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Olympia - und dann?

Das Interview führte Ina Rottscheidt25. August 2008

Olympia hat Aufmerksamkeit für Menschenrechte in China geschaffen. Doch wer interessiert sich in einem halben Jahr noch für das Thema? Darüber sprach DW-WORLD.DE mit der Menschenrechtsbeauftragten Herta Däubler-Gmelin.

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Herta Däubler-Gmelin ist seit 2005 Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte im Bundestag (Foto: dpa)
Herta Däubler-Gmelin ist seit 2005 Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte im BundestagBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Die Olympischen Spiele sollten die Menschenrechte nach China bringen - waren die Spiele aus dieser Perspektive eine Farce?

Herta Däubler-Gmelin: Ich habe diesen Anspruch nie mit Olympia verbunden, sondern es sollte natürlich auch die erhöhte Weltöffentlichkeit dazu genutzt werden, mehr über China zu erfahren und Peking daran zu erinnern, dass die Menschenrechte überall auf der Welt zu einer stabilen und demokratischen Gesellschaft gehören. Wenn man das so sieht, gab es gute Seiten und es gab auch erhebliche Defizite. Aber mir ist wichtig, dass die Menschenrechtsfrage jetzt nicht mit dem Ende der Olympischen Spiele wieder von der Agenda verschwindet.

1968 bei Olympia gab es die legendäre Szene, als Sportler auf die Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen aufmerksam machten: Hätten Sie sich mehr Solidarisierungsaktionen oder -demonstrationen der Sportler gewünscht?

Ich habe das 1968 als große Schande für die Vereinigten Staaten und das Internationale Olympische Komitee empfunden, dass die drei Sportler, die den Gruß der Black-Panther-Bewegung auf dem Siegerpodest gezeigt haben, quasi von den Spielen ausgeschlossen wurden und man ihnen die Medaillen wieder weg genommen hat. Darum darf man sich auch nicht wundern, dass Sportler, die sich vier Jahre vorbereitet haben, um in Olympia dabei zu sein und zu gewinnen, so etwas nicht machen. Ich denke auch, dass man den Sportlern nicht zuviel auflasten darf. Das ist Sache der Journalisten und der Politik. Beide müssen ihrer Verantwortung nachkommen, auch indem sie das IOC und die Sponsoren ermahnen, aufmerksamer zu sein - aber eben nicht nur während der Olympischen Spiele sondern auch danach.

Wie wollen Sie als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag dazu beitragen?

Wir werden im Oktober in Peking sein und die Menschenrechtslage sorgfältig beobachten. Aber ich habe etwas gegen erhobene Zeigefinger: Diejenigen, die das gegenüber Peking tun, tun das gegenüber anderen Großmächten nicht. Wir sollten die Menschenrechte deutlich und unnachgiebig anmahnen, und wir müssen da dran bleiben, auch als Menschenrechtsaktivisten und Politiker.


Wenn sie im Oktober nach China reisen: Wie wollen sie dort bei den Themen Menschenrechte, Minderheitenschutz, Demokratisierung oder Rechtstaatlichkeit in Zukunft wirksamer auf die chinesische Regierung einwirken?

Das Problem ist, dass der erhobene Zeigefinger von niemandem gerne gesehen wird. Das gilt übrigens auch für Herrn Schäuble und die Menschrechte der in Deutschland lebenden Ausländer, die keine Papiere haben. Aber man kann sehr deutlich ansprechen und auch klar machen, dass man drauf achtet.

Aber es empfiehlt sich immer, auch die Fortschritte zu sehen. Und Menschenrechte sind auch die sozialen Menschenrechte, also das Recht auf Bildung, auf Gesundheitsversorgung oder Überwindung der Armut. Es wäre manchmal für die Freiheitsrechte förderlicher, wo China zwar noch eine Menge zu tun hat, man würde anerkennen, welche Fortschritte dort bei den sozialen Menschenrechten in den letzten Jahren statt gefunden haben.


Olympia hat Aufmerksamkeit für Menschenrechte in China geschaffen. Interessiert sich in einem halben Jahr noch jemand für das Thema?

Diese Fragen gilt den Journalisten. Das, was wir getan haben, und ich selbst mache das seit 1991 regelmäßig, nicht nur in China, sondern auch in anderen Ländern, wird natürlich fortgesetzt werden und man kann schon Fortschritte feststellen. Das sagen auch Betroffene ganz deutlich. Ich glaube, es kommt jetzt darauf an, dass die Politik jetzt denjenigen, die die Freiheitsrechte einfordern, mit Nachdruck hilft, aber auch anerkennt, dass Großes geleistet wurde und geleistet wird. Und da kann man ruhig auch mal ein Wort des Lobes für die Ausrichtung der Olympischen Spiele an die chinesischen Sportlerinnen und Sportler richten. Das hilft insgesamt den Beziehungen zu China aber auch den Menschenrechten.

Herta Däubler-Gmelin ist seit 2005 Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages und war von 1998 bis 2002 Bundesjustizministerin.