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Tagebuch aus Malmö – Tag 1

Suzanne Cords16. Mai 2013

Schwedischer Eurovision Song Contest fängt schon in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen an. Da muss man nämlich hin, wenn man nach Malmö will. Unterwegs mit DW-Reporterin Suzanne Cords.

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Suzanne Cords steht vor Plakaten (Foto: Suzanne Cords/ DW)
Bild: DW/S. Cords

"Hä?", fragten mich Freunde. "Wieso das denn?" "Na, weil man von dort über die Öresundbrücke mit dem Zug nur 17 Minuten nach Malmö City braucht!", habe ich die Unwissenden aufgeklärt und gleich noch hinzugefügt: "Sie ist über 16 Kilometer lang und verbindet seit dreizehn Jahren, was seit der Eiszeit getrennt war." Muss ja keiner wissen, dass ich das erst bei der Flugbuchung erfahren habe.

Damit sich auch keiner der anreisenden Fans verirrt, steht schon in Dänemark ein Welcome-Schalter. Die Damen dahinter sind nicht schwedisch blond und groß, sondern dunkelhaarig und klein. Beide strahlen um die Wette und statten mich mit Stadtplan und einem Infozettel für die angesagtesten Partys aus. Derart fachkundig eingewiesen bugsiere ich mein Gepäck Richtung Gleis 1. "Hei!", grüßt mich ein netter junger Mann. "Wie geht’s?" Sind die Skandinavier aber freundlich, denke ich – und lasse mir fast eine neue Kreditkarte aufschwatzen.

Ich muss ihn dann doch enttäuschen, denn mein Zug fährt ein: ein komplett überfüllter Zug, denn in Schweden findet nicht nur der ESC, sondern auch die Eishockey-WM statt. Eingekeilt zwischen Dänen von Wikingerstatur und einem Pulk zierlicher Japanerinnen erhasche ich aus dem Fenster hin und wieder einen Blick auf den im Sonnenschein funkelnden Sund - und da, sind das Schmetterlinge? Ist das eine Sinnestäuschung?

Schwalbenschwanz im schillernden Outfit

Wohl doch nicht, denn in Malmö angekommen, erwarten sie mich überall. Der Schmetterling ist das Symbol des diesjährigen Song Contests. Er hat sich auf Postern und Denkmälern breitgemacht, ziert Laternen und Wände und flattert durch die Videos der Teilnehmer.

Der schwedische Falter-Experte Lars Pettersson vermutet, dass es sich um den im Land sehr verbreiteten Schwalbenschwanz handelt – wenn auch ein bisschen zurechtgemacht und von ungewöhnlicher Farbenpracht. Da hält das Tierchen es nicht anders als die Interpreten, die für ihre Auftritte gestylt werden. Für Freiheit stehe der Schmetterling, philosophieren die Veranstalter, und auch für den Wechsel von der Raupe zum schillernden Insekt. Hmm, ich sollte mich heute Abend in Schale werfen.

Plakat mit Schmetterling-Motiven auf Köpfen (Foto: Suzanne Cords/ DW)
Schmetterlinge- das vorherrschende Motiv beim ESCBild: DW/S. Cords

"Vi är en" – "We Are One"

Nicht nur der bunte Falter fällt ins Auge, auch das diesjährige ESC-Motto "We Are One", und es ist mehr als nur ein hoffnungsvoller Slogan. In Schwedens drittgrößter Stadt leben 300.000 Menschen aus mehr als 175 Nationen; die meisten stammen aus dem Nachbarland Dänemark, an zweiter Stelle stehen irakische Einwanderer. Das Motto vereint also nicht nur ESC-Fans aller Herren Länder, sondern spricht sich offen gegen vorhandenen Rassismus aus.

Übernachten bei König Gustav IV. Adolf

Auf dem Weg zum stilvollen Hotel ist davon zum Glück nichts zu spüren. Das prachtvolle Gebäude aus dem Jahr 1307 lässt Historikerherzen höher schlagen. Als hier im 18. Jahrhundert noch der Gouverneur von Skåne residierte, betteten gekrönte Häupter wie König Gustav IV. Adolf ihr Haupt unter seinem Dach. Im 20. Jahrhundert kehrten dann die Beatles im "Mayfair Tunnelen" ein. Und jetzt logiere ich hier.

Viel Zeit habe ich nicht, mein historisches Gemach zu beziehen, das den Sprung ins 21. Jahrhundert definitiv noch nicht geschafft hat und durch kleine Ausmaße und alte abgenutzte Möbel besticht. Der ESC ruft.

Straßenseite Hotel Mayfair Tunnelen(Foto: Suzanne Cords/ DW)
Das Hotel Mayfair Tunnelen: Hier nächtigten schon gekrönte HäupterBild: DW/S. Cords

Ein Herz für den Nachwuchs

Per Zug geht es nach Hyllie zum diesjährigern Austragungsort. Gerade mal 11.000 Zuschauer passen in die Halle. Mit der Gigantomanie der letzten Jahre soll Schluss sein. Eine alte Grand-Prix-Nation wie Portugal nimmt gar nicht mehr am ESC teil, weil dem Land schlicht das Geld fehlt. Andere Nationen beschwören ihre Interpreten gut zu singen – aber nicht zu gut; sonst müsste man ja am Ende noch den nächsten Event ausrichten.

Und auch das Interesse der Zuschauer, den Contest im eigenen Land schon bei den Halbfinale-Shows und den Proben zu den Halb-Finale-Shows zu besuchen, hält sich in Grenzen. Die Eintrittskarten sind teuer. Damit die Interpreten am heutigen Abend nicht vor leeren Rängen proben, haben die Schweden ihren Nachwuchs aufgefahren. Horden von Schulklassen streben mit Freikarten geordnet zur Halle. Werden so zukünftige ESC-Fans herangezogen? Ich ergattere also keinen Platz mehr und beschließe, das schwedische Bier zu testen. Das gehört schließlich auch zum ESC-Feeling.

Schulklasse besucht das Halbfinale (Foto: Suzanne Cords/ DW) Ich habe Fotos beim ESC in Malmö gemacht. Foto: Suzanne Cords (DW). .
Schüler auf dem Weg zum HalbfinaleBild: DW/S. Cords