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Michael Haneke: Der Meisterregisseur wird 80

Jochen Kürten | Torsten Landsberg | Silke Wünsch
23. März 2022

Goldene Palmen und ein Oscar, Golden Globes, Europäische und Deutsche Filmpreise: Kaum ein Regisseur dürfte mehr Auszeichnungen für seine Filme erhalten haben. Michael Haneke ist jetzt schon eine Regielegende.

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Michael Haneke hält die Auszeichnung Goldene Palme hoch und lacht.
Bild: Reuters

Die große Karriere war nicht abzusehen. Dass einer, der als Fernseh-Dramaturg bei einer deutschen Fernsehanstalt angefangen und dort ein paar TV-Filme inszeniert hat, irgendwann einmal zu den ganz wenigen Regisseuren gehören sollte, die zwei Goldene Palmen in Cannes gewinnen, hätte wohl niemand vorauszusagen gewagt. Und dann kam auch noch ein Oscar. Und Golden Globes. Und Europäische Filmpreise fast im Dutzend.

Michael Haneke kann sich vor Ehrungen in den vergangenen Jahren kaum retten. Erst als Kinoregisseur habe er aber zu seinem ganz eigenen Stil gefunden, hat Haneke einmal selbst seine "zweite Karriere" charakterisiert. Seit 1989 inszeniert der österreichische Filmregisseur und Drehbuchautor, der am 23. März 1942 in München geboren wurde, für die große Leinwand. 

Mit elf Filmen im Kino-Olymp

Nahaufnahme von Michael Haneke mit Isabelle Huppert
Michael Haneke mit Isabelle Huppert in Cannes 2012 Bild: Getty Images

Elf Filme hat er seither gedreht. Wer seinen Erstlingsfilm "Der siebente Kontinent" damals gesehen hat, der dürfte den Film kaum vergessen haben. Mit einer schonungslosen Intensität, die kaum erträglich ist, hat Haneke sein Debüt auf die Leinwand gemeißelt: Eine Familie, die wissentlich in den Selbstmord geht - das geht beim Sehen an die Nieren eines jeden Zuschauers.

Auch die folgenden Filme waren von einer unterkühlten Intensität, messerscharf in der Analyse, fast mitleidslos den eigenen Protagonisten gegenüber. Michael Haneke erzählt seine Geschichten auf der Leinwand wie auf dem Seziertisch eines Pathologen. "Es ist die Wahrheit, schaut her", scheint er seinen Zuschauern zuzurufen. "Das Leben ist nun einmal so, wie ich es zeige". Ablenkung und Weltenflucht, das ist nicht die Sache des Michael Haneke, glatte Oberflächen nicht sein Ding.

Auch in den USA hat der Österreicher schon gearbeitet

Umso erstaunlicher, dass Haneke für die Neuverfilmung seines Films "Funny Games" 2007 nach Hollywood ging und das Remake selbst inszenierte. Doch der Meister ließ sich vorher zusichern, dass er auch in den USA den "Final Cut" haben würde. Einem Haneke redet keiner rein - das war für den Regisseur auch in den Vereinigten Staaten erste Voraussetzung für die dortige Arbeit. Und doch gehörte "Funny Games U.S." dann nicht zu seinen stärksten Arbeiten.

Regisseur Michael Haneke in Beverly Hills
Regisseur Haneke nach der Oscarübergabe für "Liebe" 2013 in Los Angeles Bild: Reuters

Doch Haneke konnte das sicher verschmerzen, einen Oscar haben die Amerikaner ihm später immerhin noch verliehen: "Liebe" mit Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva in den Hauptrollen ist eine bewegende Geschichte über zwei alte Menschen, die ein Leben lang zusammen waren und die nun ahnen, dass irgendwann Schluss ist. Für diesen Film erhielt Haneke 2013 die goldene Statuette.

Triumph mit Gesellschaftsanalyse

Drei Jahre zuvor feierte seine Analyse der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in dem Film "Das weiße Band" große Erfolge bei Festivals, Preisverleihungen und in den Kinos.

Haneke gehört heute zum kleinen, feinen Kreis derjenigen Regisseure, die zweimal in Cannes triumphieren konnten und zwei Goldene Palmen zu Hause stehen haben. Sicher wird er stolz sein auf diese weltweite Anerkennung, die all die Auszeichnungen symbolisieren, doch darf man vermuten, dass es diesem Regisseur nicht um goldene oder silberne Figuren für den Vitrinenschrank geht.

Haneke sitzt mit Trintignant am Tisch, Riva steht in der Mitte zwischen den beiden.
Haneke mit seinen "Liebe"-Darstellern Emmanuelle Riva und Jean-Louis TrintignantBild: picture-alliance/dpa

Haneke ist ein Intellektueller mit analytischem und scharfem Geist, der sich wahrscheinlich mehr über die Begeisterung eines anspruchsvollen Publikums in den Kinosälen freuen wird als über ein Defilee auf dem roten Teppich.

Haneke thematisiert Flüchtlingstragödie

Sein letzter Film "Happy End" kam 2017 in die Lichtspielhäuser. Zu sehen sind auch in diesem Film die bewährten Haneke-Schauspieler Isabelle Huppert und Jean-Louis Trintignant sowie erstmals Mathieu Kassovitz. Erzählt wird die Geschichte eines Paares, das im nordfranzösischen Calais wohnt und sich mit der dortigen Flüchtlingstragödie auseinandersetzen muss. Ein Thema, das leider immer aktuell bleibt.

Seit dieser Arbeit sammelte der Regisseur weitere Auszeichnungen. 2018 erhielt er den französischen Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste sowie den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst. 2019 folgte das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. Interviews zu seinem runden Jubiläum soll Michael Haneke ausnahmslos abgelehnt haben. Verständlich, wenn das Gesamtwerk für sich steht.