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Mea Culpa: Neuer Trend in den US-Medien

Ralf Hoogestraat3. Juni 2004

Seit dem Irak-Krieg sind die amerikanischen Medien sehr patriotisch und unkritisch gewesen. Nun setzte die New York Times einen neuen Trend, mit einer ungewöhnlich scharfen Kritik an der eigenen Berichterstattung.

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"Mea Culpa.“ – Die Amerikaner lieben es einfach, wenn sich jemand die Haare rauft, an die Brust schlägt und laut schreit: "Ich bin Schuldig!“ So ähnlich klang es, als die New York Times mit ihrem Leitartikel in eigener Sache erschien: The Times and Iraq.

Da heißt es: "Im vergangenen Jahr hat diese Zeitung das harte Licht der nachträglichen Einsicht auf Entscheidungen scheinen lassen, die die Vereinigten Staaten in den Irak geführt haben. (….) Es ist an der Zeit, das wir das selbe Licht auch auf uns selbst richten.“

Versagen des Kontroll-Systems

Von Artikeln, die sich auf unsichere Quellen beriefen, von Versäumnissen bei der Überprüfung der Fakten, vom Versagen des gesamten Kontroll-Systems in der Times ist da die Rede.

Für den einstigen Leuchtturm des Journalismus, die New York Times, ist das ein schmerzhaftes Geschäft, zumal erst vor ein paar Monaten die Chefredaktion einpacken musste, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ein Reporter seine Geschichten einfach erfunden hatte.

Nichtige Kriegsgründe

Und jetzt zeigt sich, dass Menschen wie Ahmed Chalabi die Quelle für exklusive Times-Geschichten über Massenvernichtungswaffen waren. Die Massenvernichtungswaffen waren einer der Hauptkriegsgründe, sie sind bis heute nicht aufgetaucht. Und Ahmed Chalabi ist bei den Amerikanern inzwischen in Ungnade gefallen und soll laut New York Times-Bericht, amerikanische Geheimnisse an den Iran verraten.

Es ist eine verfahrene Geschichte für eine Zeitung, die lange Zeit als letzte Bastion des wahren Journalismus galt. Aber die New York Times war nicht das einzige Medium, das versagte.

Fast alle Medien haben versagt

Für den ausländischen Beobachter, der die Vorbereitung auf den Irak-Krieg und die ersten Kriegsmonate in den USA erlebte, verfielen eigentlich alle amerikanischen Medien ins kollektive Patrioten-Koma.

Die US-Teile des Medien-Weltreiches von Rupert Murdoch zeichneten sich durch besonders einschneidenden amerikanischen Nationalismus aus. Die New York Post zeigte Bilder, auf denen der französische und der deutsche Außenminister Wieselgesichter hatten, weil sie die Amerikaner im UN-Sicherheitsrat nicht unterstützen wollten. Der Fox News Chanel beleidigte ins Studio geladene Kriegsgegner in Live-Sendungen, warf sie raus und beschimpfte sie als Kommunisten.

Keine objektive Berichterstattung mehr

Aber auch normalerweise liberale Medien waren plötzlich ultra-patriotisch. Niemand wollte Leser oder Zuschauer verlieren und die Angst war, dass zuviel Kritik unpatriotisch ist und die Leser vertreibt.

Kritik oder Zweifel an der amerikanischen Position vor allem aus der europäischen Ecke wurden in den US-Medien kaum noch oder nur verkürzt dargestellt. Es war, als ob das Pentagon oder das Weiße Haus die Medien fernsteuerte. Die einzige Quelle objektiver Nachrichten waren internationale Sender.

Selbstkritik mit breiter Resonanz

Das Mea Culpa der New York Times hatte jetzt eine breite Resonanz in den amerikanischen Medien. Und so langsam wachen auch die hartnäckigsten Patrioten aus ihrem Koma auf. Die Regierung Bush hat auf ihrem Weg in den Krieg gegen den Irak gelogen. Selbst Kriegstrommler wie Bill O’Reilly von Fox News Chanel sehen das inzwischen ein und entschuldigen sich bei ihren Zuschauern für die Berichterstattung.

Aber die Aufarbeitung der Irak-Berichterstattung hat gerade erst begonnen. Amerikas Journalisten verlangen ihre Gehirne zurück, die sie damals freiwillig an der Garderobe des Pentagons abgegeben hatten.