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Mein Berlinale-Tagebuch: der zehnte Tag

21. Februar 2012

Zum Abschluß gab´s die Bären. Die 62. Berlinale ist zu Ende. Der Goldene Bär ging nach Italien. Damit hat kaum einer gerechnet. Auch Jochen Kürten nicht, wie er im letzten Teil seines Berlinale-Tagebuchs verrät.

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Jochen Kürten im Berlinale-Palast (Foto: DW/JK)
Bild: DW

Das ist manchmal so. Da sitzt man im Wettbewerb der Berlinale, schaut fast alle Filme, auch die, die außer Konkurrenz laufen, insgesamt weit über 20. Von den 18 Filmen, die sich um den Goldenen Bären beworben haben, sah ich 16. Zwei hab ich verpasst. Einer davon hat den Goldenen Bären gewonnen, "Cesare deve morire" der italienischen Regiebrüder Taviani. Das ist Pech, passiert aber. Auch anderen. Immer wieder.

Faustdicke Überraschung

Überrascht waren auch die meisten Beobachter von der Jury-Entscheidung in Sachen Goldener Bär. Die Tavianis, große Regisseure des italienischen Autorenkinos in den 70er und 80er Jahren, standen nicht auf der Favoritenliste der Kritiker. Aber es ist auch wieder keine Überraschung, dass das Votum der Jury alle überrascht. Fast immer zaubern die Jurymitglieder der Berlinale am Ende des Festivals einen Film aus dem Hut, mit dem kaum einer gerechnet hat.

Jurypräsident Mike Leigh entstammt einer nur wenig jüngeren Regiegeneration. Sein Kino ist geprägt von einem liebevollen Blick auf soziale Randexistenzen in der Gesellschaft. Auch die Tavianis waren in ihrer großen Zeit als Filmemacher, die schon einige Jahre zurückliegt, Regisseure des linksengagierten poetischen Realismus. Will man also nach Erklärungen suchen für die Entscheidung von Mike Leigh & Co., so könnte hier eine liegen. In seiner großen Sympathie für Regisseure, die ähnliche Ideale vertreten und gesellschaftlich engagierte Filme drehen.

Szene aus Cesare deve morire (Foto: Umberto Montiroli/ Berlinale)
Shakespeare im Knast: "Cäsar muss sterben"Bild: picture-alliance/dpa

Historie im Kino

Sehr zufrieden bin ich mit der Entscheidung der Jury, dem dänischen Film "Eine königliche Affäre" gleich zwei Silberne Bären zu verleihen. Das Historiendrama um den deutschen Arzt Johann Friedrich Struensee, der dem tumben König Christian VII. auf die geistigen Sprünge hilft, ist ein fulminant inszeniertes Stück Historienkino, unterhaltsam und intelligent, klug, witzig und dazu mit einer wunderschön erzählten Liebesgeschichte gewürzt. Großes Kino! Das haben viele meiner Kollegen übrigens anders gesehen. Manchmal ist man auch als Kritiker einer Jury sehr nah...

Richtig auch die Entscheidung, dem deutschen Regisseur Christian Petzold für "Barbara" den Regiepreis zu verleihen. Und auch die anderen Auszeichnungen haben nicht die falschen Filme getroffen. Zugleich sind sie auch die Bestätigung dafür, dass die Berlinale ihren Weg als politisches Festival weiter geht. Im Wettbewerb - und natürlich auch in den vielen Nebensektionen - wurden Filme gezeigt, die sich mit den Kriegen in der Welt, mit Umweltzerstörung, mit sozialem Elend und Ungerechtigkeit beschäftigt haben.

Mikkel Boe Folsgaard, Nikolaj Arcel und Rasmus Heisterberg posieren mit den Silbernen Bären (Foto: Clemens Bilan/dapd)
Darsteller Mikkel Boe Folsgaard, Regisseur Nikolaj Arcel und Co-Autor Rasmus Heisterberg (von links)Bild: dapd

Berlinale-Konzepte...

Und es waren auch viele Filme junger Regisseurinnen und Regisseure, die diesem Festivaljahrgang ihren Stempel aufgedrückt haben. Nicht auf die großen Regienamen setzt die Berlinale, da hat Cannes wohl dauerhaft die Nase vor. Doch aus der Not macht sie eine Tugend. Das ist nicht die schlechteste Entwicklung. Auch wenn der Goldene Bär dies nicht widerspiegelt in diesem Jahr. Die Taviani-Brüder haben zusammen immerhin über 160 Lebensjahre auf dem Buckel...

Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Johanna Schmeller