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Merkel beharrt auf europäischer Lösung

16. März 2016

Kurz vor Beginn des EU-Türkei-Gipfels hat die Kanzlerin im Bundestag noch einmal für eine europaweite Lösung der Flüchtlingskrise geworben. Doch die Kritiker, auch diejenigen im Unionslager, wollen nicht verstummen.

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Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel am 16.03.2016 im Bundestag (Foto: Reuters/H. Hanschke)
Bild: Reuters/H. Hanschke

Sie setze sich dafür ein, "dass wir uns als reicher Kontinent in der Lage zeigen, eine solche Herausforderung gemeinsam zu meistern", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung im Bundestag. "Dabei dürfen wir nie vergessen: Auch Deutschland geht es auf Dauer nur dann gut, wenn es auch Europa gut geht, also Europa als Ganzes." Deswegen müsse unverändert national, europäisch und international an dauerhaften Lösungen gearbeitet werden, um die Zahl der Flüchtlinge spürbar zu senken.

Merkel forderte in diesem Zusammenhang die Türkei auf, dem NATO-Verband in der Ägäis die Kontrolle aller Flüchtlingsrouten zu ermöglichen. Dieser Einsatz komme nur Schritt für Schritt in Gang. Es sei bei dem Einsatz zu beobachten, dass Schleuser auf andere Inseln auswichen, wenn nur eine überwacht werde, bedauerte Merkel. "Deshalb brauchen wir Zugang zu allen Bereichen der türkischen Territorialgewässer." Die NATO ist seit Montag vergangener Woche unter deutscher Führung auf den Flüchtlingsrouten in der Ägäis unterwegs. Bisher überwacht sie aber nur die Routen zur Insel Lesbos.

Lob für Ankara, Tadel für die EU-Staaten

Zugleich lobte die Kanzlerin die Türkei für ihre Flüchtlingspolitik - und rüffelte zugleich die anderen europäischen Staaten: "Das, was die Türkei für weit über zwei Millionen Flüchtlinge, genau gesagt etwa 2,7 Millionen Flüchtlinge, in ihrem Land seit Jahren leistet, kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden. Es gereicht Europa nicht zur Ehre, sich als Union von 28 Mitgliedstaaten mit 500 Millionen Bürgern bislang so schwer getan zu haben, die Lasten zu teilen."

Mit Blick auf die aktuell geringeren Zahlen durch die faktische Sperrung der Balkanroute sagte die CDU-Vorsitzende, davon dürfe man sich nicht täuschen lassen. "Die momentane Erleichterung, die Deutschland und einige andere Mitgliedsstaaten jetzt spüren, die ist das eine. Die Lage in Griechenland ist das andere." Der Zustand dort dürfe nicht von Dauer sein. Sonst komme Europa vom Regen in die Traufe. Entscheidend sei, die Zahl der Flüchtlinge nicht nur für einige, sondern für alle Mitgliedsstaaten zu reduzieren. Der EU-Türkei-Gipfel findet am Donnerstag und Freitag in Brüssel statt.

Linke: "Projekt Europa steht vor dem Scheitern"

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch warf der Kanzlerin "scheinheiligen Deal" mit der Türkei in der Flüchtlingskrise vor. "Das Projekt Europa steht vor dem Scheitern", so Bartsch in der Debatte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan diktiere der EU seine Bedingungen - ein Mann, der Journalisten verhaften lasse und die Pressefreiheit abschaffe. "Menschenrechte dürfen niemals und nirgendwo auf dem Verhandlungstisch liegen", warnte Bartsch.

CSU zweifelt weiter an EU-Türkei-Abkommen

Die CSU hatte vor Merkels Erklärung noch einmal erhebliche Zweifel am Zustandekommen und der raschen Wirkung eines EU-Türkei-Abkommens in der Flüchtlingskrise geäußert. Unter anderem sei offen, wie innerhalb der EU die geplanten Flüchtlingskontingente verteilt werden könnten, die der Türkei abgenommen werden sollen, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer in Berlin. Zeige sich, dass dabei lediglich ein Deutschland-Türkei-Pakt herauskomme, werde dies die Probleme nur verstärken.

Scheuer bezweifelte auch, dass die Verhandlungen über Visaerleichterungen wie geplant bis zum Sommer abgeschlossen werden könnten. Durch die Vielstimmigkeit innerhalb der EU hätten sich "die Preise auf diesem Basar" der Verhandlungen mit der Türkei stark verändert, kritisierte Scheuer mit Blick auf den EU-Türkei-Gipfel. Merkel müsse in Brüssel die Probleme eines Deals mit der Türkei ansprechen, "nach dem Motto: Das geht und das nicht". Die Kanzlerin solle zudem auf jene Staaten zugehen, die die Balkanroute geschlossen hätten. Sie dürfe diese Länder nicht auch noch kritisieren, da Deutschland von diesen Entscheidungen profitiere.

Seibert: Merkels Position nicht von Treffen mit Seehofer abhängig

Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wollen am Abend im Kanzleramt erneut über die strittige Flüchtlingspolitik beraten. Die Kanzlerin macht ihre Position beim EU-Gipfel jedoch nicht von dem Unions-Spitzentreffen abhängig. Dies machte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin deutlich. Zu "Treffen innerhalb der Parteienfamilie" könne er sich nicht äußern.

sti/wl (dpa, afp, rtr)