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Funkstille im Wahlkampf

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Melina Grundmann
10. September 2021

Eigentlich müsste die Digitalisierung eines der Top-Themen des Wahlkampfes sein. Diese Chance wurde bisher - wieder einmal - verpasst, meint Melina Grundmann.

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 IT-Techniker steckt ein Glasfaserkabel in einen Server, an dessen Rückseite ein großes Kabelgewirr herrscht
In Sachen Digitalisierung ist noch viel zu tun in DeutschlandBild: Westend61/imago images

In der Corona-Krise wurde das Thema Digitalisierung in Deutschland so greifbar wie selten zuvor: langsames Internet im Homeoffice, holpriger Start des Digitalunterrichts an den Schulen, und Unternehmen, die noch lange nicht auf digitale Strukturen ausgelegt sind.

Spätestens jetzt müsste jedem klar geworden sein: Hier muss sich dringend etwas tun, Deutschland muss digitaler werden! Das haben natürlich auch die Parteien in ihre Wahlprogramme geschrieben. Doch wirklich zur Sprache kommt es bisher nicht.

Auf dem vorletzten Platz in Europa

In ihrer wahrscheinlich letzten Rede vor dem Bundestag sagte Angela Merkel vor wenigen Tagen: "Neben dem Klimawandel ist es vor allen Dingen die Digitalisierung, die unser Leben vollkommen verändert."  Man habe "entscheidende Fortschritte" erzielt, zwar gäbe es noch ein paar "kleine Schwierigkeiten" und "graue Flecken", aber im Großen und Ganzen sei alles ganz gut. 

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DW-Redakteurin Melina GrundmannBild: privat

Ganz gut?! Im Großen und Ganzen? In welchem Land lebt die Kanzlerin? 

Erst vor wenigen Tagen kam ein neues Ranking heraus, das die Fortschritte der jeweiligen Staaten in Sachen Digitalisierung vergleicht. Deutschland landete darin auf dem vorletzten Platz innerhalb Europas, Tendenz sinkend. Schlechter schnitt nur noch Albanien ab. Das muss man erstmal sacken lassen. Und man fragt sich, welche Fortschritte Merkel meint.

Jetzt jetzt wird der Turbo gezündet!

Im ersten TV-Triell, in dem sich die Kanzlerkandidatin und -Kandidaten zum Schlagabtausch trafen, wurde das Thema genau null Mal erwähnt. Dabei hatte CDU-Kandidat Armin Laschet doch schon zu Beginn des Wahlkampfes gesagt, es sei ihm ein dringendes Anliegen, die Digitalisierung voranzutreiben.

Immerhin hat er dafür jetzt ein Digitalteam ins Leben gerufen. Angeführt von Dorothee Bär, der Digitalstaatsministerin im Kanzleramt. Kürzlich hat eben jene angekündigt, nun nach der Wahl einen "digitalen Turbo" zünden zu wollen. Ach so. Hat sie die vergangenen drei Jahre im Amt nur die Zündschnur verlegt? Oder wie erklärt sie sich, dass viel zu wenig passiert ist? Und vor allem: Wie glaubwürdig ist es dann, dass ab jetzt mehr passiert?

Dorothee Bär und ihre österreichische Amtskollegin Margarethe Schramböck mit einer überlebensgroßen Super-Mario-Figur bei der Messe Gamescom 2018.
Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (re.) ist bisher vor allem durch Show-Auftritte bekannt gewordenBild: picture-alliance/SvenSimon/M. Ossowski

Viele Floskeln - wenig dahinter

Im Grünen Wahlkampf-Programm heißt es "Wir gestalten die Digitalisierung". Die Grünen bezeichnen Bär als "blass". Sie bemängeln die ineffektiven Strukturen in der bisherigen Digitalpolitik, haben aber selbst bisher kaum Vorstöße vorzuweisen. So enthielten sich die Grünen beispielsweise in der Bundestags-Abstimmung zum Online-Personalausweis, der den Identitätscheck künftig mit dem Smartphone möglich machen soll.

SPD-Kandidat Olaf Scholz erklärte jüngst die Digitalisierung sogar zur Chefsache. In einem Interview betonte er, in Sachen Digitalisierung müsse die Politik "härter, klarer, und fordernder" agieren. Doch Haltung ist die eine Sache, wirklich innovative Ideen und Konzepte die andere. Scholz‘ Worte klingen bisher mehr nach Worthülsen, als nach konkreten Handlungsvorschlägen. 

Die Pandemie hat bei der Digitalisierung in Deutschland eklatante Lücken enttarnt. Ob das Thema nach der Wahl mit dem nötigen Elan angepackt wird? Ich wage das zu bezweifeln. Mal sehen, ob es im nächsten Triell am Sonntag überhaupt Erwähnung findet.