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PolitikAsien

Absurder Vergleich aus Peking

HA Asien | Philipp Bilsky Kommentarbild App
Philipp Bilsky
8. Januar 2021

Peking wirft dem Westen Doppelmoral vor. Die Stürmung des US-Kapitols werde verurteilt, diejenige des Hongkonger Parlaments im vergangenen Jahr nicht. Ein absurder Vergleich, meint Philipp Bilsky.

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Washington I Sturm gegen U.S. Capitol
Bild: Samuel Corum/Getty Images

Die staatlich gelenkte chinesische Zeitung "Global Times" heftete das Video an den Anfang ihres Twitter-Feeds, um sicherzustellen, dass möglichst viele User die Botschaft erhalten: Eine Collage aus Bildern von der Stürmung des US-Kongresses kombiniert mit Bildern von der Stürmung des Legislativrats in Hongkong während der Demokratieproteste im Juli 2019. Dazu die Botschaft: "Für vergleichbare Szenen benutzen US-Politiker und Medien eine unterschiedliche Sprache". Chefredakteur Hu Xijin beklagte eine "bizarre Doppelmoral" und forderte: "Verurteilen Sie alle gewalttätigen Aktivitäten, die illegal sind."

Verfälschtes Pelosi-Zitat

In den streng zensierten chinesischen sozialen Medien freuten sich viele User über die Erstürmung des US-Kongresses. Die gewalttätigen Szenen auf dem Capitol Hill seien ein "schöner Anblick" so schrieben einige. Das war eine Anspielung auf eine Äußerung der Mehrheitsführerin der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi. Pelosi hatte sich mit diesen Worten im Juni 2019 zu Hongkong geäußert.

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Philipp Bilsky ist Leiter der DW-ChinaredaktionBild: DW/P. Böll

Allerdings zielte diese Äußerung auf eine Kerzenmahnwache zum Gedenken an den Jahrestag der Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz 1989 und nicht - wie von chinesischen Medien wiederholt falsch dargestellt - auf das destruktive Verhalten Hongkonger Demonstranten. Tweets auf dem chinesischen Portal Weibo, die die Doppelmoral westlicher Länder beklagten und Parallelen zwischen den Geschehnissen in Washington und Hongkong zogen, bekamen Tausende Likes.

Ob sich die Demonstranten in Hongkong mit den Bildern, die nach der Erstürmung des Legislativrat in Hongkong um die Welt gingen, einen Gefallen getan haben, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Und diese unterschiedlichen Meinungen waren im Übrigen in den westlichen Medien auch zu lesen. Anders als in den von der Kommunistischen Partei kontrollierten chinesischen Medien, die die Proteste in Hongkong vollkommen einseitig zeigten: als einziges Chaos. Doch noch wichtiger ist: Hier geht es um zwei vollkommen unterschiedliche Ereignisse.

Demokratie-Aktivisten gleich Demokratie-Verächter?

In Hongkong sind die Menschen auf die Straßen gegangen, weil ihre Freiheitsrechte immer stärker beschnitten wurden. Die unabhängige Justiz wurde ausgehöhlt, Presse- und Meinungsfreiheit immer stärker beschnitten, demokratische Mitbestimmung de facto abgeschafft. Am Mittwoch erst wurden in Hongkong mehr als 50 frühere Parlamentarier, Aktivisten und Bezirksratsmitglieder festgenommen. Ihre "Straftat": Sie hatten an einer Vorwahl teilgenommen, um sich im Falle eines späteren Wahlsieges mit friedlichen, demokratischen Mitteln im Parlament für ihre Interessen einzusetzen.

In Washington versuchte hingegen eine Gruppe von Menschen das US-Kapitol zu stürmen, um das Ergebnis einer als frei und fair deklarierten Präsidentschaftswahl zu kippen. Entweder, weil sie in einer Informationsblase leben, so dass faktenbasierte Nachrichten sie schon lange nicht mehr erreichen. Oder, weil sie schlicht nicht bereit sind zu akzeptieren, dass sie verloren haben.

Doppelmoral? Eine Vergleichbarkeit zwischen den Szenen in Washington und jenen in Hongkong? Absurd.