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Mangelnde Versorgung in Indiens Krisengebiet

Priya Esselborn, zurzeit Nagapattinam 5. Januar 2005

Die Hilfe in Nagapattinam, dem am schwersten betroffenen Distrikt des Bundesstaates Tamil Nadu läuft nur schleppend an. Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal, berichtet Priya Esselborn.

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Überlebende in Nagapattinam warten auf EssenBild: AP

Schätzungsweise 5500 Menschen hat die Flukatastrophe im indischen Nagapattinam das Leben gekostet, etwa 180.000 Überlebende müssen hier versorgt werden. Fast die Hälfte von ihnen lebt derzeit in Flüchtlingscamps, die in Gemeindehallen oder Schulen errichtet wurden. Die hygienische Situation in den Camps, wo oft bis zu 1000 Menschen leben, ist katastrophal. Toiletten gibt es nur wenige und die sind in einem schlechten Zustand. Die Überlebenden sitzen auf dem schmutzigen, teilweise nassen Boden. Matten gibt es keine.

"Bisher hatten wir hier keine Probleme", sagt K. Jeevar, ein Fischer, der seit einer Woche in einem von über 80 Flüchtlingscamps in Nagapattinam lebt. "Wir erhielten saubere Kleider und Mahlzeiten von den Behörden. Aus allen Staaten Indiens kamen die Hilfsgüter. Doch nun haben wir hier Probleme, da nicht sauber gemacht wird. Wir erhalten Medikamente, aber was nutzen diese, wenn es hier so schmutzig ist? Das macht uns wirklich zu schaffen."

Medizinische Versorgung zusammengebrochen

Noch konnte zwar die Seuchengefahr in Indien gebannt werden, doch die unhygienischen Zustände in den Flüchtlingslagern sind ein idealer Nährboden für Krankheiten jeder Art. Die Hilfsorganisationen vor Ort befürchten daher, dass hier in wenigen Tagen Krankheiten ausbrechen könnten - wenn die Behörden nicht handeln. Zudem ist im ganzen Distrikt die medizinische Versorgung zusammengebrochen. Die Menschen können sich auch keine Arzneien mehr leisten. Deshalb mussten die Behörden vor jedem Auffanglager ein medizinisches Einsatzteam postieren, um die Flutopfer mit Medikamenten zu versorgen.

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Löscharbeiten in Nagappattinam nach einem Feuerausbruch in der KrisenregionBild: AP

Wie angespannt die Situation ist, zeigt die Massenpanik, die vergangene Woche nach den erneuten Tsunami-Warnungen in Nagapattinam ausbrach. Wieder flohen die Menschen aus den zerstörten Häusern. Nur schwer waren sie dazu zu bewegen, nach der Entwarnung dorthin zurückzukehren.

Auch die Verteilung von Hilfsgütern durch Nichtregierungsorganisationen und die Behörden erscheint unkoordiniert und chaotisch. Oft kommt es dabei zu tumultartigen Szenen. Viele Menschen befürchten, dass sie die Hilfe, die ihnen heute noch gewährt wird, morgen schon nicht mehr erhalten. Bei jeder Verteilung von Hilfsgütern sind daher inzwischen Einsatzkräfte der Polizei vor Ort. Sie zwingen die Menschen, sich in einer Schlange für die Hilfsgüter anzustellen.

Ausbleiben von Zahlungen

Die Verunsicherung ist groß. Bisher haben die meisten Menschen noch keine langfristige Hilfszusage seitens der Behörden erhalten, die ihnen irgendwann die Rückkehr in ein normales Leben ermöglichen könnte. Die Behörden hatten zuvor angekündigt, jedem, der einen nahen Verwandten verloren hat, schnell und unbürokratisch 100.000 Rupien - knapp 2000 Euro auszuzahlen. Für jedes zerstörte Haus sollten die Betroffenen 4000 Rupien, knapp 80 Euro erhalten. Nur bei den wenigsten, sind diese Entschädigungszahlungen bisher angekommen.

Zu den materiellen Sorgen gesellt sich oft die Ungewißheit über das Schicksal von Angehörigen: Über 1000 Menschen werden in Nagapattinam noch vermisst. "Wir haben alle Details der toten Körper, die bisher noch nicht identifiziert wurden", sagt A. G. Mourya von der Polizeistelle in Nagapattinam. "Wir haben auch ein Album mit unidentifizierten Toten. Wenn jemand nach vermissten Personen sucht, muss er eine Anfrage einreichen. Nach der Registrierung muss die Person zu uns kommen, das Album und die Computerdaten vergleichen, und versuchen, die vermisste Person zu identifizieren."

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Luftbild der Zerstörung in NagapattinamBild: AP

Auch für die Behörden in Nagapattinam ist es nicht einfach, mit den Folgen der Flutwelle fertig zu werden. Hinzu kommt, dass die betroffenen Dörfer in einem über 100 Kilometer großen Gebiet angesiedelt sind. Deshalb fordert der Einsatzleiter der Polizei, A. Abdul Rahuff, Verständnis für die Schwierigkeiten mit den Folgen der Katastrophe fertig zu werden: "Es kam so unerwartet. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie von einem Tsunami gehört. Bei einer Flut, bei einem Inferno, einem Zyklon kann man Dinge voraussagen und wir können reagieren. Aber bei einem Tsunami, der so plötzlich und unerwartet über uns hereinbrach, waren wir am Anfang eben nicht in der Lage, angemessen darauf zu reagieren."