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Mehr Exzellenz für Afrika

Maja Braun21. Mai 2014

Deutschland will mehr Wissenschaftler aus Afrika anwerben. Doch an vielen Unis des Kontinents wird kaum geforscht, die Lehre steht im Vordergrund. Ein neues Netzwerk soll helfen.

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In einem Labor in Arusha, Tansania (Foto: Jeroen van Loon)
Bild: Jeroen van Loon

An der Universität zu bleiben, war für Reama George keine einfache Entscheidung. Denn ein Job als Uni-Dozentin gilt in ihrem Heimatland Nigeria nicht viel. "Das ist bei uns eine echte Prestige-Frage. Dann heißt es: Wer fährt denn dieses kleine Auto da? Ach, das ist nur eine Dozentin!" Aber die junge Chemikerin hat ihre Passion gefunden. Mit ihrem Doktortitel in der Tasche will sie nun weiterforschen, am liebsten in Deutsc hland mit einem Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung.

Dort rennt die Nachwuchswissenschaftlerin gerade offene Türen ein. Denn die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die sich seit über 60 Jahren der Förderung von Spitzen-Forschern verschrieben hat, will mehr Stipendiaten aus Afrika gewinnen. Ein Hintergrund dafür ist die neue Afrika-Politik des deutschen Bildungsministeriums, die die Programme der Humboldt-Stiftung mitfinanziert.

Jede Menge kluge Köpfe in Afrika

Aber auch intern bemüht sich die Stiftung, die Zahl von Afrikanern unter ihren "Humboldtianern", wie sie ihre Stipendiaten nennt, zu erhöhen. Bisher machen die etwa 750 geförderten Wissenschaftler in Subsahara-Afrika gerade mal 2,5 Prozent aller "Humboldtianer" aus. "In Afrika gibt es vermutlich das größte Potential an hochbegabten Personen", sagt Stiftungspräsident Helmut Schwarz. Mit einem Stipendium können die Forscher ein bis zwei Jahre an deutschen Hochschulen ein sogenanntes Postdoc-Programm durchlaufen. Eines der Programme fördert speziell Projekte mit entwicklungspolitscher Relevanz.

Helmut Schwarz, Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (Foto: Maja Braun/DW)
Helmut Schwarz: "Unsere Idee ist Völkerverständigung durch Wissenschaft."Bild: DW/M. Braun

Auch für Deutschland sei das Geld gut angelegt: "Das sind Deutschlands beste Botschafter. Weil sie in ihre Länder zurückkehren und dort zu mehr als 90 Prozent Spitzenpositionen einnehmen." Unter den Humboldtianern sind Professoren, Nobelpreisträger oder Klinikdirektoren. Auch der Energieminister in der Obama-Regierung, Ernest Moniz, ist ein Humboldtianer. "Das sind die Multiplikatoren später auch für wirtschaftliche Zusammenschlüsse und für den Aufbau von Universitäts-Partnerschaften", wirbt Schwarz.

Kein Geld für Forschung

Aber hochqualifizierte Bewerber aus Afrika, die sich gegen Konkurrenten aus der ganzen Welt durchsetzen, sind schwer zu finden. Wer in einem afrikanischen Land in der Wissenschaft ganz nach oben will, muss viele Hürden überwinden. So lässt sich außerhalb der Uni in der Regel mehr verdienen, wie etwa die junge Chemikerin Reama George aus Nigeria bei ihren ehemaligen Kommilitonen beobachtet. Auch die Unis selbst sehen ihre Dozenten und Professoren lieber im Hörsaal als im Labor, weil die Zahl der Studenten in vielen Ländern drastisch gestiegen ist. "Das Geld ist in der Lehre", klagt der Botschafter der Humboldt-Stiftung in Kenia, der Universitätsrektor Hamadi Boga. Er hat Verständnis dafür, dass wenige Absolventen sich entschließen, in die Forschung zu gehen. "Man muss ja auch überleben und seine Familie versorgen."

Oft hapere es aber auch schlicht an der Leistung. Schon die Schulausbildung sei in vielen afrikanischen Ländern schlecht, kritisiert Boga. Um mehr Studenten zu haben, seien die Numeri Clausi an den Universitäten immer niedriger gelegt worden. Gleichzeitig mangele es aber an Dozenten, so dass schon Master-Studenten die Bachelor-Anwärter unterrichten müssten. "Es gibt leider keine Pläne der Regierung, die Zahl der Doktoranten zu erhöhen", klagt der Uni-Rektor.

Eine Ratte in einem Forschungslabor (Foto: Jeroen van Loon)
Paradebeispiel: In Tansania arbeiten Forscher im Kampf gegen Tuberkulose mit RattenBild: Jeroen van Loon

Mehr Lobby für die Wissenschaft

Daran seien aber die Wissenschaftler selbst schuld. "Wir sind viel zu scheu", gibt Boga zu. "Wir müssen viel aktiver werden, damit unsere Gesellschaft akzeptiert, dass öffentliche Gelder auch in die Wissenschaft investiert werden." Denn schließlich könnten afrikanische Länder ihre Wirtschaft nur dann auf Augenhöhe mit den Industrienationen bringen, wenn es genug Fachkräfte gäbe.

Genau diese Lobby-Arbeit will nun ein neues Netzwerk leisten und setzt dabei auf deutsche Unterstützung. Das "Deutsch-Afrikanische Netzwerk für Exzellenz in der Wissenschaft" mit dem englischen Akronym AGNES wurde mit Hilfe der Humboldt-Stiftung ins Leben gerufen und begann im März 2014 mit seiner offiziellen Arbeit. Vor allem die afrikanischen Universitäten sollen von dem Netzwerk mit seinem Büro in Kamerun profitieren und die Kontakte für Partnerschaften, Austausche oder etwa bei der Suche nach Prüfern nutzen.

Einladung an deutsche Doktoranten

Gleichzeitig sollen afrikanische Nachwuchsforscher auf deutsche Fördermöglichkeiten aufmerksam gemacht werden. Bislang orientieren sie sich vor allem in anglophone Länder oder nach Frankreich. In ihrer Partnerschaft mit dem Wissenschaftsland Deutschland sehen sich die afrikanischen Forscher aber nicht nur als Bittsteller. Der äthiopischer Professor Tsige Gebre-Mariam gibt sich selbstbewusst: "Wir brauchen die Deutschen genauso, wie die Deutschen uns brauchen." Es gäbe viele Forschungsgebiete, in denen Afrika ein gutes Umfeld biete, sagt Gebre-Mariam. Dazu zähle sein eigenes Feld, die traditionelle Medizin, aber auch die Archäologie, Anthropologie und Umweltstudien, Demografie oder tropische Krankheiten. "Deutsche Doktoranten sollten uns geradezu die Türen einrennen!" Das Netzwerk AGNES könnte dabei helfen.

Skulpturen der Nok-Kultur bei einer Ausgrabung in Ifana Nigeria (Foto: Goethe-Universität Frankfurt)
Archäologen können in Afrika viele Schätze bergenBild: Goethe-Universität Frankfurt