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Meldegesetz zurück auf Anfang

Kay-Alexander Scholz21. September 2012

Der Bundesrat hat das von Bundestag beschlossene Meldegesetz gestoppt. Es hätte den Einwohnermeldeämtern gestattet, persönliche Daten von Bürgern an Adresshändler weiterzugeben.

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Einwohnermeldeamt Symbolbild Melderegister (Foto: dapd)
Bild: dapd

Normalerweise sind die Abgeordneten des Bundestags wenig erfreut darüber, wenn ein von ihnen beschlossenes Gesetz im Bundesrat keine Zustimmung findet. Doch beim abgewiesenen Meldegesetz dürften viele sogar erleichtert sein. Denn Ende Juni passierte ein Gesetz den Bundestag, dessen volle Tragweite vielen Abgeordneten wohl erst nach der Abstimmung bewusst wurde. Oder dessen Kritik aus weiten Teilen der Presse und Bevölkerung zu einem Umdenken führte.

Demonstranten protestieren am 21.09.2012 vor dem Bundesrat in Berlin gegen das geplante neue Meldegesetz. Die Aktion wurde organisiert vom Bundesverband Verbraucherzentrale, Campact, der Deutschen Vereinigung für Datenschutz und dem Bürgerrechts- und Datenschutzverein FoeBuD. Foto: Stephanie Pilick/dpa
Demonstration gegen das Meldegesetz vor dem BundesratBild: picture-alliance/dpa

Worum geht es? Es gibt 5200 Meldeämter in Deutschland. Je nachdem, in welchem Bundesland sie liegen, gibt es unterschiedliche Regeln des Umgangs mit den Daten der Bürger. Im Jahr 2006 beschlossen die Länder zusammen mit dem Bund im Rahmen der Föderalismusreform, dies zu ändern und ein bundesweit einheitliches Meldegesetz auf den Weg zu bringen. Zielmarke sollte der 1. November 2014 sein.

Von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung

Kern des Anstoßes, der den Zeitplan durcheinander brachte, ist Paragraf 44 des geplanten Bundesmeldegesetzes. Darin ist unter anderem geregelt, unter welchen Bedingungen Name und Anschrift der Bürger an Adresshändler der Werbewirtschaft herausgegeben werden dürfen, die damit Geld verdienen wollen. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war hierzu eine Opt-in-Lösung vorgesehen. Das heißt, ohne Einwilligung der Bürger sollten keine Daten herausgegeben werden dürfen. Doch das Gesetz wurde in den Beratungen der Bundestagsausschüsse in diesem Punkt erheblich verändert. Aus der Zustimmungslösung wurde eine Widerspruchslösung nach dem Opt-out-Prinzip. Nun sollten die Bürger aktiv werden müssen, um die Datenweitergabe zu stoppen - entweder bei den Meldeämtern oder den einzelnen Firmen.

Man muss wissen, dass in einigen Landesmeldegesetzen noch überhaupt keine Regelung dazu festgeschrieben war, also selbst die Widerspruchslösung Vorteile für den Datenschutz bedeutet hätte. Dennoch war der Aufschrei in der Bevölkerung und in der Presse ("Nacht-und-Nebel-Aktion") über das im Bundestag abgenickte Meldegesetz groß. Das lag auch daran, dass - wie nicht unüblich - nur wenige Abgeordnete im Plenarsaal anwesend waren, gleichzeitig fand ein wichtiges Fußball-Länderspiel statt. Viele Bürger fragten sich, ob ihre Abgeordneten überhaupt vernünftig arbeiteten.

Screenshot Bundestag (Foto: picture-alliance/dpa)
Von der Öffentlichkeit kritisiert wurde, dass nur wenige Parlamentarier bei der Abstimmung des Gesetzes anwesend warenBild: picture-alliance/dpa

Kritik am Datenverkauf

200.000 Bürger schlossen sich der Initiative "Meine Daten sind keine Ware" an. Es gab besorgte Petitionen der Bürger an die Landesregierungen. Jan Korte von der Linkspartei, die wie die Grünen und die Sozialdemokraten im Bundestag gegen das Meldegesetz gestimmt hatte, forderte eine Komplettüberarbeitung des Gesetzes. Meldeämter dürften kein Datenpool für private Unternehmen und auch kein Archiv für Sicherheitsbehörden sein. Selbst Mitglieder der Regierungsfraktion aus CDU/CSU und FDP, auch solche, die an der umstrittenen Überarbeitung des Gesetzes beteiligt waren, schwenkten nun um und kritisierten ihr eigenes Vorhaben.

Die Fraktion der Piratenpartei im Berliner Senat fragte genauer nach und erfuhr, dass das Land Berlin im Jahr 2011 insgesamt 1,7 Millionen Euro durch Gebühren für Datenauskünfte eingenommen hatte. Eine Umfrage von "Spiegel-Online" unter den 28 einwohnerstärksten Kommunen ergab, dass im Jahr 2011 insgesamt 4,5 Millionen Datensätze weitergegeben und dadurch 12,1 Millionen Euro eingenommen wurden. Christopher Lauer von der Piratenpartei kritisierte daraufhin, es sei für den Bürger unverständlich auf der einen Seite öffentlich besseren Datenschutz bei Google und Facebook einzufordern und gleichzeitig Geld mit der Datenweitergabe zu verdienen. Sein Kollege Sebastian Nerz sagte: "Es ist ein Skandal, dass Meldedaten zweckentfremdet wie eine Ware verkauft werden." Auch die Verbraucherzentralen in Deutschland übten scharfe Kritik. Bundesvorstandsmitglied Gerd Billen forderte eine klarere Regelung und die Zurücknahme des Gesetzes.

Zurück auf Anfang

Doch ein Gesetz kann vom Bundestag nicht zurückgenommen werden, das verbietet der sogenannte Grundsatz der Unverrückbarkeit parlamentarischer Entscheidungen. Deshalb kam der Bundesrat ins Spiel. Dieser hat nun am Freitag dem Antrag aller Bundesländer zugestimmt, in Sachen Meldegesetz den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Mitglieder des Bundesrates stimmen ab (Foto: dapd)
Der Bundesrat war sich einig: Das Meldegesetz wird überarbeitetBild: dapd

Dort müssen nun Vertreter des Bundesrats und des Bundestags das Gesetz neu beraten. Danach wird es erneut dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt. Innen- und Rechtspolitiker aus den Bundesländern hatten schon im Vorfeld der Bundestagssitzung die Richtung der Vermittlung vorgegeben: Zurück auf Anfang, denn in Paragraf 44 soll aus der Widerspruchslösung wieder eine Zustimmungslösung werden. "Wir müssen im Sinne des Verbraucherschutzes erheblich sensibler mit Meldedaten umgehen und dabei strengere Maßstäbe anlegen", sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann vor der Abstimmung im Bundesrat.