1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Staubige Zeiten am Roten Planeten

26. Juni 2018

Ein gigantischer Staubsturm tobt derzeit auf dem Roten Planeten. Während den Marsrovern deshalb entweder der Saft ausgeht, oder sie in Deckung gehen, ist dies gerade DIE Gelegenheit für die Forscher.

https://p.dw.com/p/30DDe
Staubsturm auf dem Mars
Bild: picture-alliance/dpa/NASA/JPL-Caltech/MSSS

Am Mars geht's gerade ganz schön wild zu - und staubig. Ein gigantischer Sturm hat mittlerweile große Teile des Roten Planeten erfasst. Er sei in den letzten Tagen gewachsen und "nun offiziell ein 'planetenumspannendes' (oder 'globales') Staubereignis", so Bruce Cantor vom Malin Space Science Systems. Das Unternehmen entwickelt optische Kamera-Systeme für Raumsonden, wie für den Mars Reconnaissance Orbiter (MRO), den Mars-Erkundungssatelliten der NASA.

Eingestaubte Marsrover

Der Rover "Opportunity" wurde durch den Sturm mittlerweile schon lahmgelegt. Denn der Staubsturm lässt so gut wie keine Sonne mehr durch, um die per Sonnenenergie betriebenen Batterien des Rovers aufzuladen. Zuletzt wurde ein Tau-Wert - der die Verschleierung der Atmosphäre angibt - von 10,8 am Standort von Opportunity gemessen. Das entspricht fast dem Doppelten des letzten großen Marssturms in 2007. Die Atmosphäre ist umso klarer, je kleiner der τ-Wert ist. 

Die Experten sind jedoch optimistisch, dass Opportunity wieder aus dem Ruhemodus erwacht, sobald der Sturm vorüber ist. Nur wann das sein wird, kann noch niemand absehen. "Er hat sich als bemerkenswert widerstandsfähiger Rover erwiesen", sagte NASA-Manager Jim Watzin. "Wir drücken ihm alle die Daumen." Mittlerweile rollt Opportunity schon seit fast 15 Jahren über den Mars - und das, obwohl seine Mission ursprünglich nur auf 90 Tage angesetzt war.

Mehr Glück hat der Schwester-Rover "Curiosity". Er wird nicht durch Sonnenenergie betrieben, sondern mit einem Plutonium-Generator. Curiosity meldete sich zuletzt von der anderen Seite des Planeten zurück, aus dem Gale-Krater, wo er "in Sicherheit" sei. "Still safe. Science continues", heißt es in seinem letzten Tweet. Curiosity hat hier einen τ-Wert von 8.0 gemessen - der höchste Wert seit Beginn seiner Marsmission. 

Staubstürme: Keine Seltenheit

Trotz der vergleichsweise hohen Messwerte sind Staubstürme auf dem Mars keine Seltenheit, insbesondere wenn auf der Südhalbkugel des Planeten Frühling und Sommer herrschen. Denn wenn sich die Eiskappen am Südpol durch die stärkere Sonneneinstrahlung erwärmen, Wasser verdunstet und Kohlendioxid in die Atmosphäre steigt, werden auch kleine Staubkörner aufgewirbelt, die die Marswinde weiter verteilen und um den Planeten treiben. 

Im Schnitt kommt es alle drei bis vier Marsjahre - was sechs bis acht Erdenjahren entspricht - zu einem großen Staubsturm. Der letzte Sturm tobte 2007. In 1971/72 und 2001 tobten vergleichbar große Stürme, die die Oberfläche des Mars völlig bedeckten - nur die Gipfel der höchsten Vulkane blieben damals staubfrei.

In einer Sache unterscheidet sich jedoch der aktuelle Sturm: Er sei diffuser und fleckiger als die früheren - und niemand wisse, wie er sich weiter entwickeln wird. Anzeichen, dass er sich auflöst, gebe es derzeit jedoch noch nicht, so die NASA. Würde man die Größe des Sturms mit einem auf der Erde vergleichen, wäre der Marssturm derzeit größer als Nordamerika und Russland zusammen, so Scott Guzewich, Atmosphärenwissenschaftler am NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt. Er leitet die Sturm-Forschung von Curiosity.

