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Mehr Prävention gegen Naturkatastrophen

18. Juni 2011

Extreme Naturereignisse führen nicht überall zu gleich großen Katastrophen. Woran das liegt und was getan werden kann, um die Verwundbarkeit von Gesellschaften zu mindern – darum geht es im Weltrisikobericht 2011.

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Zerstörte Kirche nach dem Erdbeben in Haiti. (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / landov

Am 12. Januar 2010 traf ein Erdbeben der Stärke 7,0 die karibische Inselrepublik Haiti. Mehr als 200.000 Menschen starben, Hunderttausende wurden obdachlos. Nur wenige Wochen später, am 27. Februar 2010, bebte die Erde im südamerikanischen Chile. Hier erreichten die Erdstöße sogar eine Stärke von 8,8 Grad auf der Erdbebenskala, es war eines der schwersten Beben der vergangenen hundert Jahre. Trotzdem gab es in Chile mit rund 500 deutlich weniger Todesopfer als in Haiti.

Auf den ersten Blick ein Wunder. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass Chile im Gegensatz zu Haiti relativ gut auf die Katastrophe vorbereitet war. Der öffentliche Sektor arbeitet effizient, die Regierung geht gegen Korruption vor, die Vorschriften für erdbebensicheres Bauen wurden in den vergangenen Jahren stetig verschärft und – ganz wichtig – sie werden auch durchgesetzt. Außerdem wird die Bevölkerung in Trainingsmaßnahmen auf Naturkatastrophen vorbereitet.

Ein vom Tsunami aus Festland getragenes Boot liegt in den Straßen von Talcahuano. (Foto: ap)
Nach dem Erdbeben traf ein Tsunami die chilenische Küste. Dieses Boot wurde vom Wasser in die Straßen der Stadt Talcahuano getragenBild: AP

Der Vergleich zeigt: Das Katastrophenrisko in einem Land hängt nicht nur davon ab, ob Gefahr durch Erdbeben, Wirbelstürme oder Überschwemmungen besteht. Auch der Entwicklungsstand und die Regierungsführung spielen eine wichtige Rolle. "Das Risiko wird ganz wesentlich durch soziale und wirtschaftliche Faktoren bestimmt", erklärt Peter Mucke, Geschäftsführer des Bündnisses Entwicklung Hilft. "Wie leben die Menschen? Sind ihre Häuser bei einem Erdbeben einsturzgefährdet oder von Überschwemmungen bedroht? Gibt es Notfallsysteme? Wie gut ist die medizinische Versorgung? Ist die Bevölkerung auf die Bewältigung von Naturkastrophen vorbeitet?" All diese Fragen, so Mucke, würden das Katastrophenrisiko eines Landes stark beeinflussen.

Das "Bündnis Entwicklung Hilft" ist ein Zusammenschluss mehrerer deutscher Hilfsorganisationen, darunter Brot für die Welt, Medico, Miserior, Terre des Hommes und die Welthungerhilfe. Den Weltrisikobericht hat das Bündnis gemeinsam mit dem Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen in Bonn erstellt. Darin haben Hilfsorganisationen und Wissenschaftler einen Risikowert für 173 Staaten weltweit berechnet. Das Katastrophenrisiko wird als Zusammenspiel zwischen einer Naturgefahr und der Verwundbarkeit von Gesellschaften verstanden.

Sicheres Deutschland

Am größten ist die Gefahr für eine Naturkatastrophe demnach im pazifischen Inselstaat Vanuatu. Den Angaben zufolge ist dort pro Jahr fast jeder dritte Einwohner von einem extremen Naturereignis betroffen. Grund seien die häufig vorkommenden Wirbelstürme, die Erdbebengefahr sowie eine mögliche Bedrohung durch den Anstieg des Meeresspiegels. Am niedrigsten ist die Gefahr im Emirat Katar. Deutschland ist nur wenig bedroht und liegt auf Rang 150.

Ob Erdbeben oder Tsunami, Wirbelsturm oder Überschwemmung: Das Risiko, dass sich ein Naturereignis zur Katastrophe entwickelt, ist immer nur zu einem Teil von der Stärke des Naturereignisses selbst abhängig. Wesentlich sind ebenso die Lebensverhältnisse der Menschen in den betroffenen Regionen und die vorhandenen Möglichkeiten, schnell zu reagieren und zu helfen. Die Karte zeigt das weltweite Katastrophenrisiko. (Grafik: dw)
Die Karte zeigt das weltweite Katastrophenrisiko

Der Blick auf die Gefährdungsweltkarte der Studie zeigt auch: am größten ist die Gefahr von Naturkatastrophen in Entwicklungsländern. Vor allem in Staaten in Asien und Lateinamerika – darunter die Philippinen, Bangladesch, Kambodscha, Guatemala und El Salvador – besteht großes Katastrophenrisiko.

Langfristige Prävention statt kurzfristige Nothilfe

Besonders anfällig sind auch die Staaten Afrikas. Hier gibt es kaum oder nur wenig staatliche Vorbereitung zur Katastrophenbekämpfung. Der Weltrisikoindex zeige, erklärt Katrin Radtke von der Welthungerhilfe, wie wichtig die Krisenprävention sei: "Für uns war es ganz wichtig ein Instrument zu entwickeln, mit dem wir in der Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen können, dass Katastrophen, wie Dürren oder Überschwemmungen keine kurzfristigen Entwicklungen sind, sondern dass sie sich lange anbahnen. Deswegen ist es notwendig, sich langfristig damit zu beschäftigen und die betroffenen Gesellschaften zu unterstützen, die Katastrophen besser zu bewältigen."

Deutsche Entwicklungshelfer auf einer Baustelle in Äthiopien. (Foto: ap)
In Äthiopien helfen deutsche Experten, die Bauwirtschaft zu modernisieren.Bild: picture-alliance/dpa

Die Konzentration auf kurzfristige Hilfseinsätze nach Katastrophen sei zwar öffentlichkeitswirksam aber nicht wirklich zielführend, so Radtke: "Für unsere Arbeit ist es notwendig, dass wir versuchen, längerfristig in Ländern tätig zu sein." Man müsse schon im Vorfeld verhindern, dass es zu Katastrophen kommt. "Dass wäre unser großer Wunsch, dass wir auf Dauer so arbeiten können und nicht immer im Fall einer Katastrophe viel Geld zur Verfügung haben, dass wir dann schnell einsetzen müssen sondern eben längerfristig dieses Geld verplanen."

Auch Peter Mucke vom "Bündnis Entwicklung hilft" hofft auf ein Umdenken bei Medien, Politik und privaten Spendern: "Wir wünschen uns insgesamt, dass die Katastrophenvorsorge in den Medien ein größeres Gewicht bekommt und dass mehr Gelder bereit gestellt werden für die Katastrophenvorsorge, sei es von staatlicher Seite aber auch von den Spendenmitteln her." Denn Vorsorge, das habe nicht nur das schwere Erdbeben in Chile gezeigt, könne Leben retten.

Autor: Nils Naumann
Redaktion: Arne Lichtenberg