1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Malaria-Forschung in Hamburg

23. Oktober 2012

Malaria wird seit über hundert Jahren erforscht, doch weiß man trotzdem noch nicht sehr viel darüber. Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, die Krankheit zu verstehen – auch am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg.

https://p.dw.com/p/16UrK
Blick auf einen Labor-Arbeitstisch mit diversen Utensilien, Kolben, Fläschchen etc. im Bernhard-Nocht-Institut im Hamburg (Foto: Michaela Führer)
Bild: Michaela Führer

Die Mitarbeiter des Bernhard-Nocht-Institutes (BNI) in Hamburg müssen keine weite Reise unternehmen, um in die Tropen zu kommen. Ihnen reicht ein kurzer Gang die düstere Treppe hinauf zum Dachboden. Der Weg ist im ersten Moment gruselig. Im ältesten und renommiertesten Tropeninstitut Deutschlands steigen die Forscher an dunklen, unverputzten Wänden vorbei, von oben röhrt eine Lüftung, die Luft riecht abgestanden. Kein Problem für die Malaria-Forscherin Iris Bruchhaus. Sie hat sich in den vier Jahren, die sie an Malaria forscht, an die Dunkelheit und schlechte Luft gewöhnt. Ihr Weg endet vor einem langen Gang mit Kammern aus Maschendraht. Hier befinden sich zwei kleine Räume. Als die Forscherin eintritt, schlägt ihr eine Wand feuchter Wärme entgegen. 28 Grad Celsius ist es hier drin, die Luftfeuchtigkeit beträgt 70 Prozent. In diesem kleinen Raum werden Anopheles-Mücken gezüchtet. Bruchhaus ist unter anderem hier, um die Larven zu füttern.

In weißen Plastikschüsseln schwimmen Mückenlarven im Wasser. In transparenten Kunststoffkästen schwirren die bereits geschlüpften Mücken - vor die Öffnungen gespannte Netze halten sie zurück. „Diese Mücken sind für den Menschen ungefährlich”, sagt Malariaforscherin Bruchhaus. „Denn sie übertragen nur die Nagermalaria.“ Die Erreger der mitunter für den Menschen sogar tödlich verlaufenden „Malaria tropica“ befänden sich in Reagenzgläsern in den Laboren des BNI, so die Malaria-Expertin weiter. Die Symptome der Krankheit sind einer Grippe nicht unähnlich, es kommt zu Fieber, Übelkeit und Durchfall.

Malaria tropica, eine lebensgefährliche Erkrankung

Eine Mücke sticht in einen Arm, Nahansicht (Foto: CC/Armed Forces Pest Management Board)
Eine Anopheles-Mücke bei der ArbeitBild: CC/Armed Forces Pest Management Board

An Malaria tropica starben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahre 2010 über 650.000 Menschen. Eine rechtzeitige Therapie ist erforderlich, um schwere Organschäden zu vermeiden. Malaria tropica und die Nagermalaria sind jedoch nur zwei von mehr als 200 Malaria-Arten. Hauptüberträger sind Mücken, die Insekten stechen und infizieren Lebewesen aller Gattungen, auch Reptilien, Vögel, Nager und andere Säugetiere. Sie dienen dem Malaria-Erreger, dem sogenannten Plasmodium, als Zwischenwirt.

„Wir haben gerade Blutproben von Gekkos von einem Kollegen aus Nigeria bekommen. Bei fast allen konnte man Malaria-Erreger nachweisen. Da findet man immer neue Arten, denn kein Mensch schaut in einem Gekko in Nigeria nach Malariaerregern“, erklärt Bruchhaus. Ihr Hauptforschungsgebiet ist aber die Malaria beim Menschen. Die Expertin möchte wissen, wie die infizierten roten Blutkörperchen es schaffen, sich an den Wänden der Adern festzusetzen, damit sich die Erreger in den Zellen in Ruhe vermehren können. Könnte die Forscherin diese Frage beantworten, würde es möglich sein, Medikamente zu entwickeln, die dieses Andocken verhindern.

