diesen Institutionen.

Republik Moldau | Parlament von Chisinau
Chişinău: Blick aus dem Präsidialamt auf das Parlamentsgebäude - Proteste der LandwirteBild: Vitalie Calugareanu/DW

Vor seinem Rückzug aus dem Präsidialamt hat Ihr Vorgänger Igor Dodon mehreren Ausländern die Staatsbürgerschaft gegen Investitionen verliehen - ein umstrittener Vorgang, der in diesem Jahr eigentlich gestoppt worden war. Ist Ihnen bekannt, wer diese Menschen sind? Was beabsichtigen Sie, mit den von Dodon diesbezüglich unterzeichneten Dekreten zu unternehmen?

Zusammen mit meinen ehemaligen Kollegen der Partei Aktion und Solidarität (PAS) haben wir darauf bestanden, dass das Programm "Staatsbürgerschaft gegen Investitionen" gestoppt wird. Weil aber die Anträge bereits gestellt worden waren, lief das Programm weiter. Jetzt sind meine Mitarbeiter im Präsidialamt und ich habe Zugang zu allen geheimen Informationen - auch die zum betreffenden Programm wurden damals per Gesetz als geheim eingestuft. Ich werde diese Informationen analysieren und, soweit sie nicht als vertraulich eingestuft sind, der Öffentlichkeit mitteilen.

Noch kein Corona-Impfstoff 

Lassen Sie uns über die Impfkampagne gegen Covid-19 sprechen. Innerhalb der EU, das heißt auch in Ihrem Nachbarland Rumänien, hat die Impfung begonnen. Wie wir aus dem Gesundheitsministerium erfahren konnten, soll damit in der Republik Moldau viel später angefangen werden, weil die Regierenden in Chişinău die Beantragung verschlafen haben sollen. Können Sie etwas unternehmen, damit der Impfstoff schneller ins Land kommt?

Ich habe mit dem scheidenden Premierminister Ion Chicu gesprochen und leider erfahren, dass noch kein konkretes Angebot für einen Impfstoff vorliegt. Wir haben jetzt damit begonnen, intensiv mit Partnern im Ausland zusammenzuarbeiten, damit wir zumindest einen Teil des nötigen Impfstoffes bekommen. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Wochen konkrete Antworten dazu haben werden.

Bleiben wir beim Nachbarland Rumänien. Wie sehen Sie die Zusammenarbeit zwischen Chişinău und Bukarest? Was haben Sie vor, um dieser Zusammenarbeit neue Impulse zu verleihen? Welche Hilfe erwarten Sie von Rumänien?

Wir wollen die guten Beziehungen zu Rumänien wieder herstellen und haben eine sehr ambitionierte Agenda, sowohl kurz- als auch langfristig. Das gilt sowohl für Infrastruktur-Projekte, die hoffentlich bald beginnen, als auch für Projekte in den Bereichen Bildung, Kultur und Umwelt. Einzelheiten werden wir mit Präsident Klaus Iohannis besprechen (der Besuch des rumänischen Präsidenten in Chişinău hat am 29.12.2020 stattgefunden - Anm. d. Red.). Wir haben große Erwartungen und werden alles daran setzen, um unsere konkreten Kooperationsprojekte voran zu treiben.

Moldau | Präsidentschaftswahlen  Maia Sandu
Maia Sandu nach der Bekanntgabe ihres Wahlsiegs, Chişinău, 16.11.2020Bild: Valery Sharifulin/TASS/dpa/picture alliance

Die Beziehung zu Russland

Der russische Präsident Wladimir Putin hat Ihnen zum Wahlsieg gratuliert. Wie werten Sie diese Geste?

Als etwas ganz Normales. Ich hoffe, dass die moldauisch-russischen Beziehungen gut werden. Ich werde alles tun, was von mir abhängt, damit wir dringende Probleme lösen: die Rückkehr moldauischer Produkte auf den russischen Markt, Sozialschutz für die moldauischen Bürger, die in Russland arbeiten, sowie die Lösung des Transnistrien-Konflikts.

Im Januar werden Sie in der ukrainischen Hauptstadt Kiew erwartet. Wann werden Sie Russland besuchen?

Russland werde ich besuchen, wenn ich eingeladen werde. Russland ist Teil des 5+2 Formats und die Lösung des Transnistrien-Problems ist wichtig für mein Land.

Einige Politologen behaupten, Russland würde auf einen neuen Politiker in der Republik Moldau setzen, nachdem Igor Dodon das Präsidialamt verloren hat...

Ich weiß nicht, auf wen Moskau setzen wird. Ich weiß aber, dass wir ehrliche Politiker haben, die im Dienste unserer Bürger und unseres Landes stehen. Dafür brauchen wir starke Institutionen, die einen politischen Wettbewerb derjenigen Parteien ermöglichen, die korrekt und transparent finanziert werden. Hier steckt die Wurzel allen Übels: durch illegal finanzierte Parteien dringt Korruption in alle Strukturen der Staatsmacht und so entstehen all die Probleme, die wir heute erleben.

Sollte die Republik Moldau eines Tages ihre staatliche Einheit zurückerhalten - was würde dann mit den russischen Staatsbürgern geschehen, die größtenteils jenseits des Flusses Dnjestr, in Transnistrien leben?

Die Region Transnistrien ist Teil der Republik Moldau, die Menschen dort sind unsere Bürger. Dies ist auch ihr Land. Der Einheitsprozess wird kompliziert, aber einen anderen Weg gibt es nicht. Deshalb werden wir alles tun, um die Menschen einander näher zu bringen. Die Prozesse müssen beschleunigt werden, damit letztendlich eine politische Lösung dieser Angelegenheit erreicht wird.