Auch bei uns auf der Erde gibt es Sand- bzw. Staubstürme, in Wüstenregionen wie Nordafrika, dem Nahen Osten und dem Südwesten der USA. Allerdings herrschen hier Bedingungen, die eine derart große Ausbreitung solcher Stürme verhindert. Dazu gehören zum Beispiel die Struktur unserer dickeren Atmosphäre und die Schwerkraft, die dazu beiträgt, dass sich der Staub legt, erklärt Ralph A. Kahn vom Goddard Space Flight Center der NASA, der die Atmosphären von Erde und Mars erforscht. Außerdem sorge die Vegetationsdecke der Erde dafür, dass Partikel gebunden werden und nicht so weit aufgetrieben werden. 

Erste große Chance

"Das ist der ideale Sturm für die Mars-Wissenschaft", sagt Jim Watzin, Direktor vom Mars Exploration Program der NASA. "Wir haben eine historische Anzahl von Raumsonden, die am Roten Planeten operieren. Jede bietet einen einzigartigen Blick darauf, wie sich Staubstürme bilden und sich verhalten. Das Wissen wird von grundlegender Bedeutung für künftige Roboter- und bemannte Missionen sein."

Beim letzten großen Ereignis in 2007 gab es Curiosity noch nicht und Opportunity hatte - wie auch jetzt wieder - aufgrund der fehlenden Sonnenstrahlen in den Ruhemodus geschaltet. 

Zum Beispiel möchten die Forscher wissen, warum es Staubstürme am Mars gibt, die monatelang dauern und riesig sind, während andere viel kleiner sind und nur kurze Zeit wüten? "Bislang haben wir da noch keine gute Idee", so Guzewich.

Mars Rover Sandsturm
Dieses Bild hat Curiosity am 7. und 10. Juni aufgenommen. Auch in sicherer Entfernung wird die Sicht für den Mars-Rover langsam schlechter. Bild: picture-alliance/AP Photo/NASA/JPL-Caltech/MSSS

Teamwork

Drei Orbitersonden sammeln gerade fleißig Daten zum Staubsturm: Der Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) spielt eine besondere Rolle als Frühwarnsystem für Wetterereignisse wie den jüngsten Sturm. Seine Weitwinkelkamera, Mars Color Imager genannt, gab dem Opportunity-Team den ersten Hinweis auf den Sturm.

Der Imager ist vergleichbar mit Wettersatelliten bei uns auf der Erde, die zum Beispiel Hurrikans verfolgen. Die zwei weiteren Orbiter der NASA haben ganz andere Stärken: Mars Odyssey hat eine Infrarotkamera, die die Staubmenge messen kann, und MAVEN untersucht das Verhalten der oberen Atmosphäre und den Gasverlust im Weltraum.

Und dann gibt es eben noch Curiosity, der am Boden - und gerade noch aus sicherer Entfernung - den Staubnebel und dessen Tau-Wert beobachtet.

Menschen am Mars - vom Winde verweht?

Wer sich nun übrigens Sorgen um unsere künftige Mars-Kolonie macht, der kann erst einmal aufatmen: Starke Stürme auf dem Mars sind nicht vergleichbar mit starken Stürmen auf der Erde. Staubstürme am Roten Planeten blasen mit maximal etwa 100 Kilometern pro Stunde, was einer Windstärke zehn auf der Erde entspricht - also einem schweren Sturm. 

Allerdings ist die Windgeschwindigkeit in dieser Hinsicht kein wirklich aussagefähiger Faktor, denn "der Hauptunterschied zwischen Erde und Mars ist, dass der atmosphärische Druck des Mars viel geringer ist", so William Farrell, Plasmaphysiker am Goddard Space Flight Center. "So werden die Dinge verweht, aber nicht mit der gleichen Intensität." Dass Geräte weggeweht werden, ist demnach eher unwahrscheinlich.

*hust*

Das größere Problem sieht Planetenforscher Michael Smith, ebenfalls vom Goddard Space Flight Center, in dem feinen Staub. Denn die Staubpartikel auf dem Mars sind winzig klein und leicht elektrostatisch. "Wenn man nach dem Fahren Bilder von Curiosity gesehen hast, ist es einfach nur schmutzig", so Smith. "Der Staub bedeckt alles und ist grobkörnig - und er gerät in mechanische Teile, wie zum Beispiel das Getriebe", so Smith. Oder eben auf die Solarzellen - wie gerade bei Opportunity. 

Bislang wäre ein Leben auf dem Mars also eine extrem dreckige Angelegenheit. Aber: Auf einen solchen Sturm wie gerade haben die Wissenschaftler und Ingenieure gewartet - um das Phänomen besser erforschen und das passende Equipment entwickeln zu können. Und ganz nebenbei: Staubresistente Geräte wären sicherlich nicht nur eine praktische Entwicklung für den Mars - oder?

 

Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.