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Politik

Mali wählt trotz Corona-Krise neues Parlament

Katrin Gänsler
28. März 2020

Mali verzeichnet zwei Corona-Fälle, die Regierung hat den medizinischen Notstand ausgerufen. Trotzdem sollen die Menschen am Sonntag ein neues Parlament wählen. Bedenken gibt es nicht nur aus medizinischen Gründen.

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Parlamentswahl in Mali
Bild: DW/K. Gänsler

Die Ansprache von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta am Mittwochabend wurde mit Spannung erwartet: Schon Tage vorher hatte es Spekulationen gegeben, ob er die für diesen Sonntag geplanten Parlamentswahlen absagen würde. Denn die Corona-Krise hat die Region fest im Griff: Vor allem die Nachbarländer Senegal (etwa 120 bekannte Fälle) und Burkina Faso (circa 180 Fälle) sind betroffen. In Mali gibt es mittlerweile mindestens zwei Corona-Kranke bei insgesamt 11 Infizierten. Die Regierung hat deshalb eine nächtliche Ausgangssperre verhängt und den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Trotzdem: "Die Wahlen finden am 29. März unter Einhaltung der Vorsichtsmaßnahmen statt", so Präsident Keïta in der Fernsehansprache.

Denn der Druck ist groß. Die letzte Parlamentswahl fand 2013 statt. 2018 sollte wieder gewählt werden, doch der Termin wird immer wieder verschoben. "Die Parlamentswahlen gehen aus der Entscheidung des Nationalen Dialogs hervor, der Fristen festgelegt hatte", sagt der Präsident. Der Dialog im Dezember 2019 galt als wichtiger Schritt, um die Stabilität des Landes wiederherzustellen. Seit Islamisten den Norden 2012 unter ihre Kontrolle brachten und auf die Hauptstadt Bamako im Süden vorrückten, steckt Mali in einer schweren Krise. Noch immer operieren verschiedene Terrorgruppen. Im Zentrum Malis kommt es zu Ausschreitungen zwischen verschiedenen Dörfern und deren Selbstverteidigungsmilizen.

Sicherheitslage beschäftigt alle

Baba Dakono vom lokalen Büro des Institut für Sicherheitsstudien (ISS) zieht ein ernüchterndes Fazit: "Die Gewalt, die wir 2019 und seit Anfang 2020 bemerkt haben, macht deutlich: Trotz aller Bemühungen gibt es im Bereich der Sicherheit kaum Auswirkungen." Nach Einschätzung der US-Nichtregierungsorganisation ACLED hat vor allem die Gewalt gegen Zivilisten zugenommen. Generell verlagert die sich immer weiter in den Süden. Dabei sind zahlreiche internationale Militärs im Land: Die UN-Mission MINUSMA hat 13.289 Soldaten im Land stationiert, darunter bis zu 1.100 deutsche. Die französische Barkhane-Mission hat 4700 französische Soldaten vor Ort.

Bundeswehrsoldat in Mali
Trotz zahlreicher ausländischer Soldaten ist die Sicherheitslage schlechtBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Doch laut Dakono leidet Mali unter weit mehr als nur einer Sicherheitskrise. "Es gibt generell einen Mangel an Vertrauen zwischen der Bevölkerung und dem Staat." Dieser sei in verschiedenen Regionen lange abwesend gewesen. "Selbst wenn er anderswo da war, war das eher symbolisch, und es wurde infrage gestellt. Trotz der Präsenz ist es nicht gelungen, sich um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu kümmern", sagt Baba Dakono.

Wählen trotz Terror und Vertreibung

Aufgrund der Sicherheitslage war schon vor der aktuellen Corona-Krise über eine Verschiebung der Wahlen diskutiert worden. Wie hoch das Risiko ist, zeigte sich auch im Wahlkampf: Oppositionsführer Soumaila Cissé wurde bei einer Wahlkampftour am Mittwoch von Bewaffneten entführt, sein Leibwächter ermordet. Und das, obwohl eine internationale Militäroperation im März "beachtliche Erfolge" erzielte, wie der französische Generalstab am Freitag meldete. Erneute Rufe von Opposition und Zivilgesellschaft nach einer Verschiebung ließ Präsident Keita am Freitag verhallen. Cissé bleibt bisher (Stand Freitag) verschwunden. Es ist das erste Mal, das in Mali ein so hochrangiger malischer Politiker verschleppt wird.

Unklar ist auch, ob die nationalen und internationalen Sicherheitskräfte ausreichen werden, um die über 22.000 Wahllokale vor Anschlägen zu sichern. Dajié Sogoba, der erste Vizepräsident der Wahlkommission CENI, ist sich dessen bewusst: "Man darf sich keine Illusionen machen. Es gibt Dinge, die nicht vorhersehbar sind", sagt er. Die Wahl an diesem Sonntag ist aus seiner Sicht allerdings möglich - auch in den Krisenregionen Gao, Timbuktu und Kidal, wo die Sicherheitslage besonders kritisch ist.

Dajie Sogoba, Vizepräsident der nationalen Wahlkommission CENI
Dajié Sogoba hält die Durchführung der Wahlen für möglichBild: DW/K. Gänsler

Schlecht sieht es jedoch für die über 218.000 Binnenflüchtlinge im Land aus. Vor allem die Region um die Stadt Mopti ist betroffen, wo die Ausschreitungen zwischen Selbstverteidigungsmilizen und ganzen Dörfern stark zunehmen. Darunter mischen sich auch Terrorgruppen. Dort wird man wohl nicht abstimmen können. "Um zu wählen, muss man im Wählerverzeichnis stehen und braucht eine Wählerkarte. Wenn man dazu keinen Zugang hat, wird das sehr schwierig sein", sagt Dajié Sogoba.

Keine Prognosen zur Wahlbeteiligung

Generell ist das Interesse an der Wahl ohnehin gering. In der Hauptstadt und im Umland werben zwar einige Kandidaten - insgesamt gibt es 1451 - mit großen Plakaten für sich. Doch potenzielle Wähler seien mit anderen Dingen beschäftigt, sagt Moussa Mara (45). Der Kandidat für den Wahlkreis fünf in der Hauptstadt Bamako tritt für die Yelema-Partei an. Von 2014 bis 2015 war er Malis jüngster Premierminister und zählt zu den bekanntesten Bewerbern. Seine Erfahrung aus dem Wahlkampf: "Die Menschen sind mit dem Überleben beschäftigt. Sie denken daran, wie sie Essen bekommen."

Kandidat Moussa Mara
Moussa Mara erlebt das Desinteresse vieler WählerBild: DW/K. Gänsler

Dazu kommt eine generelle Unzufriedenheit mit der Politik, wie eine Mitte März veröffentlichte Meinungsumfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung gezeigt hat. Mit der Arbeit des Präsidenten seien mehr als 50 Prozent eher oder sehr unzufrieden. Mit der Arbeit der Regierung sind es 62 Prozent und beim Parlament gar 73 Prozent, sagt Büroleiter Christian Klatt. Aufgefallen ist jedoch noch etwas anderes: "Das Wissen darüber, was Abgeordnete im Parlament machen sollen, war unter den Befragten sehr gering."

Wähler kennen ihre Abgeordneten nicht

Auch Kandidat Moussa Mara erlebt das: "Die Bevölkerung kennt den Nutzen von Abgeordneten nicht richtig." Ziel sei es deshalb, das Vertrauen der Basis zu gewinnen. Politiker müssten auch zeigen, dass sie die Interessen der Bevölkerung vertreten. Eins ist ihm aber besonders wichtig: "Politiker müssen ansprechbar und zugänglich sein."