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Mazedonien: Protestieren statt emigrieren

Elizabeta Milosevska22. April 2016

Zehntausende protestieren in Mazedonien seit Tagen gegen die regierende Partei VMRO. Vor allem junge Menschen fühlen sich um ihre Zukunft betrogen. Elizabeta Milosevska hat in Skopje mit ihnen gesprochen.

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Anti-Regierungsproteste in Skopje (Foto: Getty Images/AFP/R. Atanasovski)
Bild: Getty Images/AFP/R. Atanasovski

"An Tagen wie diesen fühlt man eine neue Liebe. Eine Liebe zum Vaterland. Und man möchte hier bleiben, um jeden Preis, aus Trotz." Dolores Popovic geht in Skopje auf die Straße und protestiert - Tag für Tag. Lange Zeit war die Schauspielstudentin sehr skeptisch gegenüber öffentlichen Protesten, weil sie dachte, dass man sowieso nichts ändern könnte.

Als im vergangenen Jahr immer wieder Schüler und Studenten wegen der Bildungs- und Regierungspolitik auf die Straße gingen, war sie nicht dabei. Doch als sie in diesem Jahr wieder so viele junge Menschen sah, die mit phantasievollen Aktionen gegen das politische Establishment protestierten, dachte sie: "Wenn 18-jährige Kinder kämpfen können, warum nicht ich?" Seitdem ist Dolores jeden Abend da, im Zentrum der mazedonischen Hauptstadt Skopje. Für die jungen Demonstranten geht es um nichts Geringeres als ihre Zukunft.

Dolores Popovic (Foto: DW/E. Milosevska)
Dolores Popovic will nicht tatenlos zusehen, wie ihr Land zugrunde gehtBild: DW/E. Milosevska

Kampf gegen die Perspektivlosigkeit

Sie wollen Arbeit, Perspektiven, Chancen - und einen stabilen Staat. "Ich kämpfe für eine Veränderung. So wie Mazedonien im Moment funktioniert, bietet es keine Zukunft", sagt der 22-jährige Darko Malinovski, der Kommunikationswissenschaften studiert. "Es ist egal, was man gelernt hat, eine Anstellung bekommt man nur über ein Parteibuch. Ich weigere mich, jemandes Untertan zu sein. Ich sehe keine andere Alternative außer den Protesten."

Er ist fest davon überzeugt, dass die Bürger eine Veränderung erzwingen können. Sie sollten nur laut und zahlreich protestieren: "Proteste und Druck werden den gewünschten Erfolg bringen." Auswandern - wie viele junge Menschen in Mazedonien - möchte er auf keinen Fall: "Das darf keine Option sein!"

Darko Malinovski (Foto: DW/E. Milosevska)
Darko Malinovski: "Auswandern darf keine Option sein"Bild: DW/E. Milosevska

Verlängerte Jugend in Mazedonien

Dabei ist Mazedonien für viele Menschen offenbar alles andere als ein Ort der Freude: Der Staat kümmere sich nicht um die Jugend, kritisiert Dona Kosturanova, Direktorin der Nichtregierungsorganisation Jugendbildungsforum. Dieses Desinteresse des Staates verschärfe das Problem. Die Jugend sei eine "marginalisierte Gruppe" in der mazedonischen Gesellschaft, so Kosturanova. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt rund 50 Prozent, prekäre Arbeitsverhältnisse und Armut gehören für die meisten Jugendlichen zum Alltag.

Gespaltenes Land: Proteste in Mazedonien

"Deswegen gibt es hier das Phänomen der verlängerten Jugend. In Mazedonien ist man mit 29 immer noch ein Student, man lebt bei den Eltern, man hat keinen Job", sagt Kosturanova. "Das führt zu Apathie und sozialer Ausgrenzung." Viele junge Mazedonier wollen auswandern - egal, wohin. Hauptsache, Richtung Westen.

Die Zukunft ist anderswo

Auch der 33-jährige Gorgi will sich bald auf den Weg ins Ausland machen. Seit zehn Jahren hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Jetzt reicht es ihm: "Die Jahre vergehen, nichts ändert sich. Wozu soll ich mein Leben in einem Land verbringen, wo ich keine Perspektive habe? Ich wage es nicht mehr, mir eine positive Zukunft auszumalen. Am Ende des Tunnels gibt es zwar immer ein Licht, aber ich habe keine Zeit mehr zu verschwenden."

Gorge ( (Foto: DW/E. Milosevska)
Gorge: "Keine Zukunft in Mazedonien"Bild: DW/E. Milosevska

Obwohl er schon auf gepackten Koffern sitzt, geht auch Gorgi jeden Tag protestieren. Die "bunte Revolution" gegen die Regierenden ist vielleicht doch der rettende Strohhalm. Die letzte Hoffnung.

So wie für Dolores Popovic. Sie bleibt auf der Straße und will weiter kämpfen. Ganz nach dem Motto, das im Zentrum von Skopje auf einem Plakat der Demonstranten zu lesen ist: "Protestieren statt emigrieren."