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Mehr von Merkels Europa

Christoph Hasselbach24. September 2013

Die Deutschen haben mit ihrer Wahlentscheidung auch Merkels Europapolitik bestätigt. Die europäischen Partner wollen ihre "enge Zusammenarbeit" mit der Kanzlerin fortsetzen. Trotzdem könnte sich nun einiges ändern.

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Staats- und Regierungschefs reden auf Merkel ein (Foto: dapd)
Bild: dapd

Eines steht fest: Angela Merkel war schon vor der Wahl die wichtigste Führungsfigur auf dem Brüsseler Parkett. Und nach ihrem fulminanten Wahlsieg ist ihre Position eher noch stärker geworden. Oft gegen erbitterten Widerstand hat sie Europa in der Krise auf die Devise "Hilfe gegen Reformen" eingeschworen. Und darin wird sie sich bestätigt fühlen, glaubt Janis Emmanouilidis von der Brüsseler Denkfabrik European Policy Centre: "Der grundsätzliche Kurs zu sagen, wir müssen konsolidieren, wir müssen reformieren, und Unterstützung gibt es nur für Gegenleistung, daran wird sich nichts maßgeblich ändern", sagt der Politikwissenschaftler im Gespräch mit der Deutschen Welle. Aber es werde mehr Schwung geben. Bis zur Wahl sind einige Dinge in Brüssel aufgeschoben worden, etwa die Bankenunion oder die Beantwortung der Frage, ob Griechenland noch mehr Spielraum für die Rückzahlung der Kredite bekommen soll. Die Wahl ist jedenfalls nun keine Ausrede mehr, sich um diese Themen herumzudrücken.

Manches geht leichter ohne FDP

Auch in der Europapolitik kommt es jetzt entscheidend darauf an, wer mit der Union koalieren wird. Der bisherige Koalitionspartner FDP ist eher noch strenger als Merkel mit den Krisenländern umgegangen. Sowohl die SPD als auch die Grünen, die jetzt als Partner infrage kommen, wollen dagegen die Sparpolitik abschwächen und setzen eher auf staatliche Konjunkturprogramme. Janis Emmanouilidis glaubt, dass sich eine abgemilderte Sparpolitik früher oder später ohnehin durchsetzen wird, denn: "Wenn diese Länder ökonomisch nicht wieder auf die eigenen Beine kommen, wird diese Krisenrezeptur nicht funktionieren." Und bereits vor der Wahl hatte auch die Kanzlerin erkennen lassen, dass sie bereit ist, Ländern wie Griechenland mehr entgegenzukommen. Sollte die SPD in eine Koalition einsteigen, was die meisten Beobachter für die wahrscheinlichste Möglichkeit halten, könnte die neue deutsche Regierung auch andere Dinge anstoßen, die die FDP bisher ausgebremst hat: Die Finanztransaktionssteuer wäre so ein Projekt, das die SPD mit vollem Herzen unterstützen würde.

Demonstranten mit griechischer Fahne (Foto: Reuters)
Hilfe nur gegen Reformen - Proteste in Griechenland gegen die SparpolitikBild: Reuters

Straßburg fordert eine große Koalition in Berlin

Noch zieren sich die Sozialdemokraten. Und der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen gibt im Deutsche-Welle-Interview zu bedenken: "Wir haben einmal als Juniorpartner ziemlich kräftig bezahlen müssen, von daher muss man sich das genau überlegen." Doch sein Fraktionschef in Straßburg, der Österreicher Hannes Swoboda, hat die Berliner Parteifreunde bereits ausdrücklich zum Eintritt in eine große Koalition aufgefordert: "Deutschland braucht dringend sozialdemokratischen Einfluss in der Regierung, um progressive Reformen in Europa umzusetzen." Leinen ist da zögerlicher. Er will zumindest, dass sich die SPD "teuer verkauft". Als Preis nennt er auf europäischer Ebene eine Wachstumspolitik. "Da müssen Impulse kommen für Beschäftigung und Wachstum." Sollte der nächste Finanzminister wieder Wolfgang Schäuble heißen, wird es die SPD allerdings schwer haben. Der Christdemokrat hat bereits in einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" klargestellt: "Ich bin auch für mehr Wachstum und mehr Jobs." Doch wenn beides nur durch mehr Schulden finanziert werde, sei das der falsche Weg: "Höhere Defizite sind keine Lösung, sondern verschärfen das Problem."

Der Aufstieg der AfD als Weckruf

Ohnehin steht die CDU/CSU ja auch von einer anderen Seite unter Druck: Die europakritische Alternative für Deutschland (AfD) wäre fast in den Bundestag eingezogen. Dabei wurde die Partei erst vor wenigen Monaten gegründet. Sie hält die gesamte europäische Rettungspolitik für einen Ausverkauf deutscher Interessen und will offiziell sogar die nationalen Währungen wieder einführen. Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen hält das Phänomen AfD für ein Aufklärungsproblem und ein Missverständnis: "Die Bevölkerung in Deutschland weiß ziemlich wenig über die Europapolitik und insbesondere über die Eurokrise. Frau Merkel, aber auch die anderen Parteien haben es einfach unterlassen, im Bundestagswahlkampf mit der Bevölkerung zu diskutieren und hier aufzuklären, und die AfD ist die Quittung." Viele glaubten, so Leinen, "dass Deutschland sozusagen der Verlierer ist. Doch unter dem Strich sind wir immer die Gewinner."

AfD-Spruch: "Da haben wir was angezettelt" (Foto: picture-alliance/dpa)
Die AfD hat die Politik schon jetzt verändertBild: picture-alliance/dpa

Interessant, dass es ein parteipolitischer Gegenspieler im Europaparlament praktisch genauso sieht. Markus Ferber, der Vorsitzende der CSU-Gruppe in Straßburg, warnte mit Blick auf die AfD: "Ein Ausstieg der Krisenländer aus dem Euro wäre ein unverantwortliches Risiko, das die Stabilität des Euro und den Erfolg der deutschen Exportwirtschaft aufs Spiel setzen würde." Im Europaparlament gibt es also praktisch bereits eine großkoalitionäre Haltung in diesem Punkt. Der Politologe Janis Emmanouilidis kann auch dem Aufstieg der AfD einen pädagogischen Nutzen abgewinnen: "Man wird nun mehr Druck haben, sich stärker mit der AfD und deren Positionen auseinanderzusetzen, Europapolitik besser zu erklären, zu erklären, warum gewisse Dinge getan werden müssen, und ich glaube, das ist ein Vorteil, der sich aus diesem Wahlergebnis ergibt." Diese Schlussfolgerung, Europa besser zu erklären, scheinen alle Parteien aus der Wahl gezogen zu haben.