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Medienkompetenz und Grundbildung: Basis für eine stabile Gesellschaft

22. Juni 2012

Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse beim Deutsche Welle Global Media Forum 2012

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Pressekonferenz zur Leipziger Buchmesse 2010, argentinischer Stand Jürgen Boos
Bild: Jörg Singer

DW: Das gedruckte Wort gilt spätestens seit der Erfindung des Buchdrucks als Synonym für die Verbreitung von Bildung und Wissen. Heute gibt es doch ganz andere Möglichkeiten, oder gilt das trotzdem noch?

JB: Bildung und Wissen sind schon seit Mitte der neunziger Jahre zunehmend nicht mehr in gedruckter Form fixiert – sondern in Form von Datenbanken und Software organisiert. Publikationen im Bereich Wissenschaft, Technologie und Medizin sind schon heute zu 80 bis 100 Prozent digital. Damit ist augenfällig, wie schnell sich unser Wissen heute verändert. Andererseits ist Print bislang immer noch der beste Weg, um Wissen zu archivieren, zu erhalten für die Nachwelt. Denn CD-ROMs aus den 90ern sind heute nicht mehr lesbar, und heutige Dateien mit Kopierschutz werden wahrscheinlich schon nach fünf Jahren nicht mehr zugänglich sein.

DW: Hörbücher, E-Books – ganze Bibliotheken werden inzwischen netzkompatibel gemacht. Ist dieser Trend für Sie als Direktor der Frankfurter Buchmesse nicht eine Konkurrenz, vor der Sie sich fürchten müssen?

JB: Dass Bücher jetzt zunehmend netzkompatibel sind, ist für die internationale Verlagsbranche – und damit auch für die Frankfurter Buchmesse – gut: Denn mit der Digitalisierung wachsen auch die Chancen für Geschichte, Ideen, Informationen und Bilder, gehört, gelesen und gesehen zu werden. Natürlich stellt die Digitalisierung die traditionellen Geschäftsmodelle des Publishing auf den Kopf, aber es entstehen gleichzeitig neue Möglichkeiten, Kreativität zu finanzieren und zu refinanzieren. Bibliotheken und Publisher haben beide den Anspruch, Wissen zugänglich zu machen. In diesem Sinne ist die Digitalisierung von Bibliotheken – Stichwort: Europeana – für Verleger ebenfalls eine Herausforderung in gutem Sinne. Denn je mehr Menschen den Zugang zu Bildung bekommen, ihre Lesefähigkeit schulen, desto besser für die Verlage, und damit auch für die Buchmesse.

DW: Der Aufschwung der neuen Medien hat die Diskussion um Urheberrechte eröffnet. Kreative, Schriftsteller und Künstler sind in einem offenen Brief für ihre Rechte eingetreten – kann die Buchmesse für sie Lobby sein?

JB: Die Finanzierung von Kreativität ist die große Frage, um die die Buchmesse seit ihrer Gründung vor rund 550 Jahren kreist. Denn das Wort „Verlag“ kommt ursprünglich von „Geld vorlegen“. Damals schoss der Verleger Geld vor, um den Druck zu finanzieren. Heute dient das Autorenhonorar der Finanzierung von Kreativität, mit dem Urheberrecht als Basis. Ich glaube, Aufgabe der Frankfurter Buchmesse ist es, Kreative, Verwerter und die „Rahmensetzer“, also Technologieunternehmen ebenso wie politische Player, miteinander ins Gespräch zu bringen – und die Rahmenbedingungen für die Finanzierung und Refinanzierung von Kreativität auszuloten. Dabei istdie Anpassung des Urheberrechts an die digitale Welt der Grundstein für die Entstehung und Verbreitung kreativer Werke. Über diese Neugestaltung müssen wir nachdenken, denn Inhalte - also Wissen, Ideen, Informationen - bilden den inneren Zusammenhalt von Gesellschaften. Eines ist klar: Die politischen Rahmenbedingungen für die Finanzierung von Kreativität müssen offen ausgehandelt werden. Darüber wollen wir mit allen – Autoren, Piraten, Netzaktivisten, Parteien, Publishern, den neuen Playern sowie mit den Bürgern – in eine offene Diskussion kommen.

DW: Das Deutsche Welle Global Media Forum 2012 behandelt das Thema Bildung und Nachhaltigkeit aus der globalen Perspektive im Spiegel der Medien. Wenn man das Buch – in welcher Form auch immer – als Medium betrachtet, welche Rolle muss die Buchmesse als internationaler Treffpunkt spielen, wenn es darum geht, die UN Milleniumsziele auf dem Weg über Bildung zu erreichen?

JB: Die UN Milleniumsziele zielen darauf ab, mehr Menschen ein besseres, würdiges Leben zu ermöglichen. Die Erkenntnis, dass Armut vermeidbar ist, und zwar nicht zuletzt durch Bildung, ist einmal schockierend – weil bislang noch so wenige Konsequenzen daraus gezogen wurden. Andererseits heißt das für die Verlagsbranche, dass ihre Produkte, also Medien, ganz konkret zur Verbesserung des Lebens vieler Menschen dienen können.

Aus der Einsicht heraus, dass Medienkompetenz und Grundbildung die Basis ist für eine stabile Gesellschaft, aber auch für das Verlagswesen, hat die Frankfurter Buchmesse 2006 die Frankfurt Book Fair Literacy Campaign, kurz LitCam, gegründet, gemeinsam mit dem UNESCO Institut für Lebenslanges Lernen und dem Bundesverband für Alphabetisierung und Grundbildung e.V. Ziel ist, benachteiligten Kindern und Jugendlichen durch verschiedene Projekte – etwa „Fußball trifft Kultur“ und „Reading and Learning Rooms“ Kompetenzen für ihr Leben vermitteln.

Mehr dazu unter http://www.litcam.de/