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Mali - ein Jahr nach dem Putsch

Peter Hille / Yaya Konaté21. März 2013

Es begann mit einem Putsch und endete mit dem Einmarsch ausländischer Truppen. Mali hat ein ereignisreiches Jahr hinter sich. Gibt es nun endlich die Chance auf Frieden und eine echte Demokratie?

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Flüchtlinge aus dem Norden Malis (Foto: picture alliance)
Bild: picture alliance/abaca

Zunächst hatten sie nur einen Protestmarsch organisieren wollen. Die Soldaten in der Kaserne von Kati waren unzufrieden mit der Regierung und ihren Generälen. Diese rüsteten die Armee nicht gut genug aus im Kampf gegen die Rebellen im Norden Malis, so ihr Vorwurf. Doch dann überschlugen sich am 21. März 2012 die Ereignisse: Mit Steinwürfen vertrieben die Soldaten unter Führung von Hauptmann Amadou Sanogo einen General, der ihnen den Protestmarsch ausreden wollte, stahlen sechs Radpanzer und machten sich auf zum Präsidentenpalast in der Hauptstadt Bamako.

So wurde aus dem Protestmarsch ein Staatsstreich. Innerhalb weniger Stunden hatten die Putschisten den Präsidentenpalast erobert. Präsident Amadou Toumani Touré tauchte ab, Hauptmann Sanogo, ein einfacher Offizier, hielt plötzlich die Macht in Händen.

Amadou Sanogo (Foto: Reuters)
Führte den Putsch 2012 an: Amadou SanogoBild: Reuters

Terror, Flucht und Rückkehr

Für Mali begann mit diesem Putsch der Weg in den Abgrund. Islamisten und Rebellen der Tuareg-Volksgruppe nutzten die Schwäche der malischen Armee und das politische Chaos in der Hauptstadt Bamako, um den nördlichen Landesteil endgültig unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Tuareg-Rebellen wollten dort einen eigenen Staat aufbauen, islamistische Gruppen gewannen jedoch die Oberhand und errichteten im Norden Malis eine Gewaltherrschaft gemäß ihrer Auslegung der Scharia, des islamischen Rechts. Hunderttausende Menschen flohen in die Nachbarländer oder in die Hauptstadt Bamako. In überfüllten Bussen kamen sie dort an, auf der Suche nach Ruhe und Frieden.

Ein Jahr später herrscht am Busbahnhof Binké in Bamako wiederum Gedränge. Geduldig stehen die Wartenden an, nun allerdings für ein Ticket zurück in den Norden. "Ja, das ist ein ziemlicher Ansturm", erklärt Ismaël Maiga, der für die Fahrkarten nach Gao, der größten Stadt Nordmalis, zuständig ist. "Alle wollen jetzt zurück nach Hause", so Maiga gegenüber der DW. "Wir sind schließlich schon eine Ewigkeit hier", pflichtet ihm einer der Wartenden bei. "Hier im Süden fühlen wir uns nicht wohl", sagt der Mann, der anonym bleiben möchte. "Wir müssen jetzt wirklich zurück in unsere Heimat. Jetzt gibt es ja Frieden."

Malische Flüchtlinge im Nachbarland Burkina Faso (Foto: DW)
Malische Flüchtlinge im Nachbarland Burkina FasoBild: DW/Peter Hille

Die Welt mischt sich ein

Zumindest ist in Nordmali die Herrschaft der Islamisten gebrochen, seit die französische Armee gemeinsam mit Soldaten aus dem Tschad und Truppen der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS im Norden Malis Krieg führt. Zuvor hatten sich Vereinte Nationen, ECOWAS und Afrikanische Union monatelang nicht auf einen Militäreinsatz afrikanischer Truppen verständigen können. Mitte Januar begannen dann französische Helikopter und Kampfflugzeuge, Stellungen der Islamisten zu bombardieren, um den möglichen Vormarsch der Rebellen nach Bamako zu stoppen. Die Rebellen konnten seitdem aus allen größeren Städten des Nordens vertrieben werden.

