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Der unsägliche Tankrabatt

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Henrik Böhme
1. Juni 2022

Von diesem Mittwoch an können die Deutschen sparen: Zum einen an der Tankstelle mittels Tankrabatt, zum anderen im öffentlichen Nahverkehr mit einem Neun-Euro-Ticket. Gut gemeint, schlecht gemacht, meint Henrik Böhme.

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Eine Preistafel an einer Tankstelle
Immer weiter in die Höhe: Die Benzinpreise werden nicht so schnell wieder fallenBild: Sebastian Gabsch/Geisler/picture alliance

Am Mittwoch der vergangenen Woche - es war der Tag vor Christi Himmelfahrt und somit für viele der Start in ein verlängertes Wochenende - meldete der Verkehrsfunk für Nordrhein-Westfalen am Nachmittag fast 400 Kilometer Stau. Das ist schon rekordverdächtig. Und dann staunt man als vorwiegend Rad fahrender Beobachter und fragt sich: Spritpreise jenseits der zwei-Euro-Grenze - who cares?

Dabei ist der Benzinpreis sowas wie die heilige Kuh der Deutschen. Übersteigt er eine kritische Grenze (zwei Euro zum Beispiel) können die Schlagzeilen gar nicht fett genug und der Aufschrei nicht lauter sein. Aber dann kommt - siehe oben - ein langes Wochenende und der ganze Ärger ist vergessen. Irgendwie muss die Familie ja zur Oma kommen.

Rein theoretisch könnte sich die Familie Neun-Euro-Tickets kaufen (wenn sie Oma das nächste Mal besuchen will und diese dort wohnt, wo man mit dem Regionalzug einigermaßen hinkommt). Denn auch dieses Ticket gehört zum großen Energiespar-Entlastungspaket der Bundesregierung. Genau wie der Tankrabatt gibt es das für drei Monate. Aber die eigentlich gute Idee, die Leute dazu zu bewegen, doch mit dem Zug, der Bahn oder dem Bus zu fahren, wird konterkariert durch den absolut unsinnigen Tankrabatt.

Sinn des Tankrabatts erschließt sich nicht

Ausgerechnet die FDP, die sich als Gralshüterin der Marktwirtschaft versteht und staatliche Eingriffe in den Markt normalerweise verabscheut wie der Teufel das Weihwasser, ausgerechnet die Liberalen also haben den Tankrabatt erfunden und durchgepeitscht in der Ampel-Koalition gegen Grüne und Sozialdemokraten. Gleichzeitig bemüht sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, im Nebenberuf Bundesfinanzminister, klarzumachen, dass dies alles eine große Ausnahme sei, dass es mit dem Schuldenmachen jetzt vorbei sein müsse und Stimulus-Pakete eher die Inflation fördern und somit dringend beendet werden müssten.

Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion
Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Was also soll der Lindner-Scheck an der Tankstelle? Eigentlich will die Politik das Tanken teurer machen, damit weniger Leute mit dem Auto fahren. Deswegen wurde zu Beginn des Jahres 2021 eine CO2-Steuer als eine Art Umweltabgabe eingeführt mit dem erklärten Ziel, das Verfeuern fossiler Brennstoffe zu verteuern. Natürlich hatte damals niemand auf dem Schirm, in welche Richtung sich die Welt weiterdrehen würde, vor allem nicht, dass ein Krieg Europa erschüttern würde, geführt von einer Rohstoffmacht.

Freilich ist die russische Aggression in der Ukraine nicht die einzige Ursache für gestiegene Energiepreise. Schon seit vielen Monaten kennen die Preise für Öl und Gas nur eine Richtung - nach oben. Das hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun und der verstärkten Energie-Nachfrage, weil sich die Weltwirtschaft nach dem Corona-Schock mehr oder weniger in allen Weltregionen zeitgleich erholte.

Infografik Aufschlüsselung deutscher Benzinpreis

And the winner is.....

Nun aber die Leute an die Tankstelle zu locken, in dem man für drei Monate die Gesetze des Marktes aushebelt, ist einfach nur populistisch. Wie soll man der Regierung noch glauben, dass sie es mit dem Klimaschutz ernst meint, sollten die Energiepreise demnächst noch weiter steigen? Dann hätte man doch lieber die drei Milliarden Euro, die der Spaß kostet, dafür benutzt, das Nahverkehrs-Ticket komplett kostenlos auszugeben. Denn das Interesse scheint groß zu sein - kurz vor dem Start an diesem Mittwoch waren über sieben Millionen Tickets verkauft.

Dass aber jetzt der geringverdienende Steuerzahler den besserverdienenden SUV-Fahrer an der Tankstelle subventioniert, kann ja wohl nicht ernst gemeint sein. Wenn schon Tankgutscheine, dann sozial gestaffelt und nicht mit der Gießkanne verteilt.

Am Ende ist sowieso klar, wer die Gewinner sind: Nämlich die Mineralölkonzerne. Die verdienen schon beim derzeitigen Preisniveau prächtig (nach aktuellen Zahlen von Greenpeace 107 Millionen Euro - pro Tag) und dürfen für die nächste Jahresbilanz schon mal die ganz großen Geldkoffer beiseite stellen. Denn Energie, in welcher Form auch immer, wird auf absehbare Zeit teuer bleiben. Wer die Leute mit einem Tankrabatt an die Zapfsäulen lockt, darf sich darüber nicht beschweren.            

Wie der Krieg in der Ukraine das Autofahren verteuert

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58