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Propaganda gegen Propaganda?

Toms Ancitis 31. August 2015

Mit einer halben Million Dollar wollen die USA baltische Journalisten im Kampf gegen russische Propaganda unterstützen. Doch die Ausbildungsprogramme aus dem Ausland sind im Baltikum umstritten.

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Wladimir Putin im russischem Staatsfernsehen (Photo: EPA/SERGEI ILNITSKY)
Wladimir Putin im russischem StaatsfernsehenBild: picture-alliance/dpa

Nirgends ist die EU so russisch wie im Baltikum. In Estland ist jeder vierte, in Lettland jeder dritte Einwohner russischer Herkunft. Viele von ihnen sehen täglich die Sendungen der Fernsehkanäle aus Russland. Über die Ukraine-Krise wird da mit klar russischer Position berichtet, häufig auch mit gefälschten Informationen.

Seit langem bemühen sich die baltische Länder, gegen die Propaganda aus Russland vorzugehen. Aufgrund der "Ausstrahlung von Kriegspropaganda" verbaten lettische und litauische Medienaufsichtsbehörden letztes Jahr für einige Monate einige russische Fernsehsender.

Ankündigung des Ausbildungsprogramms auf der Webseite der US-Botschaft in Litauen (Copyright: vilnius.usembassy.gov)
Ankündigung des Ausbildungsprogramms auf der Webseite der US-Botschaft in LitauenBild: vilnius.usembassy.gov

Jetzt gehen die baltischen Länder neue Wege: sie versuchen, ein eigenes russischsprachiges Angebot zu entwickeln. Estland hat einen eigenen öffentlich-rechtlichen russischsprachigen Fernsehsender gegründet, Lettland will dem Vorbild seines Nachbarn folgen.

Unterstützung aus dem Westen

Bei diesen Bemühungen erhalten die Länder des Baltikum Unterstützung auch von westlichen Partnern. Im Frühjahr unterschrieb der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit seinem lettischen Amtskollegen Edgars Rinkevics eine Erklärung, nach der unter anderem das Thema "Medien und Kommunikation" auf der gemeinsamen Agenda steht. Fördermittel aus Deutschland sollen etwa für die Ausbildung und für Austauschprogramme für lettische Journalisten zur Verfügung gestellt werden.

Auch die USA haben schon journalistische Projekte im Baltikum gefördert. Doch die neueste Fördermaßnahme aus den USA hat Aufregung verursacht. Die US-Regierung hat eine halbe Million Dollar locker gemacht für Journalistenausbildung in den Baltischen Staaten. Inhaltlich geht es um mehrstufige Kurse, sowie um Praktika in Amerika. Der Titel des Programms: "Training in investigativem Journalismus als Gegenmaßnahme zu russischen Nachrichten im Baltikum".

US Manöver im Baltikum Lettland (Photo: REUTERS/Ints Kalnins)
Auch militärisch zeigen die USA Präsenz: hier ein US-Panzer bei einem Manöver in LettlandBild: Reuters/I. Kalnins

Nach der Veröffentlichung des Aufrufes auf der Webseite der US-Botschaft in Litauen erntete die Initiative Kritik aus den Medien in Russland. Den USA warfen sie "Gegenpropaganda" vor. Empört waren allerdings auch baltische Journalisten selbst. Vor allem über den Titel des Programms.

Gegenpropaganda ist kein Journalismus

Der US-Aufruf zur Förderung "steht dem Grundprinzip des Journalismus entgegen: die Medien sind von der Politik unabhängig" so die Meinung mehrerer Journalisten-Organisationen, die sich in einer Pressemitteilung äußerten. Deswegen "sieht sich keiner von uns in der Lage, sich um eine solche Förderung zu bewerben".

So, wie es die US-Botschaft aufgesetzt habe, sei das Projekt zu stark politisch aufgeladen, sagt Drew Sullivan, der Leiter des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP), einer Organisation, die mehrere Journalistenorganisationen verbindet und zu den Kritikern des US-Projekts gehört. "Die Aufgabe guten Journalismus ist es, unabhängig zu sein und die Wahrheit zu erzählen und nicht irgendeine Propaganda zu bekämpfen", so Sullivan.

Kurz nach Veröffentlichung der Kritik der Journalistenreagierte die US-Botschaft in Vilnius und änderte den Titel des Projektes. Jetzt heißt es neutraler: " Training in investigativem Journalismus im Baltikum"

Der ursprüngliche Name des Programms war ein Fehler, sagt Douglas Frantz, stellvertretender Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit im US-Außenministerium der lettischen Nachrichtenagentur LETA. "Das war kein Fall von "Quid pro quo", betonte er: "Wir haben nicht die Absicht oder den Wunsch festzulegen, was die Journalisten schreiben müssen."

Sarunas Cerniauskas, Chef der investigativen Redaktion beim litauischen Nachrichtenportal 15min.lt, gehört zu den Kritikern der Projektankündigung. Mit der Umbenennung des Projekts habe sich das Problem jedoch erledigt Inhaltlich sei das Programm gut: "Ich glaube, die USA Botschaft hatte nur Gutes im Sinn. Nur die Wortwahl war nicht gelungen."

Schwache Medienlandschaft

Dass die journalistische Ausbildung in Lettland überhaupt von anderen Ländern gefördert wird, sei negativ zu bewerten, meint Sergejs Kruks, Journalismus-Professor an der Stradina-Universität in Riga. Es schade dem Prestige des Landes: "Im Ausland wird behauptet, dass wir schwach sind, dass wir nicht fähig sind, Nachrichten von Propaganda zu trennen. Das stimmt nicht.“

Trainingspropgramme bedrohten nicht die journalistische Freiheit, so Kruks. Eher machten sie überhaupt keinen Sinn: "Die Journalisten reisen ein wenig, schauen andere Länder an. Und das wars." Dabei mangele es den baltischen Journalisten nicht an einer guten Ausbildung. Das Problem sei die schwache Medienlandschaft, meint Kruks. Die Zeitungen seien politisiert, die Nachfrage nach Qualitätsjournalismus gering. Die Berichterstattung bestehe meist aus den Nachrichten der Nachrichtenagenturen, die wiederum häufig einfach Pressemitteilungen von Unternehmen oder Organisationen umschrieben.

Politische Integration nötig

Kruks ist selbst Russe und gehört zu den sogenannten "Nichtbürgern" Lettlands, die nicht alle Bürgerrechte im Land genießen und sich oft diskriminiert fühlen. Bei der Reaktion auf russische Propaganda folgten die lettischen Politiker dem alten kommunistischen Prinzip: "Zuerst kommt die Ideologie, alles anderes danach." Der Entfremdung der russischen Minderheit vom lettischem Staat könne man nur entgegenwirken, indem man die Russischstämmigen auf politischer Ebene integriere und nicht mit einem Gegenstrom im Informationsfluss.

Auch die Deutsche Welle beteiligt sich an Austausch- sowie Ausbildungsprogrammen für Journalisten in aller Welt. Junge Journalisten aus Russland, Belarus, der Ukraine und jüngst auch aus den baltischen Staaten machen seit vielen Jahren Praktika auch bei der Deutschen Welle. Ingo Mannteufel, Leiter von DW Europa und DW Russisch sagt dazu: "Mein Eindruck ist, dass dadurch die jungen Journalisten interessante Einblicke in unsere Redaktionspraxis erhalten und ein für beiden Seiten gewinnbringender Austausch an Wissen und Standards stattfindet."