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Bilder als Waffe

Das Interview führte Steffen Leidel 10. März 2007

DW-WORLD zeigt bewusst keine Bilder aus dem Entführungsvideo mit den deutschen Geiseln. Der Politikwissenschaftler Münkler erklärt im Interview, warum er die Entscheidung begrüßt.

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Herfried MünklerBild: HU-Berlin

DW-WORLD.DE: In dem Geiselvideo, das am Samstag auf einer Islamisten-Internetseite auftauchte, bittet die verschleppte Deutsche unter Tränen Bundeskanzlerin Angela Merkel um Hilfe. Für Medien stellt sich dabei immer wieder die Frage: Wie detailliert soll über Geiselvideos berichtet werden. Die Mehrheit der Medien zeigte Bilder aus den Videos. DW-WORLD verzichtete darauf. Welche Entscheidung ist richtig?

Herfried Münkler: Die Information über die Geiselnahme und das Schicksal der Geiseln ist das eine. Das Bildmedium ist das andere. Es soll politischen Druck auf die Gesellschaft, aus der die Entführten stammen, ausüben. Da ist es klug, wenn die Medien dieses Spiel nicht mitspielen, wenn sie begreifen, dass in diesem Zusammenhang Bilder so etwas wie Waffen sind und, wenn man sie veröffentlicht, damit die Interessen der Entführer bedient werden.

Wäre es in diesem Fall also besser, darauf zu verzichten, die flehende Frau und den weinenden Mann zu zeigen und ein neutrales Bild zu wählen?

Wenn man unbedingt Bilder bringen will, dann ist das sinnvoll. Viele derer, die in der Anfangsphase der Entführungsindustrie diese Aktionen geplant haben, haben sich aus amerikanischen Handbüchern der Kommunikationstechnologie bedient und ein Wissen aufgebaut, um Regierungen unter Druck zu setzen, die möglicherweise aus Gründen der Staatsräson sagen, wir wollen mit den Entführern nicht verhandeln, oder wir verhandeln mit einem längeren Zeithorizont und testen erst einmal die Bedingungen aus. Dazu werden in die Öffentlichkeit Bilder hineingebracht und die Regierungen erscheinen so als herzlos und unmenschlich. Kurzum, die Medien und diejenigen, die glauben, unbedingt solche Bilder veröffentlichen zu müssen, erhöhen den Druck auf die eigene Regierung, sie agieren kontraproduktiv.

Fast alle Medien haben diese Bilder veröffentlicht. Sie spielen also den Terroristen in die Hände und werden instrumentalisiert?

Ja, man muss das in dieser Deutlichkeit so sehen. Die Medien werden instrumentalisiert, um den relativ bescheidenen Druck, den Entführer ausüben können, zu verstärken. Früher konnte man mit einer Nachrichtensperre arbeiten. Inzwischen gibt es so viele Kanäle und es kommt noch das Internet dazu, dass eine Regierung die Sache informations- und bildtechnisch nicht mehr im Griff hat. Es kommt in dieser Situation darauf an, dass die Medien freiwillig und aus eigener Einsicht auf die Bildern verzichten.

Wie problematisch ist in diesem Zusammenhang das Internet?

Das Internet ist die Form, über die die Terroristen und Entführer ihre Videos lancieren, teilweise zumindest. Den klassischen Weg, den Film zu einem TV-Sender zu bringen, muss man ja gar nicht mehr gehen. Natürlich ist klar, auch wenn die Medien die Bilder nicht zeigen, sind sie im Internet verfügbar. Das wird man nicht in den Griff bekommen.

Viele argumentieren, es gebe ein öffentliches Interesse zu sehen, um wen es sich auf dem Video handelt..

Das öffentliche Interesse, wenn es denn tatsächlich existiert, kann ja befriedigt werden, indem ein Name genannt wird. Dazu muss man ja das Gesicht nicht sehen.

Welchen Hintergrund vermuten Sie bei dieser Entführung?

Klassischer Weise wird ja immer unterschieden zwischen politischen und kriminellen Hintergründen. Die Situation im Irak ist aber seit geraumer Zeit so, dass diese Unterscheidung nicht mehr greift, sondern dass beides ineinander fließt. Es gibt immer die Hoffnung der verhandelnden deutschen Seite, dass die Entführer nur an Geld interessiert sind. Wenn man ihnen Geld gibt, dass sie dann die Geiseln wieder freilassen. Darauf kann man hoffen, sicher weiß man das aber erst nach dem Ausgang der Sache.

Herfried Münkler ist Politikwissenschaftler an der Humboldt-Universität in Berlin. Er hat zahlreiche vielbeachtete Bücher veröffentlicht, u.a. "Die neuen Kriege" und zuletzt "Imperien. Die Logik der Weltherrschaft"