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"EU wird mit leeren Händen dastehen"

Nemanja Rujević3. Dezember 2014

Die EU habe keine Antwort auf die Frage der Energiesicherheit in Südosteuropa, sagt der österreichische Politik-Professor Gerhard Managott im DW-Interview. Dies könnte in der EU für Verstimmungen sorgen.

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Gerhard Mangott (Foto: Celia di Pauli)
Bild: Celia di Pauli

DW: Herr Mangott, der russische Präsident Putin hat den Baustopp der South-Stream-Pipeline angekündigt. Der Gazprom-Chef Alexej Miller wurde noch viel deutlicher: Er sagte, dass diese Gasleitung tot sei. Wie lesen Sie das? Ist das Projekt nur auf Eis gelegt oder endgültig gescheitert?

Gerhard Mangott: Putin hat gesagt, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen, die Fortsetzung von South Stream nicht möglich ist. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass der Bau weitergehen könnte, wenn die Bedingungen verbessert sind - was allerdings unwahrscheinlich ist. Es geht eher in die Richtung, dass das Kapitel South Stream geschlossen ist.

Welche Bedingungen meinen Sie denn?

Die Europäische Union ist mit dem rechtlichen Rahmen von South Stream nicht einverstanden. Die EU hält am dritten Energiepaket fest. Es besagt, dass auch Dritte den Zugang zu dieser Gasleitung haben müssen, sowie dass der Gaslieferant nicht gleichzeitig der Eigentümer der Gasleitung sein darf. Von diesen Prinzipien möchte die EU nicht abrücken. Früher hat sie im Einzelfall Ausnahmen gemacht.

Warum jetzt nicht?

Aus zwei Gründen: Zum einen will man nicht die Ukraine geschädigt sehen. Denn strategisches Ziel Russlands mit South Stream ist ja die Ukraine als Transitland umzugehen. Der zweite Grund sind die aktuellen Verhärtungen zwischen Moskau und Brüssel. In einer solchen Situation der großen Spannungen will sich die EU offensichtlich von ihren Positionen nicht bewegen. Russland hat jetzt resigniert.

Diese Pipeline wurde schon im Juni auf Eis gelegt - damals verkündeten die EU und Russland, gemeinsam eine Lösung zu suchen. Doch es scheint, dass weder Brüssel noch Moskau ernsthaft Gespräche geführt haben.

Für Russland war South Stream immer ein sehr teures Vorhaben, das man aus politischen Gründen ohne viel Blick auf Kosten verfolgt hat. Jetzt aber - angesichts den finanziellen Sanktionen der USA und der EU - ist es nicht so leicht, ein solches Vorhaben zu finanzieren. Sehr viele westliche Banken, die eigentlich Geldgeber für diesen Projekt hätten sein sollen, sind jetzt skeptisch und zurückhaltend.

Kann man jetzt als eine Art Rache des Kremls einen weiteren Preisanstieg erwarten, etwa im projizierten South-Stream-Gebiet?

Nur bedingt. In den Abnahmeverträgen mit den Ländern des Balkans gilt die gleiche Preisformel, die in den Verträgen mit den westeuropäischen Gaskunden steht, nämlich die Bindung an den Ölpreis. Nachdem der Ölpreis stark zurückgegangen ist, sinken auch die Gaspreise, die Gazprom verlangen kann. Das Problem ist nur, dass politische Sonderpreise, die man etwa Bulgarien angeboten hat, für die Mitwirkung an South Stream, unter den jetzigen Bedingungen nicht mehr möglich sind.

Teilstücke einer Pipeline werden aufeinander gestapelt (Foto: picture alliance/ZUMAPRESS.com)
Die South-Stream-Pipeline wird nicht gebautBild: picture alliance/ZUMAPRESS.com

Sechs EU-Länder sowie der Beitrittskandidat Serbien waren sehr an diesem Projekt interessiert - letztendlich bezahlen sie aktuell 25 bis 40 Prozent mehr für russisches Gas als Deutschland oder Großbritannien. Kann dieses Fiasko die EU spalten?

Die EU hat jedenfalls keine Antwort wenn es um die Gasversorgungssicherheit der vielen Staaten der Südosteuropa angeht. Diese Länder leiden ganz besonders wenn es zwischen Moskau und Kiew zu einem Gasdisput kommt. South Stream wäre sicherlich eine Möglichkeit gewesen, dieses Risiko für Staaten wie Bulgarien oder Serbien zu verringern. Jetzt muss die EU diesen Ländern erklären, warum sie hunderte Millionen Dollar für Transit von russischem Gas nicht bekommen werden, obwohl sie auf diese Geldquelle angewiesen wären. Ich glaube, dass die EU darauf keine Antwort hat.

Westeuropäische Länder werden hingegen weiter günstig mit dem Gas versorgt.

Zweifellos wären beispielsweise Deutschland oder Großbritannien von der South-Stream-Gasleitung überhaupt nicht abhängig - sie werden über North-Stream und die Yamal-Pipeline versorgt. Für solche Länder ist es leicht, ein Projekt wie South Stream zu blockieren. Es ist nicht unbedingt ein Zeichen für Solidarität innerhalb der EU. Die Frage ist, was will die EU den südosteuropäischen Ländern, die die Kosten des geopolitischen Konflikts zahlen, anbieten? Da wird die EU mit leeren Händen dastehen, was sicherlich für Verstimmung sorgen wird.

Erneubare Energien oder Flüssiggas aus den USA könnten erst langfristig eine Alternative darstellen. Aber gibt es Alternativen jetzt?

Es ist natürlich möglich, dass Russland einen Knotenpunkt für den Gashandel an der türkisch-bulgarischen oder türkisch-griechischen Grenze einrichtet. An den Europäern wäre es in diesem Fall, die Gasleitungen bis dorthin zu bauen um dieses Gas übernehmen zu können. Es ist eher zu bezweifeln, dass die EU in diese Richtung denkt. Denn es gibt großen politischen Druck aus manchen Mietgliedstaaten, aber auch aus den USA, dass man weniger Gas aus Russland bezieht als bisher. Wir befinden uns in einer hysterischen Debatte darüber, ob Europa von Russland im Gashandel abhängig ist oder ob Russland von europäischem Geld abhängig ist. In der Tat sind beide Seiten voneinander abhängig und beide können profitieren.

Gerhard Mangott ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Er ist unter anderem Experte für Russland, die Ukraine und die Energiesicherheit der EU im Öl- und Gassektor.