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GesellschaftNahost

Katar und LGBTQ - ein falsches Spiel

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
9. November 2022

Katars WM-Botschafter nennt Homosexualität einen "geistigen Schaden". Das offenbart: Viele Versprechen der Kataris zur angeblichen "Offenheit und Toleranz" während der WM waren nur Lippenbekenntnisse, meint Joscha Weber.

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Fußballweltmeisterschaft 2022: Das Ahmad Bin Ali Stadion in Ar-Rayyan (Foto: Qatar's Supreme Committee for Delivery and Legacy / AFP)
Die Stadien sind bunt - und das Land auch? Katar und sein falsches Spiel mit der LGBTQ-CommunityBild: Qatar's Supreme Committee for Delivery and Legacy/AFP

Kürzlich machte ein Poster im Netz die Runde. Darauf abgebildet: diverse Verhaltensregeln in Katar (hier archiviert). Verboten seien demnach im Wüstenstaat unter anderem: Alkohol, Dating und Homosexualität. Schnell wurde klar: Das Poster stammt nicht von der Regierung Katars, sondern von einer Bürgerbewegung in Katar, die Ausländern lokale Sitten vermitteln will. Die WM-Organisatoren Katars distanzierten sich eilig: Das Poster stamme nicht aus einer offiziellen Quelle und enthalte "faktisch falsche Informationen", hieß es in einem Statement. "Katar war immer eine offene, tolerante und freundliche Nation." Wirklich?

Nein. Faktisch richtig ist: Katar stellt öffentlich gezeigte Homosexualität unter Strafe. "Nicht weniger als ein Jahr" Gefängnis sieht das katarische Strafgesetz für "Homosexualität zwischen Männern und sexuelle Ausschweifungen" im Artikel 296 zu "Aufstachelung zur Unsittlichkeit, Sittenlosigkeit und Prostitution" vor.

In Katar sind eben nicht alle Fans willkommen

Homosexuelle können - so sie entdeckt werden - strafrechtlich verfolgt werden, katarische Hotels lehnen homosexuelle Paare teilweise ab und im katarischen Fernsehen machen Moderatoren homophobe Äußerungen bis hin zur Androhung der Todesstrafe für Homosexuelle - wundert es da eigentlich noch jemanden, wenn sich dann auch Offizielle homophob äußern? Eigentlich nicht.

DW-Redakteur Joscha Weber (Foto: DW)
DW-Redakteur Joscha Weber: "Katar gibt sich modern, diskriminiert aber weiterhin Menschen."

Und doch ist der internationale Aufschrei groß nach den Aussagen des katarischen WM-Botschafters und früheren Nationalspielers Khalid Salman, der in einem ZDF-Interview folgendes sagte: Schwulsein sei "haram", also verboten, und "ein geistiger Schaden". Tolerant? Nein, in Katar sind eben nicht alle Fans willkommen.

Und das wissen eigentlich auch alle: die FIFA, die Politik, die Medien. Und doch sind jetzt alle schockiert. Dabei weisen Organisationen wie Human Rights Watch (HRW) schon lange auf massive Menschenrechtsverletzungen in Katar hin. Kürzlich berichtete HRW über LGBTQ-Personen in Katar, die in Haft misshandelt wurden. Wenn der Emir von Katar sagt, wie kürzlich bei einem Termin mit Bundeskanzler Olaf Scholz, dass in Katar "alle Menschen willkommen" seien und dann nachschiebt: "Wir erwarten Respekt für unsere Kultur", so heißt dies nichts anderes, als dass eben doch nicht alle so kommen dürfen, wie sie sind. Und dass die deutsche Bundesregierung kaum kritische Töne anschlägt, dürfte auch damit zusammenhängen, dass man sich in Sachen Gasimporte gerade in eine neue Abhängigkeit begibt, die Katar bereits als Druckmittel nutzt.

Frauen als "verpackte Süßigkeiten"?

Katar spielt ein falsches Spiel. Nach außen hin zeigt man sich gern als moderner, aufstrebender Staat, der gewiss auf einen Prozess der Transformation in den vergangenen Jahren verweisen kann. Aber Katar diskriminiert noch immer Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung. Und übrigens auch wegen ihres Geschlechts. Nicht anders ist eine weitere Szene aus der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar" zu verstehen, in der Vertraute des katarischen WM-Botschafters Frauen mit "Süßigkeiten" vergleichen, die man lieber "verpackt" genieße, das heißt mit Kopftuch, als unverpackt.

ZDF Journalist und Sportmoderator Jochen Breyer in Gespräch mit Khalid Salman, WM Botschafter (Foto: ZDF/Mateusz Smolka)
Aussagen, die tief blicken lassen: WM-Botschafter Khalid Salman im Interview mit Sportmoderator Jochen BreyerBild: Mateusz Smolka/ZDF

Wird diese WM wirklich die Situation der Menschenrechte in Katar verbessern? Wird, wenn einmal der Ball rollt, wirklich noch jemand darüber sprechen, abgesehen von einigen westlichen Medien? Und wird nach der WM wirklich etwas getan für die LGBTQ-Community, die Frauen oder die Gastarbeiter im Land? Es bleiben Zweifel.