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Mehr Fachkräfte mit der Blauen Karte

Kathrin Erdmann4. November 2012

Seit zwei Monaten ist die Blaue Karte auf dem Markt. Sie ermöglicht Hochqualifizierten einen unkomplizierten Weg auf den deutschen Arbeitsmarkt - und ein schnelles Aufenthaltsrecht.

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Blue-Card. Foto: dpa
Bild: picture-alliance/chromorange

Sie sieht dem neuen deutschen Personalausweis täuschend ähnlich, und Dautmammet Rejepov hält sie stolz in seinen Händen: Die Blaue Karte. Der Turkmene ist im August über seinen Arbeitgeber, den Energieriesen RWE, nach Hamburg gekommen. "Das Unternehmen hat ein Forschungsprojekt in meiner Heimat." Und da wollte der junge Turkmene natürlich gern dabei sein.

Von der Blauen Karte hatte er bis zu seiner Ankunft in Deutschland noch nichts gehört, aber jetzt ist er begeistert, dass er so schnell einen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten kann. Lernt jemand gut Deutsch und hat er einen festen Arbeitsvertrag, ist das schon nach zwei Jahren möglich. Für Rejepov, gerade einmal 30 Jahre alt, existiert damit eine "Extramotivation", schnell Deutsch zu lernen.

Nachgefragte Branchen

Doch nicht nur das freut den Spezialisten für Erdgas und Erdöl. Die Entscheidung für Deutschland erleichtert hat Rejepov auch die Tatsache, dass er seine Frau Enesh Bashimova mitbringen konnte. Auch sie hat einen Aufenthaltstitel erhalten, mit dem sie sofort hier arbeiten könnte. Anders als beim Familiennachzug für geringer qualifizierte Auswanderer, muss sie keine Deutschkenntnisse nachweisen.

Dautmammet Rejepov und seine Frau Enesh Bashimova, stolze Inhaber der Blauen Karte. (Foto: Kathrin Erdmann)
Stolze Inhaber der Blauen Karte: Dautmammet Rejepov und Enesh BashimovaBild: Kathrin Erdmann

Seit August gibt es die Blaue Karte in Deutschland - und zumindest in Hamburg stößt sie auf reges Interesse: Die Hansestadt hat bereits 163 ausgegeben. Bundesweit existieren bisher keine Zahlen. "Besonders viele wurden an Inder vergeben", sagt Birte Steller vom Welcome Center. Fachkräften wird hier in zentralen Fragen zum Aufenthalt, zur Blauen Karte und zu Fragen des praktischen Lebens geholfen. Die nachgefragten Branchen bilden die Hamburger Wirtschaft ab: "Hafen, Luftfahrt, Reedereien, Erneuerbare Energien und Computerspiele", sagt Steller.

Manchmal nur eine Fachkraft

Steller sah die Blaue Karte vor ihrem Start eher kritisch. Sie fürchtete, das Mindesteinkommen zwischen 35.000 und 45.000 Euro werde einen Anreiz für Unternehmen schaffen, auf ausländische Fachkräfte zurückzugreifen, anstatt im eigenen Land zu suchen. Noch sei es zu früh, Bilanz zu ziehen, weicht Steller kritischen Nachfragen ein wenig aus: "Das muss man jetzt beobachten, vielleicht sind die Gehälter ja auch insgesamt niedrig", sagt sie - und klingt fast ein wenig kleinlaut.

Nach einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarktforschung in Nürnberg konnten acht Prozent der Betriebe im ersten Halbjahr 2011 ihre Fachkräftestellen nicht besetzen. Das sei zwar weniger als im Jahr 2000, aber rückläufig sei der Trend insgesamt nicht. Noch könne der Großteil der Betriebe seinen Bedarf an Fachkräften decken, doch die meisten rechnen nicht damit, dass das so bleibt, schreiben die Wissenschaftler. Ein Grund dafür sei die alternde Gesellschaft. Gerade in kleineren Unternehmen könne es zum Problem werden, wenn eine Stelle über einen längeren Zeitraum unbesetzt bleibt, heißt es weiter.

Fehlende Rechtsverordnung

Birte Steller vom Hamburger Welcome Center sieht zwar die gute Nachfrage nach der Blauen Karte, findet aber, dass Deutschland noch weiter gehen könnte. So erlaubt es die dazugehörige EU-Richtlinie, den Hochschulabschluss einer mindestens fünfjährigen Berufsausbildung gleichzustellen. Doch dafür muss eine gesonderte Rechtsverordnung erlassen werden. Bisher sieht das Bundesarbeitsministerium dafür allerdings noch keinen Handlungsbedarf, wie es in einer schriftlichen Stellungnahme aus Berlin heißt.

Birte Steller, Leiterin des Welcome Centers in Hamburg. (Foto: Kathrin Erdmann)
Birte Steller, Leiterin des Hamburger Welcome CentersBild: Kathrin Erdmann

Hamburgs Arbeitssenator Detlef Scheele stellt zwar keinen akuten Fachkräftemangel in der Hansestadt fest, hält aber dennoch eine solche Rechtsverordnung für sinnvoll: "Wir müssen präventiv tätig werden", meint der SPD-Politiker. Allerdings dürften keine Berufsausbildungen "light" anerkannt werden. Gemeinsam mit anderen SPD-geführten Ländern will Scheele versuchen, das Thema nach vorn zu bringen.

Letztlich wird der Erfolg der Blauen Karte auch davon abhängen, ob es Deutschland gelingt, die Hochqualifizierten dauerhaft im Land zu halten. Dautmammet Rejepov und seine Frau Enesh Bashimova wollen sich da nicht festlegen: "Vorher haben wir in Afrika gelebt, und wer weiß, wo uns der Job noch hinführt." Denn auch das erleichtert die Blaue Karte: Reisen und Arbeiten in der Europäischen Union.