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Politik

Meinung: Trumps letzte Chaostage

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Ines Pohl
7. Januar 2021

Der Noch-US-Präsident und seine Helfer sind dafür verantwortlich, dass ein Mob das Kapitol in Washington gestürmt hat. Das Ende von Donald Trumps Zeit an der Macht kann gar nicht früh genug kommen, meint Ines Pohl.

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Trump-Anhänger am Mittwoch im Kapitol
Trump-Anhänger am Mittwoch im KapitolBild: Manuel Balce Ceneta/AP Photo/picture alliance

Donald Trumps Angriff auf das demokratische System hat seinen Höhepunkt erreicht. Seine skandalöse Verschwörungserzählung von der gestohlenen Wahl, die er auch am Mittwochmorgen wiederholte, hat seine treuesten Anhänger zu einem Putschversuch verleitet.

Es besteht kein Zweifel, dass Trump für die Eskalation am Kapitol die volle Verantwortung trägt. Er hat sie alle angestachelt: weiße Nationalisten, Verschwörungstheoretiker und Online-Bürgerwehren. Und viele folgten dem Ruf in die Hauptstadt und ließen aus den Worten Taten werden.

Verheerendes Signal

Die Vereinigten Staaten waren seit Generationen leuchtendes Vorbild, wenn es um Demokratie und den damit verbundenen, geordneten Machtwechsel ging. Aber Trump hat dem Rest der Welt gezeigt, dass auch das US-System fragil ist.

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Ines Pohl leitet das DW-Studio in WashingtonBild: DW/P. Böll

Das Problem wurde nicht allein von Trump verursacht. Die Helfer um ihn herum, die seine Rhetorik stets als harmlose Übertreibungen und Online-Getöse abgetan haben, sind ebenfalls schuldig. Zu ihnen gehören die zwölf Senatoren und mehr als hundert Abgeordnete des Repräsentantenhauses, die die Wahlergebnisse vom November infrage gestellt haben. Sie haben nichts getan, um den Fluss von Falschinformationen und das Chaos zu stoppen.

Die Republikaner haben zugesehen, wie ein Präsident mit autokratischen Zügen ihre Partei kontrolliert und sie haben ihm gestattet, eine Regierung zu bilden, die nur für ihn und nicht für die Menschen im Land arbeitet.

Der Präsident schaut tatenlos zu

Während im US-Kapitol die Demokratie angegriffen wurde, saß Trump im Oval Office und beobachtete die von ihm initiierte Zerstörung im Fernsehen. Es dauerte Stunden, bis er eine Erklärung abgab und seinen Mob freundlich bat, "friedlich" zu sein und den Teilnehmern, die gerade ihre entsetzliche Missachtung der Demokratie demonstrierten, sagte, dass er sie "liebt" und glaube, dass sie "besonders" seien.

Nur wenige Tage vor der Vereidigung des gewählten Präsidenten Joe Biden sieht es so aus, als ob Trump plant, seine Partei zu zerstören und damit auch die Grundlagen der Demokratie. Er hat begonnen, einige seiner treuesten Befürworter, wie Vizepräsident Mike Pence, anzugreifen. Trump hat klargemacht, dass aus seiner Sicht der einzige gute Republikaner einer ist, der ihn bis zum Ende verteidigt. Diese Art von Sprache hat sich in konservativen Medien und sozialen Netzwerken ausgebreitet und zu den Auflösungserscheinungen geführt, die wir in Washington sahen. Trump kümmert sich offensichtlich nicht um die Republik, für die er verantwortlich ist - er würde sie lieber zerfallen sehen, wenn er nicht ihr Führer sein kann.

Doppelmoral der Polizei

Die Polizei des Kapitol, die für den Schutz des Kongresses, der Abgeordneten und der Mitarbeiter im Gebäude verantwortlich ist, hat versagt. Die Randalierer konnten weitgehend unbehelligt die Senats-Etage stürmen, Fensterscheiben einschlagen und sogar das Büro der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, betreten.

Anfang des Jahres, als "Black Lives Matter"-Demonstranten durch Washington marschierten, sahen sie sich Tränengas, Schlagstöcken und einem empörten Präsidenten gegenüber, der forderte, dass die friedlichen Bürger, die lediglich ihre Grundrechte ausübten, eingesperrt werden. Es gibt eine klare Doppelmoral: Wenn sie weiß sind und Trump unterstützen, sind sie Patrioten. Wenn nicht, sind es gefährliche Anarchisten, die man mit Tränengas bekämpfen und wegsperren muss.

Wir sehen den letzten Akt eines Präsidenten, der die Menschen, die ihn als ihren Führer sehen, zu Gewalt  angestachelt hat. Der Übergang von der Trump- zur Biden-Administration kann nicht früh genug kommen.

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl