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"Delegados de la Palabra"

30. November 2010

Während in Deutschland das Verhältnis von Klerikern und Laien nicht immer einfach ist, sind Laien in Lateinamerikas Kirchen unverzichtbar: Oftmals sind sie Seelsorger, Vertrauensperson und Entwicklungshelfer in einem.

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Laienprediger in Honduras - Nottaufe im Melonenfeld(Foto: Adveniat)
"Delegados" in Aktion: Jesús Aguilar und Lidia Corrales beim GottesdienstBild: POHL/Adveniat

Sonntagmorgen in dem kleinen Dorf Papalón, im Süden von Honduras, kurz vor der nicaraguanischen Grenze: Rund 60 Gläubige sitzen dicht an dicht auf morschen Holzbänken. Im Dach der kleinen Kapelle sind Löcher, der Altar ist aus ein paar Brettern zusammengezimmert. Vorne greift ein Junge in die Saiten seiner verstimmten Gitarre, doch alle singen voller Inbrunst mit, das ganze Dorf ist zusammengekommen.

Gottesdienstleiter Aguilar (Foto: Adveniat)
"Man hielt mich für einen Guerillero": Laien-Aktivist Lorenzo Aguilar (r.)Bild: POHL/Adveniat

Vier junge Männer in Jeans und Turnschuhen stehen vorne und organisieren alles abwechselnd: Zwei lesen, einer singt, einer predigt. Sie sind so genannte "Delegados de la Palabra", Laien, die zwar im Gegensatz zu Priestern nicht geweiht sind, aber trotzdem eigenständig den Wortgottesdienst feiern. Dazu hat sie der Bischof ermächtigt, denn ein Priester kommt in Papalón nur alle Jubeljahre vorbei.

Vergessene Welt

Die nächste größere Stadt liegt vier Autostunden per Schotterpiste von Papalón entfernt. Ein "vergessener Ort" sei es, sagt Don Modesto, einer der Ältesten im Dorf. Daher habe man begonnen, sich selbst zu organisieren. "Hier kam jahrelang kein Priester her. Und die Politiker kamen nur kurz vor den Wahlen", erinnert er sich, "aber heute lösen wir unsere Probleme selbst und vertreten selbstbewusst unsere Interessen. Daher hat es hier große Veränderungen gegeben."

Wachsende Armut, wachsende Gewalt - In Honduras bleibt für die "Delegados viel zu tun (Foto: Adveniat)
Wachsende Armut, wachsende Gewalt: In Honduras bleibt für die "Delegados" viel zu tunBild: POHL/Adveniat

Zentral für diese Veränderungen sind die "Delegados de la Palabra", die eben nicht nur das kirchliche Leben im Dorf aufrecht erhalten, Bibelstunden abhalten und Gottesdienste feiern. Sie sind es auch, die die Gemeinschaft organisieren, wenn es um einen neuen Brunnen für das Dorf geht, um Strom, Wasser oder Unterricht für die Kinder. Sie sind Seelsorger, Vertrauensperson und Dorfsprecher in einem. Zehntausende gibt es heute von ihnen in ganz Lateinamerika. Das Modell entstand in Honduras Ende der 1960er Jahre, als die katholische Kirche begann, Laien mehr Verantwortung zu übertragen.

Gefährliche Aufgabe

Nicht immer war das ungefährlich. Denn Land und Macht waren in der Hand von Großgrundbesitzern, bäuerliche Selbstorganisation war nicht erwünscht. Schnell galt als Marxist, wer in den 1980er-Jahren Menschenrechtsverletzungen anprangerte, während in Zentralamerika Bürgerkriege tobten und die rechtsgerichteten, von den USA unterstützten Regierungen diese Länder als Bollwerk gegen den Kommunismus aufrüsteten. Auch der Laie Lorenzo Aguílar stand auf damals auf einer schwarzen Liste der Militärs, doch er engagierte sich unbeirrt weiter. "Über die Jahre hatten sich die Menschen in ihr Schicksal und in die Armut gefügt. Aber wir haben sie dazu gebracht, sich zusammen zu tun und diese zu überwinden." Für Aguilar ist der "Delegado" in den Gemeinden bis heute ein Motor der Entwicklung.

Schreiner im Dorf Marilam, Honduras (Foto: Adveniat)
"Heute helfen wir uns selbst": Schreiner im Dorf MarilamBild: POHL/Adveniat

Allein es sind heute andere Probleme, mit denen sich die Delegados auseinander setzen müssen. Die Arbeitslosigkeit in Honduras ist hoch, die politische Situation bleibt instabil nach dem Putsch 2009. Immer mehr Menschen leben in Armut und verlassen das Land in Richtung USA. Und die Gewalt wächst: Mit rund 15 Morden am Tag, ist Honduras eines der gefährlichsten Länder auf dem Kontinent.

Angesichts dieser Herausforderungen unterstützt auch das deutsche Hilfswerk Adveniat die Laien bei ihrer Arbeit. Sie stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Weihnachtsaktion. Nach eigenen Angaben fördert die Organisation mehr als 3000 Projekte in ganz Lateinamerika mit rund 40 Millionen Euro im Jahr. Mit dem Fokus auf den Laien in diesem Jahr wolle man zeigen, so Christian Frevel von Adveniat, dass sich Glaube nie allein auf Gottesdienste und Beten beschränke, sondern vor allem in Taten äußere.

Autorin: Ina Rottscheidt

Redaktion: Sven Töniges