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Politik

Sind die USA noch eine liberale Demokratie?

Kamerun Journalistin Mimi Mefo
Mimi Mefo
5. November 2020

Dass Politiker "Wahlbetrug!" rufen und Ergebnisse nicht anerkennen, kennt man eigentlich nur aus autoritären Staaten. Nun erleben wir das auch in den USA, die sich bisher für ein Vorbild hielten, wundert sich Mimi Mefo.

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US-Wahlen 2020
Bild: Andrew Kelly/REUTERS

Praktisch jeder Aspekt der US-Außenpolitik der vergangenen Jahrzehnte, ob gut oder schlecht, war von zwei Idealen getrieben: der Errichtung einer liberalen Ordnung nach amerikanischem Vorbild und der Förderung demokratischer Werte.

Die USA rechtfertigten ihre Kriege in Vietnam, Irak, Afghanistan und Libyen stets mit der Behauptung, dass sie der Gralshüter demokratischer Werte seien, die sie weltweit fördern und schützen müssten.

Grundlegende Werte stehen auf dem Spiel

Genau diese demokratischen Werte stehen jetzt auch in den Vereinigten Staaten selbst auf dem Spiel. Dass Präsident Trump sich schon vor der Wahl weigerte, verbindlich zuzusagen, dass er eine mögliche Niederlage auch anerkennen und akzeptieren werde, zeigt eine besorgniserregende Perspektive für die Zukunft der liberalen Demokratie auf.

Kamerun Journalistin Mimi Mefo
DW-Redakteurin Mimi Mefo stammt aus KamerunBild: Mimi Mefo

Solch ein Denken und Handeln kennt man eigentlich nur aus afrikanischen Ländern oder aus den Teilen der Welt, in denen die USA seit Jahrzehnten behaupten, unermüdlich daran zu arbeiten, zu "lehren", was es heißt, demokratisch zu sein.

Viele werden sich an Trumps sehr wenig schmeichelhafte Bemerkungen über eine Reihe von Ländern in Afrika und ihre Werte erinnern. Wir sprechen also ganz klar über Doppelmoral. Ich erinnere mich zum Beispiel an das Jahr 2018, als Simbabwe nach den Wahlen eine Welle der Gewalt erlebte. Die damalige Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, gefiel sich damals mit dem Hinweis, dass die Wahlen "dem Land eine historische Chance boten, die politische und wirtschaftliche Krise der Vergangenheit zu überwinden und einen tiefgreifenden demokratischen Wandel herbeizuführen".

Alte Staatschefs - bisher ein Kennzeichen Afrikas

Abgesehen von den Betrugsvorwürfen und der von vielen befürchteten Gewalt nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses scheinen die USA auch einem anderen Trend zu folgen, der bisher nur in weniger etablierten Demokratien zu beobachten war: Wie auch immer die US-Wahl am Ende ausgehen mag - dieses Mal wird das erste Mal sein, dass jemand ins Weiße Haus einzieht, der über 75 Jahre alt ist. Sollte Biden gewinnen, wird er schon jenseits der 80 sein, wenn seine erste Amtszeit endet. Bisher war es ein Privileg vieler afrikanischer Führer, sich auch in einem Alter noch an die Macht zu klammern, in dem sie als Politiker längst in den Ruhestand treten sollten.

Die USA könnten leicht in freien Fall geraten, wenn die Dinge sich so entwickeln, wie Trump sie seit geraumer Zeit andeutet: Wenn er sich weigert, seine eventuelle Niederlage einzugestehen, weil er seinen Gegnern Betrug vorwirft. Sollte er jedoch als Sieger aus der Wahl hervorgehen, drängt sich natürlich die Frage auf, ob er selbst nur aufgrund eines Betrugs, mit dem er ständig hausieren gegangen ist, gewonnen hat.

Egal wer gewinnt - ein bitterer Beigeschmack bleibt

Die Grundprinzipien der liberalen Demokratie werden daher allein schon durch die Art und Weise, wie der Wahlkampf und die Zeit seit der Schließung der Wahllokale in den USA verlaufen sind, ernsthaft in Frage gestellt - unabhängig davon, wer am Ende gewinnt.

Wenn Afrikaner in aller Welt dieses Drama beobachten, das sich vor ihren Augen abspielt, dann erkennen sie, was eine echte Demokratie ausmacht. Wie für viele meiner afrikanischen Bekannten und Kollegen haben die Vorgänge rund um diese Wahl auch für mich schon jetzt einen bitteren Beigeschmack.