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Politik

Merkel appelliert an Chinas Verantwortung

7. September 2019

Freihandel, Klimaschutz, Menschenrechte: Bei ihrem Besuch in China forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel von ihrem Gastgeberland verstärkten Einsatz - und übte stellenweise auch vorsichtige Kritik.

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Bundeskanzlerin Merkel in China
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Brücke über dem Chang Jiang FlussBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Am letzten Tag ihrer Chinareise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Peking zu mehr internationaler Verantwortung aufgerufen. Dies gelte auf einer Vielzahl von Feldern, sagte Merkel in der chinesischen Stadt Wuhan in einer Diskussion mit Studenten. Das Land habe als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat eine besondere Rolle und müsse immer auf friedliche Lösungen hinwirken. Das gelte im Atomstreit mit dem Iran ebenso wie im Konflikt Chinas mit den Anrainern des südchinesischen Meeres. 

Merkel war zum zwölften Mal nach China gereist. Mit Wuhan in der Provinz Hubei hat sie nunmehr die Hälfte aller Provinzen des Landes besucht. Wuhan ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort für deutsche Unternehmen. 

Merkel empfiehlt schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien 

Merkel hob auch die große Verantwortung Chinas im internationalen Handel hervor. Angesichts der Globalisierung seien gemeinsame Regeln unverzichtbar. Es bedürfe multilateralen Handelns, nicht Protektionismus, etwa im Handel. "Denn Protektionismus schadet am Ende uns allen." Man müsse sich für eine Politik entscheiden, die die nationalen wie internationalen Interessen im Auge behalte. 

Bundeskanzlerin Merkel in China
Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht an der Huazhong Universität vor Studierenden Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

"Eines Tages" werde es die Diskussion geben müssen, ob China weiter als Entwicklungsland eingestuft werden könne, wenn es technologisch in vielen Bereichen bereits führend sei, sagte die Kanzlerin. Aus dem Status ergeben sich Vorteile für das Land beim Handel und bei der Entwicklungshilfe.

Außerdem bemühe sich China zwar beim Klimaschutz, sei aber der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen, und der Ausstoß wachse weiter. Das Land müsse sich die Frage stellen, wann dies enden solle. Merkel empfahl, dass China seine Energieversorgung noch schneller auf erneuerbare Energie umstellt. Angesichts der Größe und der Wirtschaftskraft des Landes sei die internationale Gemeinschaft auch auf einen wichtigen Beitrag von hier angewiesen. "Klimaschutz ist Verantwortung für alle."

Sozialpunkte-System ethisch spannend 

Kritisch äußerte sich Merkel über die Einführung eines sogenannten Sozialpunkte-Systems in China. In Europa werde dies für schlecht gehalten, sagte sie vor den Studenten. Dort gebe es eine Datensouveränität des Bürgers. Das sei also eine spannende ethische Diskussion, die die Welt noch sehr beschäftigen werde.  Das Sozialpunkte-System versucht, die wirtschaftliche und soziale Vertrauenswürdigkeit von Personen und auch von Firmen zu überprüfen, indem es auf Datenbanken zugreift, um die Kreditwürdigkeit, das Strafregister und das soziale und politische Verhalten zu prüfen. 

China Staatsbesuch l PK mit  Bundeskanzlerin Merkel und dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang
Die Bundeskanzlerin mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang: Sozialpunkte zur Verbrechensbekämpfung? Bild: Getty Images/A. Verdelli

Chinas Ministerpräsident Li Keqiang hatte am Freitag bei einem Treffen mit Merkel versucht, das Streitthema herunterzuspielen. Es gehe dabei vor allem um die Aufdeckung von kriminellen Verstößen und Straftaten. 

Im Hinblick auf den Konflikt in Hongkong äußerte die Kanzlerin erneut ihre Hoffnung auf eine friedliche Lösung. Merkel sagte kurz vor dem Abflug nach Deutschland, alles andere wäre aus ihrer Sicht "eine Katastrophe". Man habe ihr bei diesem Thema in Peking "zugehört". Es sei wichtig, immer wieder im Gespräch zu bleiben. Sie fügte hinzu, Hongkong stehe zwar derzeit im Vordergrund. Es gebe in China aber auch noch andere Menschenrechtsfragen.  In Peking traf sie nach Angaben aus Regierungskreisen am Freitagabend auch chinesische Menschenrechtsanwälte. 

Der Hongkonger Aktivist Joshua Wong zeigt sich enttäuscht über den Auftritt Merkels in Peking. "Ich danke Kanzlerin Merkel, dass sie Hongkong in Peking angesprochen hat, aber es war viel weniger deutlich als es sich die Hongkonger gewünscht hatten", sagte Wong der "Bild am Sonntag".

Unterdessen verhinderten Polizeibeamte am Hongkonger Flughafen eine erneute Demonstration. Hunderte Bereitschaftspolizisten patrouillierten am Flughafen und in der Umgebung. Der Flughafen, eines der wichtigsten Luftfahrtdrehkreuze der Welt, war in den vergangenen Wochen immer wieder das Ziel von Protesten geworden. Zuletzt hatten vergangenen Sonntag Tausende Protestler trotz eines Verbots vorübergehend den Betrieb lahmgelegt. 

sth/st (rtr,dpa,afp)