1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mein Deutschland: Schon wieder eine Sexismus-Debatte

Zhang Danhong4. Mai 2016

Alle paar Monate entdeckt Deutschland sein größtes Problem neu: Sexismus! Der jüngste Anlass: Justizminister Heiko Maas will künftig sexistische Werbung verbieten. Ein unnötiges Vorhaben, findet Zhang Danhong.

https://p.dw.com/p/1IhRh
Sexismus in Werbung
Bild: picture-alliance/M. Latz

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb will der SPD-Politiker dahingehend ändern, dass in Zukunft Plakate oder Anzeigen verboten werden, die Frauen oder Männer auf Sexualobjekte reduzieren.

Das mit den Männern ist allein der Vollständigkeit halber hinterhergeschoben. Denn natürlich geht es nur um Frauen. Heiko Maas will uns davor schützen, zum Objekt der männlichen Begierde degradiert zu werden. Womit wir schon wieder in die Opferrolle gedrängt werden.

Weder Opfer der Diskriminierung in China...

Aber es tut mir leid, Herr Maas, ich fühle mich gar nicht als Opfer. Eigentlich noch nie in meinem Leben. Als junges Mädchen musste ich mir in China nicht - wie meine Oma - die Füße binden, damit sie winzig klein bleiben. Tausend Jahre lang waren die deformierten "Lotusfüße" der Gipfel der Erotik für die chinesischen Männer. Mit 15 wurde ich auch nicht einem fremden Mann anvertraut, den meine Eltern standesgemäß für mich ausgesucht haben.

Zhang Danhong Kommentarbild App
DW-Redakteurin Zhang Danhong

In der Schule und an der Uni hatten Mädchen die Nase vorn. Die chinesische Volleyballmannschaft der Frauen holte sich fünfmal hintereinander den Weltmeistertitel, während die chinesischen Fußballmänner an Nordkorea scheiterten. Als Frau konnte man damals in China ein Überlegenheitsgefühl gegenüber dem anderen Geschlecht nur schwer unterdrücken.

...noch in meiner Wahlheimat Deutschland

Als ich Ende der 1980er-Jahre nach Deutschland kam, befand sich auch hierzulande die Gleichberechtigung in einem fortgeschrittenen Stadium. Um meine spätere Stelle bei der Deutschen Welle bewarben sich fast nur kompetente Frauen - eine Diskriminierung war somit gar nicht möglich. Familie und Beruf konnte ich - wenn auch anfangs unter widrigen Umständen - unter einen Hut bringen. Im Büro bin ich nun von charmanten Kollegen umgeben, zu Hause werde ich nicht von meinem Mann unterdrückt. Persönlich habe ich also beim besten Willen keinen Grund für einen Aufschrei.

Auch die jungen Frauen von heute betrachten sich mehrheitlich nicht als Opfer einer patriarchalischen Gesellschaft. In ihrer Hingabe für ein perfektes Outfit beim Abi-Ball sehen die Feministinnen vielleicht einen Verrat an ihren einstigen Idealen - für mich ist das ganz einfach eine selbstbewusste Zurschaustellung ihrer jugendlichen Schönheit. Denn wir sind nun mal das schönere Geschlecht. Warum sollen wir es verbergen?

Symbolbild Abitur Ball Feier
Der kleine Unterschied: Frauen sind einfach schönerBild: auremar/Fotolia

Wenn sich luftig gekleidete Mädels auf einer Automesse an neuen Modellen räkeln, fühle ich mich als Frau nicht diskriminiert. Schon gar nicht möchte ich sie durch halbnackte Männer ersetzt sehen. Von mir aus muss gar keine nackte Haut mit ausgestellt werden. Über guten Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Aber muss der Staat deswegen einschreiten?

Sexismus - ein schwammiger Begriff

Wenn eine Bikini-tragende Frau in der Werbung das weibliche Geschlecht angeblich auf ein Sexualobjekt reduziert, wie soll man dann in Zukunft einen Bikini bewerben? Oder Unterwäsche? Geht das ohne nackte Haut? Mir fehlt dazu die Fantasie.

Zudem ist Sexismus weiter gefasst als die bloße nackte Haut. Eine grundlos lächelnde Frau wird als naiv und unterwürfig ausgelegt und soll aus der Werbung verbannt werden. Dabei sind auch Tiere nicht von diesem Thema ausgeschlossen: Neuerdings weckt bei mir zum Beispiel das Wort "Ziege" sexuelle Assoziationen - und ich kann es nicht abstellen...

Farben können ebenfalls provozierende Wirkung entfalten. So sorgte neulich ein Parkhaus in China für Unmut unter Feministinnen, weil die Frauenparkplätze rosa markiert wurden.

Heiko Maas Bundesjustizminister
Bundesjustizminister Heiko MaasBild: picture-alliance/dpa/K.Schindler

Wenn ich sage, dass ich Heiko Maas sexy finde, habe ich ihn dann auf ein Sexualobjekt reduziert? Nach der Definition der Feministinnen wohl nicht, denn nach ihrem Verständnis besteht der Sexismus aus Vorurteilen, gepaart mit Macht. Da wir Frauen keine institutionalisierte Macht besitzen, können wir gegenüber dem anderen Geschlecht also gar nicht sexistisch sein. Moment mal: Werden wir nicht gerade von einer Kanzlerin regiert?

Ein Gesetz und ein bürokratisches Monster

Nun bin ich vollkommen verwirrt. Für klare Verhältnisse sollen nach dem Willen des Justizministers - wieder einmal - die Richter sorgen. Sie entscheiden dann, ob ein individuell empfundener Sexismus auch allgemeine Empörung hervorrufen kann und demnach die entsprechende Werbung verboten werden muss oder nicht. Das neue Gesetz wird - wie so oft - einen bürokratischen und juristischen Rattenschwanz hinter sich ziehen.

Dabei haben wir bereits jetzt einen Werberat, der Beschwerden entgegennimmt und bei geschmacklosen Anzeigen die betroffenen Unternehmen rügt. Die Werbung wird meistens zurückgezogen, wollen die Firmen doch nicht als primitiv dastehen.

Aber dabei kann es die Politik offensichtlich nicht bewenden lassen. Sie will zeigen, dass sie sich um uns kümmert, vor allem um das Wohlergehen der Frauen. Nach der Silvesternacht in Köln hat die SPD spontan das gerade begonnene Jahr zum Jahr der Frauen ausgerufen. Dieser Deklaration müssen nun Taten folgen.

Köln Übergriffe in der Silvesternacht
Hat das Gesetz mit dieser Nacht zu tun?Bild: picture-alliance/dpa/M. Boehm

Vor diesem Hintergrund gewinnt das Gesetzesvorhaben einen besonderen Beigeschmack. Indem der Minister die massenhafte Belästigung von Frauen durch die größtenteils Migranten aus Nordafrika in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext gießt, wird das Vergehen und die damit offenbarten Integrationsprobleme dieser Migrantengruppe verharmlost.

Wenn ich ihm damit Unrecht getan haben sollte, bleibt zumindest festzuhalten, dass ein Minister, der trotz voller Termine Zeit für einen solchen Unsinn hat, einfach zu viel Zeit hat.

Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!