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Iran-Reise

22. Oktober 2010

Sechs Tage war eine Delegation des Bundestages im Iran. Über Kulturausstausch, Sanktionen und die Situation der verhafteten deutschen Journalisten sprach DW-WORLD.de mit dem Bundestagsabgeordneten Günter Gloser (SPD).

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Günter Gloser (SPD), MdB, Foto: dpa
War eine Woche im Iran unterwegs: Günter GloserBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Herr Gloser, was war denn das Ziel der Reise?

Günter Gloser: Wir wussten von Anfang an, dass es wegen der Rahmenbedingungen keine einfache Reise werden würde. Auf der anderen Seite haben wir uns gesagt: "Man muss die Sprachlosigkeit überwinden, die oft zwischen den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen herrscht!" Und es war auch der Versuch, etwas mehr zu erfahren, als wir es sonst über Medien oder offizielle Institutionen erreichen: durch den direkten Dialog mit Repräsentanten des Parlamentes, der Regierung und der Geistlichen.

Die deutsch-iranischen Beziehungen werden derzeit durch die Inhaftierung zweier deutscher Journalisten in Iran belastet. Was wissen Sie über die Lage der beiden?

Die Verhaftung der beiden deutschen Journalisten hat unser Programm insofern begleitet, als dass wir natürlich in nahezu jedem Gespräch, das wir geführt haben, das Thema angesprochen haben. Das ist selbstverständlich, wenn eine Delegation des Bundestages unterwegs ist.

Und am Donnerstag (21.10.2010), also einen Tag vor unserer Abreise, ist dann noch die freudige Mitteilung gekommen, dass der konsularische Zugang jetzt möglich ist, das heißt, ein Vertreter der deutschen Botschaft hat mit den beiden sprechen können. Das war ein überfälliger, wenngleich auch nur ein erster Schritt.

Wie geht es den beiden deutschen Journalisten?

Wir wissen, dass es ihnen den Umständen entsprechend gut geht, aber wir wissen auch alle, was das bedeutet, im Iran inhaftiert zu sein, über viele Tage keinen Kontakt nach außen gehabt zu haben, so dass ich nicht sagen will, dass es ihnen gut geht. Und wir wollen jetzt natürlich auch wissen, was ihnen konkret vorgeworfen wird und wie das weitere Verfahren ist. Auf jeden Fall ist jetzt sicher gestellt, dass die beiden auch anwaltlichen Beistand bekommen.

Können Sie absehen, wann die beiden freikommen?

Nein, das können wir nicht absehen. Das hängt auch mit den Strukturen in dem Land zusammen, von der Justiz und den Sicherheitsbehörden. Und es muss auch gesagt werden, dass wir nicht immer einen Willen zur Kooperation erkennen konnten. Aber darüber möchte ich nicht spekulieren. Immerhin: der erste Schritt ist gemacht, aber es müssen weitere folgen.

Sie haben auf Ihrer Reise auch Oppositionelle getroffen - was haben die Ihnen berichtet?

Wir haben Kontakt gehabt zu Menschenrechtlern, Publizisten, Journalisten, Publizisten und Künstlern. Und da ist uns noch mal bestätigt worden, dass keine Veränderung im Land eingetreten ist. Dass wir damit nicht einverstanden sind, darauf haben wir in Gesprächen mit Regierungsvertretern auch immer wieder hingewiesen. Leider hat die Zeit oft nicht gereicht und obwohl die Antworten auch nicht immer befriedigend waren, haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass wir den Dialog über die Menschenrechte fortführen möchten. Und es war unser gemeinsamer Vorschlag, dass die politischen Stiftungen vor Ort in Abstimmung mit dem Menschenrechtsrat im Iran eine Konferenz abhalten, um dieses Thema noch zu vertiefen.

Präsident Ahmadinedschad geht hart gegen die Opposition vor. Haben sie durch Ihren Besuch die Hardliner nicht aufgewertet?

Wir haben sie nicht aufgewertet. Es hat eine Reihe von Gesprächssituationen gegeben, in denen wir nicht einverstanden mit Erklärungen und Begründungen waren. Das haben wir auch immer wieder deutlich gemacht und auch daran erinnert, dass die iranische Verfassung eigentlich die Menschenrechte garantiert, die Praxis aber völlig anders aussieht. Darum kann man nicht von einer Aufwertung sprechen, denn wir haben immer wieder deutlich gemacht: Menschenrechte sind universell und wenn Dialog und bessere Beziehungen gewünscht sind, dann muss sich an der Menschenrechtssituation im Iran etwas ändern.

Mit welchem Eindruck haben sie den Iran verlassen?

Es war für uns alle der erste Besuch im Iran. Ich selbst beschäftige mich schon seit vielen Jahren mit dem Mittleren und Nahen Osten. Ich war überrascht über die vielen Gespräche, die wir spontan auf der Straße oder in Restaurants führen konnten. Es gibt so viele unterschiedliche Welten. Da ist diese politische Dimension, die von Präsident Ahmadienschad geprägt ist.

Auf der anderen Seite habe ich in der religiösen Stadt Ghom festgestellt, dass es auch einen religiösen Dialog gibt zwischen Muslimen, Christen und anderen Religionsgemeinschaften. Das sind kleine Anzeichen dafür, dass Manches anderes ist, als es bei uns ankommt. Und ich habe mich natürlich als Mitglied der evangelischen Landessynode in Bayern gefreut, dass es katholische, evangelische, assyrische und jüdische Gemeinden gibt, deren Religionsausübung sicher gestellt ist. Was nicht sicher gestellt ist, ist die Religionsfreiheit: Muslim dürfen nicht konvertieren. Trotzdem hat es mich beeindruckt, dass die Gemeinden dort lebendig sind und auch einen Zugang zu Musik und Kultur verschaffen. In unseren Gesprächen ging es ja auch darum, besseren kulturellen Austausch zwischen Deutschland und dem Iran zu haben.

Das heißt, sie konnten sich uneingeschränkt bewegen und mit der Bevölkerung sprechen?

Wir konnten uns uneingeschränkt bewegen und es gab auch Situationen zum Beispiel im Museum, dass junge Menschen auf uns zukamen, mit uns Englisch sprachen und sich mit uns fotografieren ließen. Das war alles möglich. Ich will jetzt nicht alles in schönen Farben malen. Es gibt vieles, was uns nicht zufrieden stellen kann, aber wir waren uns in der Delegation - und es waren Vertreter aller Parteien dabei - einig, dass diese Reise wichtig war, weil wir andere Einblicke bekommen haben. Und wir werden in bestimmten Punkten hartnäckig gegenüber dem iranischen Regime bleiben.

Günter Gloser (SPD) ist seit 1994 Mitglied des Deutschen Bundestages und war von 2005 bis 2009 Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.

Das Interview führte Günther Birkenstock

Redaktion: Ina Rottscheidt