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Bildung für Toleranz und Menschenrechte

Ronny Arnold22. August 2013

Toleranz und Menschenrechte stehen im Fokus der Universität Magdeburg. Viele Studierende aus dem Ausland lernen und forschen am einzigen deutschen Lehrstuhl für Menschenrechtsbildung der UNESCO.

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Eine Frau steht an einem Stacheldrahtzaun, im Hintergrund auf der anderen Seite eine Menschenmenge (Foto: Fotolia/Benjamin Haas)
Bild: fotolia/Benjamin Haas

Koran und Scharia - das sind die Themen, über die Forouzan Forough aus Afghanistan mit ihren deutschen Kommilitonen immer wieder diskutiert. Dabei wird sie nicht müde zu betonen, dass sie weder im Koran noch in der Scharia das Problem für Afghanistan sieht, sondern in den Politikern ihrer Heimat. Denn sie seien es, die Gesetze einfach nach ihren Interessen definierten, meint die Magdeburger Studentin. Und dabei die Menschenrechte außer acht ließen, insbesondere bei den Frauen.

"Der Islam hat nichts gegen Menschenrechte, da wird nur vieles falsch interpretiert, nicht zuletzt auch im Westen", sagt die zierliche 27-Jährige. Forouzan Forough kommt aus Herat im Westen Afghanistans und hat viele Jahre im Iran gelebt. Nun macht sie an der ostdeutschen Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ihren Master in Friedens- und Konfliktforschung am Institut für Politikwissenschaft. Die junge Afghanin studiert am UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechtsbildung bei Professor Karl-Peter Fritzsche.

Die ganze Welt im Fokus

"Ich wusste erst gar nicht, dass es hier einen UNESCO-Lehrstuhl gibt", gibt Forouzan Forough zu. Internationale Beziehungen, Menschenrechte und Politikwissenschaft wollte sie studieren, Magdeburg passte perfekt ins Profil. Dass sie nun auch viel über die Arbeit der UNESCO erfährt, freut Forough. "Es wird alles besprochen, der aktuelle Zustand der Organisation, die Aktivitäten und Beiträge in der Welt, das ist spannend."

Forouzan Forough aus Afghanistan studiert am Magdeburger UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechtsbildung (Foto: DW/Ronny Arnold)
Forouzan Forough aus Afghanistan kämpft für die Gleichberechtigung der Frauen in ihrer HeimatBild: DW/R. Arnold

Was macht die UNESCO, wofür steht sie, wo auf der Welt kümmert sie sich um die Einhaltung der Menschenrechte? All das lernt man am Lehrstuhl von Professor Karl-Peter Fritzsche, in dessen Vorlesungen bis zu 200 Studierende sitzen. "Die können hier lernen, was Menschenrechte sind, ihre eigenen und die der anderen, wie man Menschenrechte schützt, wie sie entstanden sind." Das Label der UNESCO stehe dabei nicht permanent im Fokus, sondern bilde eher den Rahmen, erklärt Fritzsche, der den Lehrstuhl seit seiner Gründung im Jahr 2001 betreut. Es ist einer von insgesamt zehn UNESCO-Lehrstühlen in Deutschland. Weltweit gibt es fast 800, darunter auch einige andere, die sich mit dem Thema Menschenrechte befassen.

Menschenrechte in Lateinamerika

Karl-Peter Fritzsche beschäftigt sich in seiner Forschung und Lehre mit der Frage, wie man Menschenrechte in verschiedene Kulturen, religiöse und politische Systeme bringt. Das interessiert auch Patricia Villanueva aus Bolivien, die seit drei Jahren in Magdeburg studiert. Dass es hier einen UNESCO-Lehrstuhl gibt, wusste die 34-Jährige von Anfang an, sie ist extra deswegen nach Magdeburg gekommen. In ihrem Masterstudium hat sie sich besonders mit Menschenrechten in Lateinamerika beschäftigt, mit Bildungskonzepten, Humanitärer Hilfe und Konfliktforschung.

Patricia Villanueva aus Bolivien studiert am Magdeburger UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechtsbildung (Foto: DW/Ronny Arnold)
Patricia Villanueva aus Bolivien kam extra wegen des UNESCO-Lehrstuhls zum Studium nach MagdeburgBild: DW/R. Arnold

Seit wenigen Tagen hat Patricia Villanueva nun ihren Abschluss in der Tasche, sie möchte gern in Deutschland promovieren. Falls das nicht klappt, will sie nach Bolivien zurück, ein Jobangebot hat sie bereits. "Mit meiner Fächerkombination habe ich gut vorgesorgt, habe hier vor allem gelernt zu forschen, und das ist natürlich spannend, gerade für Länder wie Bolivien."

Der Islam und die Menschenrechte

Die aktuelle Forschung am Lehrstuhl von Professor Fritzsche umfasst viele Themen: Wie entsteht Engagement für grundsätzliche Rechte, die für jeden einzelnen Menschen gelten? Welche Rechte haben Kinder? Was kann an Schulen vermittelt werden und was von staatlichen Institutionen? In einem Forschungsprojekt hat er die Entwicklung der Menschenrechte in der Türkei, im Iran und in Ägypten untersucht und hinterfragt, wie konkret der Islam diese beeinflusst.

Professor Karl-Peter Fritzsche, Inhaber des Magdeburger UNESCO-Lehrstuhls für Menschenrechtsbildung (Foto: DW/Ronny Arnold)
Für Professor Karl-Peter Fritzsche stehen die Menschenrechte immer an erster StelleBild: DW/R. Arnold

In Ländern, die stark islamisch geprägt sind und die sich gleichwohl den Menschenrechten öffnen, herrsche ein anderes Verständnis der Menschenrechte, so der Professor. "Die Menschenrechte sind dort der Scharia nachgeordnet, sie werden dadurch anders gedeutet und eingeschränkt", erklärt Fritzsche. "Es hat wenig mit unserem Verständnis zu tun, wo die Menschenrechte immer an erster Stelle stehen sollten."

Aufmerksam hört Forouzan Forough ihrem Professor zu. Mindestens zwei Jahre will sie noch am Magdeburger UNESCO-Lehrstuhl studieren, dann vielleicht auch in ihre Heimat zurückkehren. Die Frauen in Afghanistan liegen ihr besonders am Herzen. Ihnen möchte sie helfen, einen menschenwürdiges und gleichberechtigtes Leben führen zu können. "Die Erfahrungen, die ich hier bekomme, sind dafür echt wertvoll."