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Neuer, der Torwart-Libero

Stefan Nestler9. Januar 2015

Wie kein Zweiter verkörpert Weltmeister Manuel Neuer den Typus des modernen Torhüters. Nicht nur durch seine Spielweise unterscheidet sich der 28-Jährige von früheren Weltklasse-Torleuten aus Deutschland.

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Manuel Neuer holt zum Schuss aus. Foto: Imago/Revierfoto
Bild: imago/Revierfoto

"Ich glaube, in der 2. Liga würde der als Stürmer sicher ein paar Buden machen", sagt Torjäger Miroslav Klose über die spielerischen Qualitäten von Torwart Manuel Neuer, mit dem er im vergangenen Sommer in Brasilien zusammen Weltmeister wurde. Spätestens seit Neuers WM-Ausflügen bis an die Mittellinie, um Konter der gegnerischen Mannschaften zu stoppen, genießt er im Internet Kultstatus. In den sozialen Netzwerken wird der 28 Jahre alte deutsche Nationaltorwart als "Wiedergeburt des Liberos" gefeiert. Der Weltverband FIFA kürte Neuer zum besten Keeper der WM 2014. "Er hat das Torwartspiel auf ein anderes Niveau gehoben", erkennt Oliver Kahn an, der - wie jetzt Neuer - selbst einmal den Ruf des besten Torwarts der Welt genoss.

Kritiker zum Schweigen gebracht

Bis zu seinem Wechsel zum FC Bayern München im Sommer 2011 galt Manuel Neuer als Schalker Urgestein. Geboren in Gelsenkirchen-Buer, unweit des alten Parkstadions, trat er schon kurz vor seinem fünften Geburtstag dem FC Schalke 04 bei. "Bei den Bambinis fehlte damals ein Torwart. Deshalb haben sie mich ins Tor gestellt", erzählte Neuer später. Er blieb auf dem Platz zwischen den Pfosten - und stand bei den Spielen der Bundesliga-Mannschaft stets unter den treuesten Schalke-Fans in der Nordkurve. Neuer durchlief alle Jugendmannschaften der Königsblauen. Sein Debüt in der Bundesliga gab er als 20-Jähriger im August 2006 beim 1:0-Sieg bei Alemannia Aachen.

Neuer in seinem ersten Bundesligaspiel. Foto: dpa-pa
Neuer in seinem ersten BundesligaspielBild: picture-alliance/dpa

Drei Monate später erklärte ihn der damalige Trainer Mirko Slomka überraschend zur Nummer eins im Tor. 2010 wurde Neuer mit Schalke deutscher Vizemeister, 2011 DFB-Pokalsieger. Mit diesem ersten großen Titel verabschiedete sich der Torwart Richtung München. Nicht nur die Schalke-Fans waren sauer, auch die Bayern-Anhänger empfingen ihn nicht gerade mit offenen Armen. "Koan Neuer" (Kein Neuer) war auf Plakaten in der Fankurve zu lesen. Die Banner verschwanden schnell, Neuer überzeugte auch die letzten Zweifler in München durch überragende Leistungen. In der Saison 2012/2013 stellte der Bayern-Torwart mit nur 18 Gegentreffern einen neuen Bundesliga-Rekord auf. Neuer gehörte in dieser außergewöhnlichen Spielzeit der Münchener zu den Garanten des Triple-Erfolgs: Die Bayern wurden deutscher Meister, DFB-Pokalsieger und gewannen auch die Champions League.

Neuer pariert Ronaldos Schuss im Champions-League-Halbfinale 2012. Foto: ap
Elfmeterkiller: Neuer hält Cristiano Ronaldos Schuss im Champions-League-Halbfinale 2012Bild: AP

Neuers neue Art

Nachdem Neuer auch in den Junioren-Teams des DFB das Tor gehütet hatte, bestritt er 2009 sein erstes Spiel für die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw. Beim 7:2-Sieg gegen die Vereinigten Arabischen Emirate während der Asien-Reise des Nationalteams stand Neuer 90 Minuten zwischen den Pfosten. Schon ein Jahr später war er die Nummer eins. Der Leverkusener Torwart René Adler verletzte sich vor der WM 2010 in Südafrika. Löw vertraute Neuer und wurde nicht enttäuscht: Der junge Torwart spielte ein starkes Turnier. Seitdem ist er eine Konstante im Team des Bundestrainers, der von Neuers "neuer Art, das Torwartspiel zu interpretieren" schwärmt.

Starke Reflexe auf der Linie, Strafraumbeherrschung - das kannte man auch schon von früheren deutschen Weltklassetorhütern wie Sepp Maier, Toni Schumacher oder Oliver Kahn. Manuel Neuer gestaltet darüber hinaus jedoch auch selbst das Spiel. Mit seinen langen, präzisen Abwürfen leitet er Angriffe ein. Neuers Markenzeichen aber sind seine spektakulären Exkursionen über die Strafraum-Grenze hinaus. Nicht immer, aber meistens gelingt es ihm damit, Konterangriffe zu vereiteln. Neuer "liest" das Spiel: Er sieht die Gefahr voraus und eilt Ball und Gegner entgegen, um die Situation zu entschärfen. Dabei helfen ihm seine fußballerischen Qualitäten: Der 1,90-Meter-Mann schießt beidfüßig und ist auch in der Lage, präzise per Kopfball zu klären. "Manuel Neuer ist ein kompletter Torwart", sagt Andreas Köpke, Torwarttrainer der Nationalmannschaft.

Parade Neuers beim 7:1-Triumph im WM-Halbfinale gegen Brasilien. Foto: Reuters
Stark auch auf der Linie - Parade Neuers beim 7:1-Triumph im WM-Halbfinale gegen BrasilienBild: Reuters

Kein Maulheld

Manuel Neuer wirkt auf dem Platz weniger emotional und aggressiv als früher etwa Oliver Kahn oder Toni Schumacher. Und auch abseits des Spielfeldes spuckt er keine großen Töne, sondern wirkt bei Interviews meist so abgeklärt, als hätte er schon eine Nacht über seine Antworten geschlafen. Mit seiner "Manuel Neuer Kids Foundation" unterstützt der Torwart bedürftige Kinder im Ruhrgebiet. Im Gegensatz zu anderen Fußballprofis redet Neuer selten über sein Privatleben. Doch er ist zu prominent, als dass es sich ganz geheim halten ließe. Im Oktober wurde bekannt, dass sich Neuer von seiner langjährigen Freundin getrennt hat.