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Mehr Frieden durch Konfliktforschung?

6. März 2012

Die Zahl der Konflikte nimmt weltweit ab, zugleich werden sie aber zunehmend gewaltintensiver ausgetragen. Die deutsche Friedens- und Konfliktforschung will dies ändern.

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Sudanesische Rebellen mit Maschinengewehren sitzen auf einem Lkw (Foto: dpa)
Sudanesische Rebellen auf Patrouille (2005)Bild: picture alliance/dpa

"Wenn du Frieden mit deinem Feind schließen willst, dann kooperiere mit ihm. So wird er zu deinem Partner", sagte einst der erste schwarze Präsident Südafrikas, Nelson Mandela. Er muss es wissen, denn er hat am eigenen Leib erfahren, welche Auswirkungen ein mit Gewalt ausgetragener Konflikt haben kann.

Seit den frühen neunziger Jahren hat die Zahl der bewaffneten Konflikte weltweit abgenommen. Die Intensität der Gewalt bei der Konfliktaustragung jedoch ist angestiegen. "Seit etwa zwanzig Jahren haben wir es fast ausschließlich mit innerstaatlichen Konflikten zu tun. Meist steht eine Regierung nicht-staatlichen Gewaltakteuren gegenüber, nicht selten geht es auch um substaatliche Konflikte und Kriege zwischen rivalisierenden Warlords, Clans oder Stämmen", sagt Ulrich Schneckener, Direktor des Zentrums für Demokratie- und Friedensforschung an der Universität Osnabrück. Rebellenführer oder Warlords verfügten heute über vielfältige Möglichkeiten, sich Waffen und Rückzugsräume zu beschaffen und die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu mobilisieren.

Zerfallende oder fragile Staaten, in denen es kaum oder keine zentralstaatliche Autorität gibt, gelten als ideales Terrain für bewaffnete, nicht-staatliche Akteure. Oft verfolgen sie dabei auch wirtschaftliche Ziele und sind mit Formen transnationaler organisierter Kriminalität verwoben. Einige von ihnen bieten, so Schneckener in einem Gespräch mit der Deutschen Welle, bestimmte Dienstleistungen wie Schutz und Basisversorgung für die Bevölkerung und sind logistisch wie militärisch in der Lage, Gewaltkonflikte relativ lange durchzuhalten, wie zum Beispiel in Somalia oder auch in Teilen Nigerias.

Konfliktforschung für eine friedlichere Welt

Auch Edelgard Bulmahn, Mitglied im Unterausschuss Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit des Deutschen Bundestags, sieht eine Veränderung in der Struktur der Konflikte: "Es gibt viele Konflikte, die nicht in das traditionelle Muster von Auseinandersetzungen zwischen Ländern fallen." Heute gehe es um innerstaatliche Konflikte, Armuts- und Reichtumskonflikte, Ressourcenkonflikte oder auch um ethnische Konflikte. Für diese Auseinandersetzungen greifen die traditionellen Methoden der Konfliktlösung nicht mehr unbedingt. Ganz wichtig, so Bulmahn, sei eine umfassende Analyse der Konfliktursachen und -verläufe. Erst dann könne die Entscheidung über die geeigneten Mittel zur Beilegung fallen.

Edelgard Bulmahn (Foto: dpa)
Die SPD-Politikerin Edelgard BulmahnBild: Picture-alliance/dpa

Hier setzt die Friedens- und Konfliktforschung an. Sie entwickelt zum Beispiel Mechanismen zur Konfliktlösung. Zunächst werden die strukturellen Ursachen untersucht. Dabei gilt es, alle Facetten des Konfliktumfeldes wie wirtschaftliche, soziale, historische und religiöse Dimensionen zu berücksichtigen.

Konflikte gehören zum Alltag jeder Gesellschaft, denn sie sind wesentlich für jeglichen Wandlungs- und Entwicklungsprozess. Es gehe nicht darum, so der Konfliktforscher Schneckener, Konflikte zu verhindern, sondern das gewaltsame Austragen abzuwenden und dafür bestimmte Spielregeln in einer Gesellschaft zu etablieren. In der Theorie klingt das einfach, häufig bedarf es dazu jedoch eines erheblichen politischen und gesellschaftlichen Wandels. Ist bereits Gewalt ausgebrochen, sind solche Regeln oft nur schwer zu etablieren und müssen gegen Widerstände durchgesetzt werden.

Krisennachsorge oder Konfliktprävention?

Daher setzen Forschung und Politik immer mehr auf Konfliktprävention. Schneckener beklagt, dass die deutschen Investitionen für Konfliktnachsorge, nicht zuletzt durch den Einsatz der Bundeswehr, ungleich höher sind als die Investitionen in Konfliktprävention. Zudem überwiege noch immer ein Ad-hoc-Krisenmanagement. Die SPD-Politikerin Buhlmann, die als Ministerin für Bildung und Forschung im Jahr 2000 die "Deutsche Stiftung Friedensforschung" ins Leben gerufen hat, ist der Ansicht, dass die zivile Konfliktprävention weiterentwickelt werden muss. Vorbild seien die skandinavischen Staaten, die diese in das Zentrum ihrer Außenpolitik gerückt haben.

Ulrich Schneckener (Foto: privat)
Ulrich Schneckener, Direktor des Zentrums für Demokratie- und Friedensforschung an der Universität OsnabrückBild: privat

Zivile Konfliktprävention soll durch den Aufbau von Strukturen zum Beispiel in Justiz und Polizei, Gesundheits- und Bildungswesen gewalttätige Auseinandersetzungen vermeiden helfen. Ein Beispiel dafür ist der Sudan. Nach einem über Jahrzehnte andauernden Konflikt wurde das Land auf der Basis eines Friedensabkommens in zwei Staaten geteilt. Damit dort nicht erneut gewaltsame Konflikte ausbrechen, müssen die entsprechenden zivilen Strukturen geschaffen werden. Deutschland unterstützt diesen Stabilisierungsprozess im Sudan auch mit der Entsendung von UN-Blauhelmsoldaten und Polizisten und folgt damit auch der Strategie des 2004 verabschiedeten Aktionsplans "Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung". Darin ist dieses Themenfeld als eine Querschnittsaufgabe von staatlichen und zivilen Akteuren festgelegt. Nach dem Willen der damaligen Bundesregierung sollten Instrumente zur Krisenprävention geschaffen oder ausgebaut und kohärenter eingesetzt werden.

Der Friedensforscher Schneckener sieht jedoch ungenutzte Möglichkeiten und ist der Ansicht, dass man den Aktionsplan wesentlich intensiver ausschöpfen müsste. Der Stillstand liege zum Teil auch an der nicht ausreichenden Umsetzung in den Fachressorts. Die SPD-Politikerin Bulmahn bemängelte im Gespräch mit der Deutschen Welle ebenfalls, dass dieses politische Instrument in der jüngsten Zeit nicht ausreichend genutzt wurde.

Autorin: Sabine Hartert
Redaktion: Dеnnis Stutе