Auch die deutsche Luftwaffe unterstützt diesen Einsatz. Mit drei Transportflugzeugen bringt sie Truppen der ECOWAS-Nachbarstaaten nach Mali. Zudem hat sie ein Flugzeug nach Westafrika verlegt, das französische Jets in der Luft betankt. Ein relevanter Beitrag Deutschlands zum internationalen Einsatz, meint Jörg Bartl, Oberstleutnant im Kommandostab der Luftwaffe. "Denn sowohl beim Lufttransport als auch bei Luftbetankung handelt es sich um sehr seltene und für die Gesamtoperation sehr wichtige Maßnahmen", so Bartl im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Oberstleutnant Jörg Bartl (Foto: DW)
Oberstleutnant Jörg BartlBild: DW/P.Hille

Europa schickt Ausbilder

Sehr nützlich werde auch die deutsche Beteiligung an der europäischen Ausbildungsmission sein, die im April 2013 startet. Das erklärte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei einem Besuch in Mali. Militärausbilder aus Deutschland sollen malische Soldaten schulen und mit Ausrüstung unterstützen, Sanitätssoldaten ein Feldlazarett aufbauen. Der Deutsche Bundestag hat entschieden, dass die Bundeswehr dafür bis zu 330 Mann für ein Jahr nach Mali entsenden kann. "Ich verhehle nicht, dass ich zu Geduld mahne", sagte de Maizière bei seinem Besuch am künftigen Einsatzort Koulikoro 60 Kilometer nordöstlich von Bamako.

Denn der Einsatz europäischer Soldaten in Mali könnte weit länger dauern, als bisher geplant. Kritiker warnen, das Ausmaß des Konfliktes sei zu groß und die politische Lage in Bamako zu fragil, als dass die Bundeswehr sich nach einem Jahr wieder zurückziehen könne. Sie fürchten eine Situation wie in Afghanistan, wo deutsche Soldaten seit 2002 stationiert sind. Oberstleutnant Bartl von der deutschen Luftwaffe sieht dagegen nur einen Aspekt, der sich mit dem Krieg am Hindukusch vergleichen lässt: "Gleich mögen die beiden Einsätze sein, wenn man betrachtet, wie sich die Aufständischen, die gegnerischen Kräfte in Mali gegenwärtig verhalten, dass sie einer direkten Konfrontation aus dem Weg gehen und auf die asymmetrische Kriegführung zurückgreifen." Denn ähnlich wie in Afghanistan haben sich Teile der islamistischen Rebellen in schwer zugängliches Gelände zurückgezogen - in die Ifoghas-Berge im Nordosten Malis.

Thomas de Maizière zu Besuch in Mali (Foto: picture alliance)
Verteidigungsminister de Maizière zu Besuch in MaliBild: picture-alliance/dpa

Wann gibt es Wahlen?

In Bamako selbst versucht Präsident Dioncounda Traoré für politische Stabilität zu sorgen. Im April 2012 übernahm der vormalige Parlamentspräsident auf Druck der Nachbarstaaten Malis die Macht von Putschistenführer Sanogo. Traoré ist als Übergangspräsident jedoch nicht durch Wahlen legitimiert. Immer wieder haben deshalb besonders europäische Regierungen darauf gedrängt, in Mali wieder demokratische Strukturen einzuführen. Deutschland etwa hatte mit Verweis auf die fehlende Legitimität der Regierung seine Entwicklungshilfe ausgesetzt. Präsident Traoré kündigte schließlich für Juli 2013 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an.

Professor Djénéba Traoré, malisch-stämmige Leiterin des Westafrika-Instituts in Praia auf den Kapverdischen Inseln und nicht verwandt mit dem Präsidenten Malis, ist allerdings skeptisch. "Wenn wir wollen, dass auch die Menschen im Norden wählen, dann müssen wir diese Wahlen sehr sorgfältig vorbereiten", sagt Traoré der DW. "Ich bin der Meinung, dass es unmöglich ist, in dieser kurzen Zeit Wahlen zu organisieren."

Professorin Djénéba Traoré (Foto: DW)
Djénéba Traoré hofft auf FriedenBild: DW/P.Hille

Hauptmann bleibt Hauptmann

Djénéba Traoré hofft, dass die nächsten zwölf Monate in Mali weniger turbulent verlaufen als die vergangenen. Zumindest einer wird der Rückkehr zu Demokratie und Frieden wohl nicht im Weg stehen. Hauptmann Sanogo, der sich auch nach der Machtübergabe an eine Zivilregierung weiter in Malis Politik einmischte, hat bereits angekündigt, bei den anstehenden Wahlen nicht zu kandidieren. Das jedenfalls versicherte der ehemalige Putschistenführer im Interview mit der DW. Es gelte nun, die Chance für einen Neuanfang zu nutzen, so Sanogo.