Der Ablauf der Krankheit lässt noch viele Fragen offen. Sticht eine Mücke zu, gelangt der Erreger in die Blutbahn, landet in der Leber, vermehrt sich dort in den Leberzellen und setzt von dort seine zerstörerische Reise in der Blutbahn, als so genannter Merozoit, fort. Er befällt rote Blutkörperchen, dringt in sie ein, verändert die Form der Zellen, setzt sich an den Wänden der Blutgefäße fest, und vermehrt sich so lange, bis die Zelle platzt und erneut Merozoiten in die Blutbahn entlässt. Ein Kreislauf, an dessen Ende eine so große Zahl roter Blutkörperchen befallen ist, dass es zu Blutarmut und Gefäßverstopfungen kommt. Die Erforschung dieses Prozesses findet in den Laboren einige Etagen tiefer statt.

Malaria-Forschung zwischen Labor und Schreibtisch

Blick über die Schulter der Malariaforscherin Iris Bruchhaus, sie blickt durch ein Mikroskop (Foto: Michaela Führer)
Die Malariaforscherin Iris BruchhausBild: Michaela Führer

Hier läuft Bruchhaus über den grauen Linoleumboden des kühl beleuchten Labors, vorbei an Maschinen und Schildern, die vor den Gefahren des Laboralltags warnen. Vorbei an langen Edelstahltischen und Regalen, auf denen sich Reagenzgläser, Mikroskope und Pipetten reihen - ein Labor wie aus dem Bilderbuch also. Trotzdem gibt es einen Geburtstagskuchenplan an einer Wand, Aufkleber mit Smileys und Urlaubspostkarten, sie hauchen dem sonst so sterilen und klar strukturierten Raum Leben ein. Im Hintergrund fiepen Maschinen, wenn sie ihre Arbeit verrichtet haben. Forscher in weißen Kitteln pipettieren, analysieren und protokollieren.

Bruchhaus nimmt an einer dieser Maschinen Platz, einem so genannten Vario Macs, der über Magneten unterschiedlich weit entwickelte Merozoiten voneinander trennt. Während sich der Erreger im Blutkörperchen vermehrt, wird auch die Zelle verdaut, das Eisen darin kann der Merozoit jedoch nicht verwerten, es sammelt sich in der Zelle an und sorgt dafür, dass Magneten die Zelle anziehen können. Ein langwieriger Prozess, der mehrere Stunden dauert. Zeit, die die Forscherin oft nicht aufbringen kann. Sie bleibt eine Stunde am Gerät und delegiert dann die Merozoiten-Trennung an eine technische Assistentin weiter. Denn etwas anderes fordert immer mehr Raum im Forscherleben: Anträge müssen geschrieben, das Labor organisiert oder Anfragen beantwortet werden.

Keine Tropenkrankheiten in Europa

Die Schreibarbeit verrichtet Iris Bruchhaus in ihrem Büro mit Blick auf den Hamburger Hafen und die Containerschiffe, die nicht nur Waren aus der ganzen Welt, sondern auch Insekten ins Land bringen. „Durch die Klimaerwärmung und den Transport siedeln sich Mücken in neuen Gebieten an, in die sie früher gar nicht gekommen wären, zum Beispiel die Tigermücke“, sagt sie. Doch Angst vor klassischen Tropenkrankheiten brauche man hier nicht zu haben, denn diese gibt es in den betroffenen Ländern vor allem auch, weil die hygienischen Bedingungen entsprechend schlecht seien. „Es gibt noch so viel zu erforschen.“ Bedenken, dass ihr bis zu ihrer Pensionierung langweilig sein könnte, habe sie nicht, ergänzt die Forscherin. Schließlich schlüpft unter dem Dach schon die nächste Mücken-Generation.

Autorin: Michaela Führer