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Meinung: Der Fußballmarkt entrückt immer mehr

27. August 2021

Die Ausgaben einiger europäischer Spitzenklubs kennen keine Grenzen. Ob Transfersummen, Gehälter oder Bonuszahlungen: Es bildet sich eine Elite heraus, die ohne Rücksichtnahme ihre Ziele verfolgt, meint Jörg Strohschein.

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Fußball Champions League | FC Bayern - Paris Saint-Germain
Adieu, Paris! Angreifer Kylian Mbappé soll künftig für Real Madrid kickenBild: Alexander Hassenstein/Getty Images

Fußballfans müssen in dieser Transferphase aufpassen, dass ihnen nicht schwindelig wird. Zwar wurde in den Wechselperioden schon immer jede Menge Geld quer durch Europa für Ablösesummen, Gehälter und Bonuszahlungen hin- und hergeschoben. Aber was derzeit vorgeht, ist geradezu abstrus. Beispiele gefällig? Paris-St.-Germain-Star Kylian Mbappé wird von Real Madrid umworben. 170 Millionen Euro bieten die Königlichen. Verhandlungssache - aber natürlich nur nach oben.

Vor dem Hintergrund, dass dabei leicht ein Gesamtpaket mit Beraterhonoraren und Gehaltszahlungen von 600 Millionen Euro über Mbappés gesamte Vertragslaufzeit entstehen kann und der 22-jährige Franzose im nächsten Sommer ablösefrei zu haben wäre, eine geradezu skurrile Offerte. Zumal Florentino Perez, der Präsident der "Königlichen", nach wie vor am Wunsch nach Einführung einer Super League festzuhalten scheint, die nach Perez' Worten den gesamten Fußball in einer kritischen Situation retten soll. Perez' Klub nahm während der Corona-Pandemie übrigens einen 200 Millionen-Kredit der staatlichen Kreditgesellschaft ICO in Anspruch. Die Mannschaft ist teuer und auch der Umbau des Stadions Santiago Bernabeu musste vorangetrieben werden. Kosten: ja, genau - 600 Millionen Euro.

Dafür haben die Real-Verantwortlichen bei der Vertragsverlängerung mit Angreifer Karim Benzema Nägel mit Köpfen gemacht: Die Ablösesumme des 33-Jährigen vor Vertragsende soll nun bei einer Milliarde Euro (kein Schreibfehler) festgeschrieben worden sein.

118 Millionen Euro für wen? Jack Grealish von Aston Villa

DW-Sportredakteur Jörg Strohschein
DW-Sportredakteur Jörg Strohschein

Das wäre wohl selbst für die Scheichs aus Katar und Abu Dhabi zu viel, obwohl sie nicht dafür bekannt sind, einer überbordenden Zurückhaltung in finanziellen Dingen zu unterliegen. Die katarischen Geldgeber von Paris St. Germain haben bei der Verpflichtung von Lionel Messi zwar keine Ablösesumme zahlen müssen. Aber dafür sicherlich ein stattliches Handgeld von vielen Millionen Euro. Zudem lassen sie sich die Dienste des 34-Jährigen pro Jahr rund 35 Millionen Euro kosten. Netto, versteht sich. Plus Bonuszahlungen.

Der andere Scheich, der aus Abu Dhabi, hat sich sein Engagement bei Manchester City vor dieser Saison auch schon etwas kosten lassen. 118 Millionen Euro hat er für Jack Grealish überwiesen. Kennen sie nicht? Der 25-Jährige kommt von Aston Villa und hat zwölf Länderspiele für England absolviert. Bei der EM wurde er meistens irgendwann kurz vor Schluss eingewechselt.

Da mutet es fast ein wenig wie Fußball-Romantik an, dass Cristiano Ronaldo nicht auch noch dem Ruf des Geldes zu den Citizens folgte, sondern sich stattdessen seiner "alten Liebe" Manchester United anschloss. 

Premier League wieder weit vorne

Die Premier League, deren Klubs allesamt Privatinvestoren gehören, hat wieder einmal die höchsten Transferausgaben zu verzeichnen. Rund eine Milliarde Euro sind bislang geflossen - bei Einnahmen von etwa 500 Millionen Euro. Die Bundesliga hat dagegen bislang einen Transferüberschuss erwirtschaftet. Richtig große Transfers gab es nicht - abgesehen vielleicht von den Abgängen Jadon Sancho (zu Manchester United) und David Alaba (zu Real Madrid). Die Unterschiede zwischen den großen Ligen aus England, Spanien, Deutschland, Frankreich, Italien werden auf diese Weise immer größer.

Selbst der FC Bayern mit seinem berüchtigten Festgeldkonto und seinen hohen Gehaltszahlungen scheint vor den Fabelsummen aus England, Spanien und Frankreich kapitulieren zu müssen. Es bildet sich immer mehr eine europäische Elite heraus, die den deutschen Klubs die internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit die finanzielle Luft nimmt. Denn je früher die Bundesligavereine aus der Champions League ausscheiden, desto geringer sind auch ihre Einnahmen.

Die Entrückung des internationalen Fußballmarktes von der Realität der Gesellschaften setzt sich ungebremst fort. Offenbar konnten noch nicht einmal die riesigen Verwerfungen der Corona-Pandemie ein wenig Vernunft in den Markt bringen. Die Gier der Klubs nach Titeln und Anerkennung kennt keine Rücksichtnahme - und auch keine gesellschaftliche Verantwortung.