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Politik

Spirale der Gewalt in der Elfenbeinküste

DW Französisch Frejus Quenum
Frejus Quenum
3. November 2020

Die Wahlkommission hat Präsident Ouattara einen grandiosen Sieg bescheinigt. Kein Wunder - die Opposition hatte die Wahl ja boykottiert. Der Elfenbeinküste stehen unruhige Zeiten bevor, meint Frejus Quenum.

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Elfenbeinküste | Präsidentenwahl |  Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei
Gewalt bereits vor der Wahl - ausgebrannter Bus unter einem Wahlplakat des alten und neuen Präsidenten in AbidjanBild: Luc Gnago/REUTERS

Die Würfel sind gefallen. Man muss nicht erst abwarten, bis der ivorische Verfassungsrat über das vorläufige Wahlergebnis vom 31. Oktober entschieden hat - er wird den Sieg von Alassane Ouattara bestätigen. Es ist derselbe Rat, der bereits am 14. September die umstrittene Kandidatur des 78-jährigen Ouattara für eine dritte Amtszeit bestätigt hat und damit die Abkehr vom politischen und institutionellen Geist der neuen Verfassung von 2016.

Schon mit jenem Entscheid waren die Würfel gefallen für einen neuen Kreislauf der Gewalt in Côte d'Ivoire: verbaler und - noch viel schlimmer - physischer Gewalt. Das Krisenszenario ist bereits perfekt: Noch bevor das Wahlergebnis verkündet war, behaupteten die Gegner Ouattaras (darunter der ehemalige Präsident Henri Konan Bédié), regierungstreue Kräfte hätten ihre Privathäuser mit "schweren Waffen" angegriffen. Bewaffnete Angriffe auf die Führer der Opposition? Für die eigenen Anhänger klingt das wie eine Kriegserklärung.

Die Opposition bildet eine Parallelregierung

Mit der Verkündung des Wahlsieges von Ouattara drehte sich die Spirale weiter: Nun erklärte die Opposition, sie erkenne die Legitimität der Regierung nicht mehr an. Sie bildete einen "Nationalen Übergangsrat", eine Parallelregierung. Der Machtkampf wird weiter auf die Spitze getrieben.

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DW-Redakteur Frejus QuenumBild: DW/M. Müller

Die Eskalation birgt erhebliche Risiken für die Opposition. Ihre Strategie, den umstrittenen Wahlgang zu boykottieren, war relativ erfolgreich. Die Wahlen fanden dennoch statt und es kam zu einzelnen Zusammenstößen, bei denen vor allem Ivorer aus den unteren sozialen Schichten ihr Leben verloren. Schlimmeres verhinderten die Behörden, indem sie die Ordnungskräfte anwiesen, nicht auf die Demonstranten zu schießen.

Das größte Risiko besteht darin, mit der Schaffung einer Schattenmacht den Bogen zu überspannen. Diese Strategie muss scheitern, weil sie dem Präsidenten die Gelegenheit bietet, der Opposition Eskalation und Destabilisierung der Institutionen vorzuwerfen. Er könnte damit eine Verhaftungswelle maßgeblicher Oppositioneller rechtfertigen und den Aufschwung der Regierungsgegner ausbremsen.

Keine Stabilität in Sicht

Weder die Oppositionstaktik noch eine rigide Gegenstrategie des Präsidenten werden Frieden bringen. Selbst wenn es Ouattara nun geschafft hat, sein drittes Präsidententicket zu lösen - Stabilität bedeutet dies nicht. Im Gegenteil, die nächsten fünf Jahre werden turbulent. Die gesellschaftlichen Wunden, die durch die Krise nach der Wahl 2010/2011 verursacht wurden, haben sich inzwischen weiter vertieft.

Ouattara hat seine erneute Kandidatur als "Opfer für die Elfenbeinküste" dargestellt. Was für ein seltsames Opfer, wenn rund 30 Ivorer dafür ihr Leben verlieren mussten! Sein drittes Mandat gerät zum Blutbad. Und seine Chance, mit einem ehrenvollen Abgang nach zwei Amtszeiten zum Vorbild auf dem gesamten Kontinent zu werden, hat er vertan. Er hat seine persönlichen sowie die Interessen einiger Scharfmacher seiner Partei RHDP in den Vordergrund gestellt.

Niemand kann dem Präsidenten gefährlich werden

Anders als bei der Krise vor zehn Jahren ist keine militante Kraft in Sicht, die dem Präsidenten gefährlich werden könnte. Der ehemalige Premierminister im Exil, Guillaume Soro, der 2011 eine entscheidende Rolle bei der Machtergreifung Ouattaras spielte, hat nicht mehr die gleiche Stärke. In den vergangenen Jahren wurden mehrere seiner Verbündeten verhaftet. Waffen wurden beschlagnahmt. Seine Drohung, die Wahl zu verhindern, löste zwar innerhalb der Regierung eine kurze Panik aus, blieb aber folgenlos. Gegen Soro selbst liegt ein Haftbefehl vor. Und über seinen ethnischen Einfluss hinaus stellt er kaum noch eine Gefahr für die Regierung dar. Reformen innerhalb der Armee schützen Ouattara zudem vor Meutereien und Unruhen wie 2017.

Gegenüber einer derart gestärkten Regierung muss sich die Opposition profilieren, um ihr Überleben zu sichern. Kein Wunder also, wenn sie nun regelmäßig Demonstrationen organisiert und zum zivilen Ungehorsam aufruft. Nur so kann sich die Opposition im Vorfeld von Verhandlungen Gehör verschaffen.

Es geht nur mit nationalem Dialog

Präsident Ouattara wird nicht umhin kommen, einen nationalen Dialog zu organisieren. Er hat dies bereits angekündigt. Und die internationale Gemeinschaft wird darauf drängen, dass dieser Dialog vor den nächsten Parlamentswahlen stattfindet. Die Ecowas, die Afrikanische Union und die Europäische Union haben unisono zum Dialog aufgerufen.

Es gibt keine Alternative zu diesem Szenario, um die Krise zu beenden. Nur so kann Ouattara ein Wiederaufflammen der Gewalt verhindern, die das ansehnliche Wirtschaftswachstum der Elfenbeinküste bremsen und eine ganze, von Terror bedrohte Region schwächen würde.