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Eine App gegen Verschwendung von Essen

Benjamin Restle
5. Mai 2017

In Deutschland gibt es Lebensmittel im Überfluss - jährlich landen zehn Millionen Tonnen einwandfreier Nahrungsmittel im Müll. Mit der MealSaver-App soll sich das nun ändern.

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Frankreich Lebensmittelverschwendung
Bild: picture-alliance/dpa

In Deutschland gibt es genug Essen für alle. Sogar mehr als genug. Einer Studie des WWF zufolge landen in Deutschland jährlich insgesamt zehn Millionen Tonnen einwandfreier Lebensmittel unnötigerweise im Müll. Vor allem Endverbraucher, also private Haushalte, könnten viele Lebensmittelabfälle vermeiden. Dicht gefolgt von Großverbrauchern wie Restaurants, die jährlich 3,4 Millionen Tonnen verbrauchsfertige Lebensmittel entsorgen - obwohl 70 Prozent dieser Abfälle vermeidbar wären.

Deutschland  MealSaver App
Das Grosse Wegschmeissen. Vom Acker bis zum Verbraucher: Ausmaß und Umwelteffekte der Lebensmittelverschwendung in Deutschland" Berlin: WWF Deutschland, Juni 2015Bild: WWF Deutschland

Überschüssige Lebensmittel werden per App verkauft

 

Just an dieser Stelle setzt das im Oktober 2016 gegründete und in Berlin ansässige Startup EatUp GmbH an: Mit der kostenlosen "MealSaver"-App können teilnehmende Restaurants und Bäckereien überschüssige Lebensmittel mittels "Foodboxen" an Kurzentschlossene verkaufen - und so portionsweise ihre Lebensmittelabfälle reduzieren. Diese Foodboxen aus leicht abbaubaren Zuckerrohrfasern werden den Gastrobetrieben vom Startup gestellt. App-Nutzer können sie für zwischen einem und vier Euro von den Restaurants oder Bäckereien erwerben und dann dort abholen. Jeweils ein Euro pro verkaufter Foodbox fließt an die Macher der App. App-Nutzer können sich ein Restaurant oder eine Bäckerei herauspicken, nicht aber, welche Speisen oder Backwaren schlussendlich in ihrer Foodbox landen. Denn das hängt ganz allein davon ab, welche Lebensmittel am jeweiligen Tag übrig sind.

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Grüne Punkte markieren Restaurants und Bäckereien, die am jeweiligen Tag "Foodboxen" anbietenBild: DW/B. Restle

Laut EatUp GmbH gibt es derzeit teilnehmende Restaurants und Bäckereien in Berlin, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Duisburg, Essen, Aachen, Trier, Gelsenkirchen, Mülheim an der Ruhr, Bochum und Gladbeck. Über 320 sollen es insgesamt sein, davon mehr als 180 allein in Berlin. Langfristig ist geplant, die App auf ganz Deutschland auszuweiten. 

Die Idee hinter der App

Bianca Jankovska von der EatUp GmbH erklärt, welche Idee hinter der MealSaver- App steckt: "Wir versuchen Foodsharing und Foodsaving zum Mainstream zu machen." Gemeint ist mit den Begriffen Foodsharing und Foodsaving ganz allgemein das Verteilen von Lebensmitteln, die Supermärkte und Restaurants normalerweise wegwerfen würden, obwohl sie noch genießbar sind. Die Macher der App wollen, dass es einfacher und unkompliziert wird, überschüssiges Essen von Restaurants abzuholen. Damit irgendwann alle Menschen "ganz selbstverständlich die App nutzen als Alternative zu teuren Abhol- oder Lieferdiensten", führt Jankovska aus. Langfristig arbeiten alle Akteure in diesem Bereich, also auch die Macher der MealSaver- App, daran, "dass es uns bald nicht mehr geben wird."

Denn das erklärte Ziel ist es, eines Tages keine vermeidbaren Lebensmittelabfälle mehr zu haben. Doch bis dahin gibt es noch einiges zu tun. Wie etwa weitere Restaurants von der Teilnahme an der MealSaver-App zu überzeugen. Wobei vegetarische und vegane Restaurants "generell ein hohes ethisches Bewusstsein haben" und deshalb "leichter von der App zu überzeugen sind oder von selbst auf uns zukommen", sagt Jankovska. Dies erkläre teils, warum es in manchen Stadtteilen mehr teilnehmende Restaurants gibt als in anderen: "Unsere Zielgruppe sind nicht nur hippe, urbane 20 bis 30-Jährige", so Jankovska. Insgesamt nutzten deutschlandweit bereits 50.000 Menschen ihre App.

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Bianca Jankovska von der EatUp GmbHBild: DW/B. Restle

Was App-Nutzer denken

Einer dieser 50.000 Nutzer ist Sebastian Jabbusch. Der 34-jährige Social Media-Berater hat die App zwar erst dreimal ausprobiert, ist aber schon jetzt hellauf begeistert. Jabbusch lebt im Herzen Berlin-Kreuzbergs und schwärmt: "Um mich herum gibt es tatsächlich irre viele Anbieter, die mitmachen, also viele Restaurants, die ich auch noch nicht alle kenne." Er findet die App sehr benutzerfreundlich und ist vom Konzept begeistert: "Geld sparen, was Gutes tun und neue Restaurants kennen lernen - das ist ziemlich cool." Aber Jabbusch gibt auch zu bedenken, dass die Hürden für die Nutzung der App hoch sind, weshalb schwächer gestellte Menschen kaum von der App profitieren würden: "Interessanterweise habe viele Obdachlose ein Handy, aber ich vermute, dass die wenigsten einen PayPal-Account besitzen." Und ohne PayPal-Konto ist ein Einkauf über die MealSaver-App bislang nicht möglich.

Ähnlich wie Sebastian Jabbusch ist auch Vera Naumann Feuer und Flamme für die MealSaver- App. Die 27-Jährige studiert in Hamburg "International Business and Sustainability" und sagt, dass viele Restaurants in Universitätsnähe und im Schanzenviertel Essen per MealSaver-App anbieten - wohl auch weil es dort "ein bisschen alternativer ist" und "die Gastronomiebetriebe ein bisschen offener für solche neue Apps und Konzepte sind." Besonders gefällt Vera Naumann der Nachhaltigkeitsaspekt der App, die sie durchschnittlich zweimal monatlich nutzt. Ihr ist wichtig, die Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie zu reduzieren - die Möglichkeit an billiges Essen zu kommen ist für sie nur zweitrangig.

Und was sagen Gastronomen?

Seit Januar 2017 macht das Restaurant "Hof zwei" im Mövenpick Hotel Berlin bei der MealSaver- App mit. Auch für Restaurantleiter Emil Franken spielt der nachhaltige Gedanke der App eine große Rolle: "Wenn du ein Buffet hinstellst für 35 bis 40 Personen, dann ist es logisch, dass da irgendwas übrig bleibt." Er ist sich wohl bewusst, wie viel Essen in der Hotellerie und Gastronomie unnötigerweise in der Tonne landet. Also habe er anfänglich jeweils fünf Boxen mit Resten des Mittagsbuffets über die MealSaver-App angeboten. Schnell stieg die Nachfrage. "Jetzt", sagt Franken, "haben wir mittlerweile auf acht erhöht." Es kämen die unterschiedlichsten Menschen, um das Resteessen zu holen, sagt er. Vor allem aber seien es Studenten, junge Menschen in den Zwanzigern und Leute aus umliegenden Büros, die gerade Mittagspause hätten. Es könnten eigentlich viel mehr Berliner Hotels mitmachen, meint Emil Franken.

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Eine "Foodbox" der Berlin Burrito Company für 3.45 EuroBild: DW/B. Restle

Ebenfalls dabei ist seit ungefähr drei Monaten die Berlin Burrito Company. Restaurantmitarbeiter Nico schätzt, dass jeden Abend ein bis zwei Leute vorbeikommen, um mit Reis, Bohnen und Ähnlichem befüllte Foodboxen abzuholen. Und sein Kollege wundert sich, warum so wenig andere Restaurants in der Nachbarschaft bei der App mitmachen, da es doch auch dort viel überschüssiges Essen geben muss. Doch obwohl die Berlin Burrito Company bei der MealSaver-App mitmacht, müssen am Ende des Tages trotzdem oft noch einwandfreie Lebensmittel entsorgt werden, schon allein weil warme Speisen am Folgetag nicht mehr weiterverwendet werden dürfen.

Ein Anfang ist gemacht

Trotz MealSaver-App ist das Problem vermeidbarer Lebensmittelabfälle in der Gastronomie also noch lange nicht gelöst. Aber ein Anfang ist gemacht: Die App-Macher schätzen, dass sie täglich 200 Foodboxen verkaufen - und so jeden Tag rund 200 Kilogramm Lebensmittelabfälle vermeiden. Seit dem Start der App im Oktober 2016, so die Entwickler, haben sie bis heute insgesamt schon fast zehn Tonnen einwandfreier Lebensmittel an Hungrige vermittelt.