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Männer, keine Heroen

17. März 2011

50 Männer versuchen, unter Lebensgefahr die Nuklearkatastrophe in Japan zu verhindern. Die Boulevard-Presse spricht von "Atom-Samurai". Doch es sind keine "Kamikaze-Kämpfer", meint Alexander Freund. Es sind Menschen.

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Bild: DW

Gebannt schaut die ganze Welt also auf die 50 Arbeiter, die unter extremsten Bedingungen die Reaktoren kühlen oder irgendwie wieder mit Strom versorgen sollen. Und die Welt fragt sich: Wer sind diese Helden in den dünnen Schutzanzügen, die natürlich wissen, dass dies ein Himmelfahrtskommando ist. Die wissen, dass sie extrem hohe Strahlenschäden erleiden werden oder bereits erlitten haben. Von Atom-Samurai ist in der Boulevard-Presse die Rede, von Kamikaze-Kämpfern, die dienend bis zum bitteren Ende bleiben. Sind sie wirklich so, die Japaner? Opferbereit, diszipliniert bis zum Tode, weitgehend unfähig, Leid oder Schmerz zu zeigen?

Alexander Freund Deutsche Welle
Alexander Freund, Redaktions- leiter "Hintergrund International"Bild: DW

Überstrapazierte Nationalstereotypen

Diese überstrapazierten Nationalstereotypen schmerzen. Alljene, die jetzt mit den Japanern leiden. Die sich um Freunde, Verwandte oder Kollegen sorgen. Japaner hängen genauso am Leben, wie alle anderen Menschen auch. Aber sie gehen mit Leid und Not anders um. Sie teilen solch schlimme Gefühle nun einmal nur mit nahestehenden Menschen. Mit Eltern oder Partnern, nicht aber mit der Öffentlichkeit. Sie wollen ihre Sorgen nicht auch noch anderen aufdrängen.

Sie sind wie wir

Natürlich weinen Japaner genauso laut, wie wir es in solch einer Situation tun würden. Natürlich schimpfen sie über eine beschwichtigende Informationspolitik oder über Organisationschaos. Aber eben gewöhnlich nicht öffentlich. Wir sollten uns von den kulturellen Unterschieden nicht verwirren lassen. Wir sollten Mitgefühl mit Japan zeigen, denn das unendliche Leid der Japaner ist universell.

Die namenlosen Arbeiter von Fukushima opfern sich nicht einfach heroisch für das große Ganze. Sie spüren eine tiefe Verpflichtung in sich. Nicht, weil sie Japaner sind, sondern weil sie wissen, dass es keine Alternative mehr gibt. Wenn sie gehen, ist alles verloren.Diese Arbeiter bleiben offenbar freiwillig, auch das unterscheidet sie von manchem jungen Kamikaze-Piloten, der für einen Hurra-Patriotismus in den Tod geschickt wurde.

Männer, keine Heroen

So hilflos die Bemühungen auch wirken: In Stunden größter Not braucht es vermutlich Helden. Menschen, die sich in größte Gefahr begeben, um Gefahr für andere abzuwenden oder zumindest hinauszuzögern. Hollywood hat dieses Bild des einsamen Helden stilisiert, der sich für das große Ganze opfert: Bruce-Willis-Typen, die beim Armageddon allein zurückbleiben und den sicheren Tod vor Augen zum Wohle der Menschheit den letzten Hebel umlegen. Die Arbeiter von Fukushima sind vermutlich keine Bruce-Willis-Typen, sondern Familienväter. Ganz normale Arbeiter, Techniker, die keine andere Alternative mehr sehen. Wir müssen sie nicht zu Heroen stilisieren. Wenn wir wollen, können wir für sie beten.

Autor: Alexander Freund

Redaktion: Silke Ballweg