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McCain bestiehlt Obama

5. September 2008

Der republikanische Präsidentschaftskandidat übernimmt bei seiner Rede auf dem Parteitag das Schlagwort seines Konkurrenten - und verspricht Wandel in Washington.

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John McCainBild: AP

Luftballons regneten zu tausenden auf die Delegierten des Wahlparteitags herab, Glitzer-Konfetti ließ die Luft in der Tagungshalle in St. Paul funkeln. Das Party-Beiwerk passte nicht so recht zu der nüchternen Rede, mit der sich der Senator eben als Präsidentschaftskandidat vorgestellt hatte. McCain präsentierte sich als Reformer, der einen Neubeginn will. "Der Wandel wird kommen", versprach McCain. Es klang wie ein Echo seines Gegners Barack Obama, der "Wandel" zum beherrschenden Schlagwort gemacht hatte.

McCain und Sarah Palin in St. Paul bei Republican National Convention
Das republikanische Paar: McCain und Sarah PalinBild: AP

Der Druck auf McCains vor der Rede war immens. Seine Nummer zwei Sarah Palin hatte ihm praktisch schon die Schau gestohlen - mit einer begeisternden Rede, die das Parteivolk von den Stühlen riss. Er musste sich von seinem unpopulären Parteifreund George W. Bush abgrenzen, ohne dessen verbliebene Anhänger zu verprellen. Und er musste den Wunsch vieler Wähler nach einem Neubeginn bedienen, ohne selbst als der alte Politikveteran zu erscheinen, der er nach 22 Jahren im Senat nun einmal ist. McCain versuchte dies mit ehrlicher Kritik an der Bilanz seiner eigenen Partei: "Wir haben das Vertrauen der Amerikaner verloren", sagte er. "Wir waren gewählt worden, um Washington zu ändern, doch Washington hat uns geändert."

Stille im Saal

McCain brachte den Saal aber nicht zum Kochen. Seine strengen Worte ließen es manchmal sogar ganz still im Saal werden. McCain stand auf einer laufstegartigen Plattform mitten unter den Delegierten in der riesigen Arena - symbolischer Ausdruck seines Willens, als bodenständiger Kandidat der Mitte wahrgenommen zu werden - und als Gegenbild zu Obama, der seine Parteitagsrede eine Woche zuvor auf einer Prunk-Bühne mit Säulen-Attrappen gehalten hatte. Anders als Obama redete McCain leise, so als halte er direkte Zwiesprache mit dem Wähler.

Sarah Palin beim Parteitag
Volkstribunin: Sarah PalinBild: picture-alliance/ dpa

Ausführlich geht McCain auf seine Zeit als Vietnamkriegsveteran ein, schildert, wie er damals seine Liebe zur Heimat entdeckt habe, und er verspricht, "bis zum letzten Atemzug" zu kämpfen, um Amerika vor seinen Feinden zu schützen. Er versteht, so sagt er, die Welt und was gut und böse ist.

Die Bürde Bush

Von der Bürde Bush versuchte sich McCain zu befreien, indem er in die Klagen vieler Wähler über das politische Establishment in Washington einstimmte. Dort werde eine Politik praktiziert, die "alt, verschwenderisch, untätig, eigennützig" sei, sagte McCain. Den Filz in Washington will er mit Vize Palin an seiner Seite beenden, das Washingtoner Establishment aufbrechen. "Lasst mich eine Vorauswarnung an die alte Sippschaft in Washington richten", sagt er in einer der am stärksten umjubelten Passagen. "Eine Vorauswarnung an die alte Sippschaft, die groß im Ausgeben ist, nichts tut, zuerst an selbst denkt und erst als zweites an das Land: Es kommt ein Wandel."

John McCain bei Rede in St. Paul
John McCain sagt: "Der Wandel wird kommen"Bild: AP

Obama kam insgesamt glimpflich davon - Palin hat die Arbeit am Vortag erledigt, mit beißenden Attacken gegen den Demokraten. McCain selbst verspricht, alles zu tun, um das lähmende Parteiengerangel in Washington zu beenden, äußert jenseits aller Differenzen Respekt und gar Bewunderung für den Rivalen bei der Präsidentschaftswahl. "Wir haben Meinungsverschiedenheiten, aber wir sind alle Amerikaner, und das bedeutet mehr für mich als alles andere."

In seiner Rede schnitt der Kandidat viele Themen an. Die Wirtschaftsflaute, laut Umfragen das wichtigste Thema der Wähler, erwähnte er aber nur kurz. Immer wieder betont er seinen legendären Ruf als Querdenker. "Ich marschiere zu meinem eigenen Rhythmus", sagte er. "Ich arbeite nicht für eine Partei, sondern für Sie." (sams)