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Politik

"Mein Sohn, Mama muss Papa finden"

Tzung-Han Tsou
10. April 2018

Seit über 1000 Tagen ist der chinesische Menschenrechtsanwalt Wang Quanzhang inhaftiert und ohne Kontakt zur Außenwelt. Der Protestmarsch seiner Frau Li Wenzu wurde von den Behörden beendet. DW hat mit ihr gesprochen.

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Li Wenzu
Bild: picture-alliance/epa/H. H. Young

Der chinesische Anwalt Wang Quanzhang gehört zu den insgesamt etwa 300 Anwälten und Aktivisten, die im August 2015 in einer konzertierten Aktion der chinesischen Sicherheitskräfte festgenommen wurden. Die allermeisten wurden inzwischen freigelassen, teilweise mit Bewährungsstrafen, einige wie der Anwalt Zhou Shifeng und der Aktivist Hu Shigen wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Wieder andere befinden sich ohne Urteil in Polizeigewahrsam, so auch Wang Quanzhang. Er vertrat Mitglieder der verbotenen Sekte Falun Gong und andere Aktivisten vor Gericht. Bis heute fehlt von ihm jedes Lebenszeichen. Klar ist nur, dass er in der ostchinesischen Stadt Tianjin hinter Gittern sitzt und wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" angeklagt wird.

Über 50 Mal haben seine Anwälte ein Treffen beantragt, erfolglos. Seine Frau Li Wenzu hatte sich am vergangenen Mittwoch von Peking aus zu Fuß auf den Weg nach Tianjin gemacht, um dort zu versuchen, etwas über ihren Ehemann herauszufinden. Dort angekommen, musste sie auf Druck der Behörden unverrichteter Dinge nach Peking zurückreisen. DW-Reporter Tzung-Han Tsou hat mit ihr gesprochen.

Deutsche Welle: Frau Li, Sie waren sieben Tage zu Fuß unterwegs, um Ihren Mann zu finden, und mussten wieder zurück nach Peking. Wie kam das?

Li Wenzu: Die Polizei hat mich gestern in Tianjin festgenommen. Aber ich kam schnell wieder auf freien Fuß. Mit zwei anderen Angehörigen von verhafteten Aktivisten ging ich ich ins Hotel zurück, wo wir erneut festgenommen wurden. Dort warteten andere Sicherheitsbeamten, die uns drei nach Peking brachten.

China - Protests in front of Tianjin No. 2
(Archiv) Li Wenzu setzt sich auf für die Freilassung des Aktivisten Liu Ermin einBild: picture-alliance/AP Photo/G. Shih

Die Polizei hat Sie aufgefordert, diese Aktion abzubrechen. Was sagen Sie dazu?

Warum muss ich ihnen etwas sagen?  Von meinem Mann fehlt seit der Festnahme vor 1000 Tagen jedes Lebenszeichen. Den Rechtsweg habe ich ausschöpfend genutzt, mit Anträgen und Verfahren, erfolglos. Was kann ich noch machen?  Es ist mein Recht und meine Freiheit, zu Fuß von Peking nach Tianjin zu gehen. Das ist nicht gegen das Gesetz. Ich will meinen Mann finden, das ist auch legal. Die Polizei hat uns illegal festgehalten. Sie haben das Gesetz gebrochen, diese Lügner. Warum muss ich den Lügnern erklären, was ich mache?

Haben Sie Ihr Ziel erreicht?

Ich will erreichen, dass meinem Mann ein fairer Prozess gemacht wird und die gültigen Gesetze Anwendungen finden.

Wie hat Ihr fünfjähriger Sohn diese Aktion begriffen?

Er erwartet nicht, dass ich es ihm erkläre. Er ist unmittelbar betroffen, dass der Vater nicht bei ihm ist. Dass zum Beispiel die Mama viel Arbeit wegen Papa hat, dass uns Sicherheitsbeamten einschüchtern und verbieten, die Wohnung zu verlassen - all das erlebt er als Junge. Er braucht keine Erklärung von mir. Es ist ihm bewusst, dass sein Papa weggesperrt und nicht zu Hause ist.

Stellt er keine Fragen?

Gewiss stellt er Fragen. Ich habe ihm erzählt, dass ich zehn Tage nicht zu Hause bin und seinen Vater finden will. Ich hatte früher den Zug genommen. Aber nun muss ich zu Fuß hin, weil ich kein Geld mehr habe. Das Kind will mit mir zusammen sein. Er sagt: "Mama, du wirst mir fehlen. Ich will mitkommen." Ich muss ihm erklären, dass es nicht gut ist, wenn er mitkommt. Mal sagt er mir, ich soll auf der Hut sein, wenn ich mich für seinen Papa einsetze. "Lass dich nicht von den Sicherheitsbeamten festnehmen", sagt er.

Das Interview wurde von Tzung-Han Tsou geführt.